Geld oder Brief:J.P. Morgan

Übernahme von First Republic weckt Kursfantasie für J.P. Morgan

J.P. Morgan sichert sich durch die Notübernahme der First Republic Bank Zugang zu einer neuen Basis vermögender Privatkunden. Gerade im Ausbau des Wealth Managements sehen Analysten großes Kurspotenzial.

Übernahme von First Republic weckt Kursfantasie für J.P. Morgan

Geld oder Brief

Übernahme von First Republic Bank weckt Kursfantasie für J.P. Morgan

Von Alex Wehnert, New York

Die US-Großbank J.P. Morgan hat ihre Marktmacht im Zuge der jüngsten Marktturbulenzen untermauert. Das Finanzinstitut übernahm Einlagen der kollabierten First Republic Bank im Volumen von 92 Mrd. Dollar sowie große Teile des Portfolios der Kalifornier, darunter 173 Mrd. Dollar an Krediten und 30 Mrd. Dollar an Wertpapieren. J.P. Morgan hat so nicht nur die eigene Bedeutung als Stabilisator des Finanzsystems unterstrichen, sondern sich auch Zugang zu einer neuen Basis an vermögenden Kunden gesichert. 

Wealth Management wächst

Das übernommene Institut zog sogenannte „High Net Worth Individuals“ unter anderem durch die Vergabe großvolumiger Hypothekenkredite zu äußerst günstigen Konditionen an. Diese Praxis, die nach den Zinsanstiegen der vergangenen Monate entscheidend zum Zusammenbruch der First Republic beitrug, plant J.P. Morgan zwar nicht fortzusetzen. Allerdings will der Branchenprimus die Übernahme durchaus nutzen, um den seit 2019 intensiver vorangetriebenen Ausbau des Wealth Managements abseits der hauseigenen Privatbank zu beschleunigen. Die Großbank will die entsprechende Sparte des Geldhauses aus San Francisco nun offenbar mit dem eigenen Geschäft verschmelzen. Einige der 84 zumeist in attraktiven Lagen amerikanischer Metropolen gelegenen Filialen der First Republic sollen zu sogenannten Vermögenszentren von J.P. Morgan werden.

Für Finanzinstitute ist das Wealth Management attraktiv, weil es eine robustere Ertragsquelle darstellt als das volatile Investment Banking und andere zyklisch geprägte Geschäftsbereiche. Gerade Morgan Stanley ist es durch eine intensivere Fokussierung auf die Vermögensverwaltung für zahlungskräftige Kunden seit der Finanzkrise gelungen, die Einnahmen zu stabilisieren und die Attraktivität der Aktie zu erhöhen.

Eine starke Präsenz im Wealth Management birgt zudem weitere Vorteile. So steigen dadurch auch die Vertriebsmöglichkeiten für andere Dienstleistungen. Ein vermögender Unternehmer dürfte sich zum Beispiel für die Finanzierung seiner Firma eher an eine Bank wenden, zu der er auch privat eine gute Geschäftsbeziehung unterhält – so zumindest die Theorie. J.P. Morgan als größtes US-Finanzinstitut besitzt laut Analysten weitreichende Möglichkeiten, das Cross-Selling zu nutzen, um die Einnahmen aus dem Investment Banking, dem Assetmanagement und Brokerage anzukurbeln.

Bei Morgan Stanley hat die Wealth-Management-Strategie jedenfalls zu einem langfristigen Anstieg der Bewertung geführt: Zuletzt handelte die Aktie der Investmentbank zum 1,48-Fachen des Buchwerts und lag damit deutlich über dem Vergleichswert der schärfsten Konkurrentin Goldman Sachs. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis von J.P. Morgan auf Sicht der vergangenen zwölf Monate liegt immerhin bei 1,42.

Gerade in Krisenzeiten robust

Gerade in Krisenzeiten hat sich der Titel als robust erwiesen: Während der KBW Bank Index im laufenden Jahr um mehr als 27% abgesackt ist, gewann die Aktie des Branchenprimus zwischen Anfang Januar und Mittwochabend 3% an Wert. Auch für die weitere Entwicklung geben Investmenthäuser optimistische Prognosen ab. In der Bloomberg-Datenbank finden sich 21 Kaufempfehlungen für die Aktie, dem stehen neun „Halten“-Vota gegenüber – dagegen rät kein einziger Analyst zum Verkauf.

Reduziertes Risiko

Die britische Großbank Barclays hebt zudem hervor, dass die Notübernahme der First Republic für J.P. Morgan vergleichsweise günstig und wenig riskant war. Das führende US-Geldhaus zahlt 10,6 Mrd. Dollar an den staatlichen Einlagensicherungsfonds FDIC, der das kollabierte Kreditinstitut Anfang Mai unter Zwangsverwaltung gestellt hatte. Der Regulator schloss mit J.P. Morgan eine Vereinbarung über die Übernahme von Verlusten aus dem Portfolio der First Republic Bank. Bei Hypothekenkrediten für Einfamilienhäuser deckt die FDIC über sieben Jahre 80% der Verluste ab, bei Unternehmenskrediten über fünf Jahre. Das Besicherungsvehikel der Behörde wird in der Folge mit 13 Mrd. Dollar belastet. Zudem erhält J.P. Morgan von der FDIC Festzins-Finanzierungen im Volumen von 50 Mrd. Dollar über fünf Jahre.

Zwar bläht der Deal die Bilanz der Großbank weiter auf und belastet die harte Kernkapitalquote (Tier 1) um 40 Basispunkte. Damit ist J.P. Morgan laut der Deutschen Bank aber immer noch gut genug aufgestellt, um den für Jahresende angepeilten eigenen Zielwert von 13,5% zu erreichen. Die Analysten von Wells Fargo heben unterdessen die förderliche Wirkung der Notübernahme auf den Gewinn pro Aktie hervor und erhöhen das Kursziel für J.P. Morgan von 165 auf 174 Dollar (zuletzt: 138,45 Dollar).

Bei allen erwarteten positiven Effekten warnen Ökonomen aber davor, dass die Übernahme der First-Republic-Assets durch J.P. Morgan Konzentrationsrisiken innerhalb des Finanzsektors noch verstärkt hat. Der ehemalige Chef der FDIC William Isaac kritisierte zuletzt, die Behörde habe sich durch den Deal wichtiger Handlungsoptionen für künftige Notsituationen beraubt. Denn durch die zunehmende Machtkonzentration im Sektor sei nur noch eine geringe Anzahl an Banken überhaupt in der Lage, Rettungsaktionen oder Notkäufe zu stemmen.

Bei der Hauptversammlung in der laufenden Woche bezeichnete es J.P.-Morgan-CEO Jamie Dimon auf Nachfrage von Aktionären zwar als „unwahrscheinlich“, dass die Großbank weiteren Geldhäusern in dieser Form beispringen wird. Doch die Turbulenzen im Sektor gelten trotz der jüngsten Kurserholung von Regionalbanken wie Pacwest Bancorp noch nicht als beendet. Und schwindet das Vertrauen in die US-Finanzbranche weiter, droht dies auch ihre führenden Vertreter und deren Aktien zu treffen.