Britischer Aktienmarkt

Ungeliebt, aber billig zu haben

Britische Aktien sind bei Investoren weiterhin unbeliebt. Doch die Kursreaktion auf die Inflationsdaten für Juni hat gezeigt, dass es Käufer gibt, sollte sich die Teuerung endlich abschwächen.

Ungeliebt, aber billig zu haben

Ungeliebt, aber billig zu haben

Britische Aktien bieten höhere Renditen – Deckungsquote könnte unter 1,0 rutschen

von Andreas Hippin, London

Britische Aktien sind nach wie vor günstiger bewertet als europäische oder US-amerikanische Dividendentitel. Dafür gibt es Gründe. Wer allerdings hohe Ausschüttungen sucht, wird im Vereinigten Königreich gut bedient, vorausgesetzt die Gewinne der Banken und Energiekonzerne geraten nicht unter Druck.

Britische Aktien sind bei Investoren weiterhin unbeliebt. Doch die Kursreaktion auf die Inflationsdaten für Juni hat gezeigt, dass es Käufer gibt, sollte sich die Teuerung endlich abschwächen. Die am 19. Juli vom Statistikamt ONS vorgelegten Zahlen belegten, dass der Preisauftrieb im Juni stärker zurückging als von Volkswirten im Schnitt erwartet. Mit 7,9% bewegte er sich im europäischen Vergleich allerdings immer noch auf einem hohen Niveau. Gleichwohl stieg der FTSE 250 an diesem Tag um fast 4%. Der FTSE 100 bewegte sich im weiteren Monatsverlauf auf das im Mai erreichte Hoch zu. Doch hielt die gute Stimmung nicht allzu lange an. Zu ungewiss ist die Leitzinsentwicklung. Die Bank of England setzte ihn mittlerweile das 14. Mal in Folge auf nunmehr 5,25% herauf, ohne die Auswirkungen der bisherigen Erhöhungen auf die Wirtschaft abzuwarten.

Kleinanleger steigen aus

Es lohnt sich, einen Blick auf die Aktivitäten der britischen Kleinanleger zu werfen, die unter der hohen Inflation und steigenden Lebenshaltungskosten ächzen. Den jüngsten Daten des Fondsverbands Investment Association zufolge haben sie im Juni für knapp 1 Mrd. Pfund Aktien- und Anleihenfonds aus dem Portfolio geworfen. Es wird angenommen, dass sie den Erlös unter anderem dazu benutzten, höhere Rechnungen und Hypothekenraten zu bezahlen. Verkauft wurden insbesondere Produkte, die sich auf britische Aktien und inflationsgeschützte britische Staatsanleihen (Gilts) bezogen. Das mag daran liegen, dass sich eine längere wirtschaftliche Stagnation abzeichnet. Analysten revidieren ihre Schätzungen für die Unternehmensgewinne nach unten. Im vergangenen Monat galt das insbesondere für Rohstoff- und Ölkonzerne sowie für Versicherer. Allerdings gab es auch Branchen wie die Autoindustrie, Freizeit und Einzelhandel, wo sie nach oben genommen werden. Das Bild ist alles andere als einheitlich. Dafür bieten britische Aktien im Vergleich zu europäischen und US-amerikanischen Titeln höhere Renditen. Wie die Strategen Susana Cruz und Joachim Klement von Liberum Capital bereits im Mai ermittelten, lieferten FTSE-350-Gesellschaften, Dividenden und Aktienrückkäufe zusammengerechnet, im Schnitt 6,8%. Die im Stoxx Europe ex UK enthaltenen Firmen brachten 4,7%, US-Unternehmen 4,2%. Der bereits in der Vergangenheit präsente Abstand hatte sich wesentlich ausgeweitet. Sowohl im Vereinigten Königreich als auch in Resteuropa lagen die Renditen (Dividenden und Aktienrückkäufe) über ihrem jeweiligen Zehnjahresdurchschnitt, in den Vereinigten Staaten darunter.

Wer auf Dividendentitel setzt, um Verbindlichkeiten zu bedienen, sollte sich klar machen, dass britische Gesellschaften mittlerweile stärker auf Aktienrückkäufe setzen. Es gibt weniger Firmen, die eine hohe Dividendenrendite liefern, wie Cruz und Klement diesen Monat herausstrichen. Dadurch verlieren die in der Vergangenheit so gefragten Equity Income Funds bei den Anlegern an Beliebtheit. In den vergangenen drei Jahren flossen aus solchen Fonds 7,1 Mrd. Pfund ab, das sind 8,5% des verwalteten Vermögens. Das bedeutet, dass sie weniger Einfluss auf die Dividendenpolitik haben, wie Cruz und Klement erklären. Damit ist es einfacher für Unternehmen, auf Aktienrückkäufe umzusteigen.

Reichlich überschüssige Barmittel

Ebenfalls bedenkenswert ist, dass die Deckung von Dividenden und Aktienrückkäufen durch Unternehmensgewinne im vergangenen Jahr auf 1,09 (i.V. 1,44) zurückgegangen ist. Im gerade vorgelegten „2023 Global Dividend Cover Report“ führt der Henderson International Income Trust das auf einen Anstieg der Ausschüttungen um mehr als zwei Drittel zurück, der von Maßnahmen zur Aktionärsbeglückung von Banken und Ölkonzernen angetrieben wurde. Sie seien doppelt so schnell gestiegen wie die Gewinne. Das sei möglich gewesen, weil die Energiefirmen mehr Cash eingesammelt hätten als sie für ihre Investitionsprogramme benötigten. Unter vergleichbaren Ländern sei die Deckung nur in den Vereinigten Staaten und der Schweiz niedriger gewesen. Für das laufende Jahr rechnet der von Ben Lofthouse gemanagte Trust mit einem schwächeren Wachstum der britischen Unternehmensgewinne. Dazu dürften insbesondere Öl- und Rohstoffkonzerne beitragen. Der Trust rechnet für 2023 lediglich mit einer Deckung von 0,95. Ein Wert von unter 1,0 gilt vielen als nicht nachhaltig und als mögliches Signal für anstehende Dividendenkürzungen.

Im Vergleich zum S&P 500 ist der FTSE 350, gemessen am Verhältnis von Kurs und erwartetem Unternehmensgewinn pro Aktie, günstig zu haben. Allerdings unterscheidet sich der Branchenmix stark. Unter den britischen Gesellschaften finden sich mehr aus der Mode gekommene Aktien der „Old Economy“ wie Banken und Rohstoffkonzerne, weniger Technologietitel.

Bei Liberum steht der Baumaschinenvermieter Ashtead auf der „Best Ideas“-Liste. Die wachsende Pipeline von US-Megaprojekten, von denen viele von der Regierung finanziert würden, sollte die Nachfrage stützen. Auch der Caterer SSP Group, der unter anderem Bahnhofsbäckereien, Schnellrestaurants von Burger King und Cafés von Starbucks betreibt, findet sich auf der Liste.

| Quelle:
BZ+
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