Geld oder Brief

Unicredit setzt die Anteilseigner "unter Drogen"

Unter CEO Andrea Orcel erlebt die Aktie der HVB-Mutter Unicredit einen wahren Höhenflug. Das liegt neben den guten Ergebnissen auch an wiederholten Aktienrückkaufprogrammen.

Unicredit setzt die Anteilseigner "unter Drogen"

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Unicredit setzt die Anteilseigner "unter Drogen"

Von Gerhard Bläske, Mailand

Für die HVB-Mutter Unicredit geht es seit dem Amtsantritt von CEO Andrea Orcel im April 2021 steil bergauf. Gewinne, Aktienkurs und Ausschüttungen sind massiv gestiegen. Die Bank hält die Aktionäre auch mit wiederholten Aktienrückkaufprogrammen bei Laune: Der Kurs hat sich seit Orcels Amtsantritt etwa verdreifacht und innerhalb der letzten zwölf Monate um 84% zugelegt. Für 2023 können die Anteilseigner mit mindestens 6,5 Mrd. Euro rechnen – wahrscheinlich deutlich mehr. Mit einem Börsenwert von 43,6 Mrd. Euro ist das Institut nahe an Italiens Nummer 1 Intesa Sanpaolo (48,5 Mrd. Euro) herangerückt.

Orcel, der Anfang 2024 vor der Verlängerung seines Mandats um weitere drei Jahre steht, während die Suche nach einem Nachfolger für Chairman Pier Carlo Padoan auf vollen Touren läuft, hat die Bank kräftig durcheinandergewirbelt. Er hat sie massiv umgebaut, den Großteil der Spitzenmanager, darunter viele, die er selbst geholt hatte, ausgetauscht, Doppelfunktionen im Management reduziert und seinen direkten Zugriff auf das Italien-Geschäft gestärkt. Orcel hat zudem die Digitalisierung energisch vorangetrieben. Die Rentabilität ist deutlich verbessert worden. Mit einer Aufwandsquote von 39% steht das Institut sehr gut da.

Unter Orcels Ägide setzte sich der Personalabbau fort. Es werden jedoch auch junge Mitarbeiter geholt. Die Bank hat noch 72.000 Beschäftigte, davon fast 27.000 in Italien. In Deutschland sind etwas mehr als 10.000 Mitarbeiter verblieben. Vor zehn Jahren waren es noch fast doppelt so viele.

Besser durchregieren

Apropos Deutschland: Auch die ehemalige HVB, die ein Viertel zum Geschäftsvolumen beisteuert, während die Hälfte aus Italien kommt, ist stark umgebaut worden: Das Investment Banking ist mit dem Mittelstandsgeschäft zum Bereich Client Solutions zusammengelegt worden. Nach CEO Michael Diederichs verließen bzw. verlassen mit der erst seit März amtierenden Privatkundenchefin Monika Rast und dem für Client Solutions zuständigen Christian Reusch Urgesteine das Institut. Mit der Umwandlung der AG in eine GmbH hat Orcel den Aufwand reduziert. Er kann nun besser durchregieren.

Immer wieder wird das Institut als Käufer anderer Banken gehandelt, zuallererst für Italiens viertgrößte Bank, die zu 39,4% staatliche Monte dei Paschi di Siena (MPS). Doch Orcel, der im Herbst 2021 eine Übernahme geprüft, aber dann abgelehnt hat, zeigt sich wenig interessiert. Er schließt zwar größere Übernahmen nicht grundsätzlich aus. Doch ist er etwa in Bezug auf Deutschland, Italien und Österreich eher zurückhaltend. Die Märkte seien dort schwieriger und „die Preise zu hoch“, sagte er kürzlich. Seine Aufmerksamkeit richtet sich eher auf kleinere oder mittelgroße Akquisitionen in Mittel- und Osteuropa. Unicredit erwarb kürzlich Banken bzw. Beteiligungen in Rumänien und Griechenland. Das Derisking in Russland will die Bank fortsetzen, sich aber nicht um jeden Preis zurückziehen.

Die Mittel für eine Expansion hätte das Institut, das in 13 Ländern Europas präsent ist und eine der wenigen wirklich grenzüberschreitend tätigen Banken ist, durchaus. Es verfügt über ein Überschusskapital von 10 Mrd. Euro. Doch sollte er keine geeigneten Übernahmeobjekte finden, werde man im Interesse der Aktionäre mit dem Rückkauf eigener Papiere weitermachen, so Orcel kürzlich. Auch die von vielen Finanzmarktakteuren erwarteten Zinssenkungen können Orcel nicht schrecken. Darauf sei man „vorbereitet“, sagte er kürzlich.

Der frühere Chef des UBS-Investment-Banking setzt auf Wachstumsfelder wie die Vermögensverwaltung, wo Unicredit mit 195 Mrd. Euro Assets under Management im Vergleich zur Konkurrenz relativ schwach aufgestellt ist – auch weil Vorgänger Jean Pierre Mustier die Vermögensverwaltungstochter Pioneer 2016 in schwierigeren Zeiten verkaufen musste. Allerdings hat die Bank die Kooperation mit dem Vermögensverwalter Azimut ausgeweitet und hat in fünf Jahren eine Call-Option für das Joint Venture. Darüber hinaus sieht die Bank für sich gute Perspektiven im Versicherungsgeschäft: Im Bereich Leben denkt sie über eigene Angebote nach, in anderen Sektoren setzt sie auf ein enges Bündnis mit der Allianz und Partnerschaften mit CNP und Unipol.

Analysten sehen die Perspektiven des Instituts überwiegend positiv, sind teilweise euphorisch. 24 von 27 Analysten empfehlen das Papier zum Kauf, drei raten zum Halten. Mit einer Dividendenrendite von 4,1% und einem für 2024 erwarteten KGV von 5,62 sei die Aktie nach wie vor attraktiv. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 32,42 Euro. Die Bandbreite geht von 27,10 bis 39,90 Euro (Jefferies).

Nur Goldman Sachs reduzierte das Kursziel von 37,25 auf 34,40 Euro, was Analyst Chris Hallam damit begründete, dass 2024 auch wegen sinkender Zinsen ein „Übergangsjahr“ für Europas Banken sei. Er hält jedoch an seiner Kaufempfehlung fest, ebenso wie Berenberg, die jedoch das Target von 31 auf 34 Euro hochsetzte. Analyst Michael Christodoulou betrachtet das Institut als „gut aufgestellt, die Profitabilität zu sichern und weiteren Wert für die Aktionäre zu schaffen“.

"Wir wollen mehr davon"

Regelrecht enthusiastisch sind die Mediobanca-Analysten, die den Zielpreis von 30 auf 34 Euro angehoben haben. „Doktor Orcel“ steuere das Institut weise. Die anhaltend hohen Ausschüttungen – Mediobanca rechnet mit bis zu 24 Mrd. Euro für 2023 bis 2025, 50% mehr als im vorherigen Drei-Jahres-Zeitraum – wirkten wie Drogen. „Wir wollen es, wir wollen mehr davon“, so Analyst Andrea Filtri. Mediobanca erwartet 2023 einen Nettogewinn von 8,4 Mrd. Euro.  Damit könne die Bank die Aktionäre mehr als zufriedenstellen und die Transformation beschleunigen.