US-Ölflut setzt Preis unter Druck

Abschlag von amerikanischem Leichtöl gegenüber Brent Crude dürfte noch für längere Zeit hoch bleiben

US-Ölflut setzt Preis unter Druck

Der Preis der US-Rohölsorte WTI ist derzeit deutlich niedriger als derjenige der qualitativ ähnlichen Nordseesorte Brent Crude. Das dürfte im laufenden Jahr so bleiben.Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt Ölpreis ist nicht gleich Ölpreis: Die Nordseesorte Brent Crude und die davon qualitativ nicht sehr divergierende US-Leichtölsorte West Texas Intermediate (WTI) notieren derzeit zu sehr unterschiedlichen Preisen. Das Fass Brent zur Lieferung in einem Monat kostet derzeit 111,45 Dollar, WTI dagegen nur 90,67 Dollar. Wenn die leicht unterschiedlichen Qualitäten einen Preisunterschied überhaupt rechtfertigen, dann müsste eigentlich WTI etwas teurer sein als Brent, weil es leichter ist – damit weniger Schweröl aufweist – und weil es etwas weniger Schwefel enthält, was beides die Weiterverarbeitung in der Raffinerie erleichtert.Der mittlerweile auf schwindelerregende 20 Dollar je Barrel und mehr gestiegene Spread zwischen den beiden bedeutenden Benchmark-Rohölsorten ist auf eine interessante Anomalie zurückzuführen: Im Provinzstädtchen Cushing im US-Bundesstaat Oklahoma, einem wichtigen Kreuzungspunkt von Ölpipelines und Abrechnungsort für die an der Warenterminbörse New York Mercantile Exchange (Nymex) gehandelten WTI-Futures, gibt es derzeit ein enormes Überangebot an Öl. Die Lagerfazilitäten in dem Ort im Mittleren Westen – immerhin die größten in Nordamerika – laufen quasi über: Am 15. Februar kletterten sie auf ein Allzeithoch von 50,7 Mill. Barrel. Rund ein Jahr zuvor hatten sie noch rund 29 Mill. Barrel betragen.Die Lage hat sich im Lauf der Jahre verschärft: 2009 betrug der Spread nur 12 Dollar, was aber bereits das global wichtigste Förderland Saudi-Arabien zu der öffentlichen Erklärung veranlasste, WTI sei nicht mehr als globaler Benchmark für den Ölpreis anzusehen. Diese Rolle hat mittlerweile Brent Crude übernommen. USA wird NettoexporteurUrsache für den ungewöhnlich niedrigen WTI-Preis ist zum einen die steigende Ölproduktion in den USA. Es wird erwartet, dass die USA binnen der kommenden zwanzig Jahre vom Nettoimporteur zum Nettoexporteur des Energieträgers aufsteigen. Es wird sogar vorausgesagt, dass die USA Saudi-Arabien als weltgrößtes Förderland ablösen könnten. Insbesondere in Texas und in North Dakota lassen sich aufgrund von neuen Fördertechniken Lagerstätten erschließen, die bislang kommerziell unerreichbar waren. Zu diesen Techniken gehört das wegen der damit verbundenen Umweltschäden umstrittene Fracking, bei dem Öl und Gas durch unter hohem Druck in das Gestein gepresste giftige Chemikalien an die Oberfläche befördert wird. 2011 mussten die USA nur noch 45 % des im Lande verbrauchten Rohöls importieren. 2006 waren es noch 60 %. 2012 haben die USA 6,4 Mill. Barrel pro Tag (bpd) gefördert, 800 000 bpd mehr als 2011. Bis 2014 soll die Produktion bis auf 7,9 Mill. bpd steigen, erwartet die US-Regierung. TransportproblemeZum anderen ist die Infrastruktur auf die steigende Produktion in Nordamerika nicht ausgelegt. So ist es derzeit schwierig, die steigenden Ölmengen zu den Verladeterminals an der Golfküste im Süden der USA zu bringen, wo sie höhere Preise erzielen würden. Mittlerweile wird kanadisches Rohöl sogar per Eisenbahn dorthin gebracht, was ineffizient und teuer ist. In einem Umfeld, dass angesichts der globalen Konjunkturschwäche und der Staatsschuldenkrise nach Ansicht der meisten Analysten nicht erwarten lässt, dass der Ölpreis deutlich steigt, wäre es für viele Anleger durchaus interessant, wenn sich die Cushing-Anomalie abbaut und der WTI-Ölpreis deutlich zulegt. Im günstigsten Fall würde ein Anstieg bis auf das Brent-Niveau Anlegern einen Gewinn von rund 23 % bringen. Analysten sagen voraus, dass sich die Lage bis Ende des Jahres normalisiert haben wird, so dass sich WTI deutlich verteuert. Fließrichtung umgekehrtAls eine erste Maßnahme ist bereits im Mai vergangenen Jahres die Fließrichtung der Seaway-Pipeline umgekehrt worden. Dieses Röhrensystem ist die Hauptverbindung zwischen Cushing und Houston in Texas. Die Kapazität der Pipeline beträgt allerdings durch den Umbau momentan nur 150 000 bpd. Sie soll auf 400 000 bpd gesteigert werden, was allerdings auf technische Schwierigkeiten stößt. Analysten hatten bereits damit gerechnet, dass die Umkehrung der Seaway-Fließrichtung dafür sorgt, dass der Spread zu Brent auf 5 Dollar je Barrel sinkt. Dazu ist es allerdings nicht gekommen. Aktuell ist davon die Rede, dass die Seaway-Kapazität auf absehbare Zeit nur auf 175 000 bpd gesteigert werden kann. Die ursprünglich versprochenen 400 000 bpd dürften vor 2014 nicht erreicht werden, unter anderem weil die Kapazität des Verladeterminals Enterprise Crude Houston (ECHO) zu gering ist. Pipeline wird verlängertAls zweite Maßnahme soll die Keystone-Pipeline, die derzeit kanadisches Öl in den Mittleren Westen der USA bringt, durch die Betreibergesellschaft Transcanada bis an die Golfküste verlängert werden. Versprochen wird eine recht hohe Kapazität von 700 000 bis 830 000 bpd. Derzeit ist das Projekt erst zu 45 % abgeschlossen.Vermutlich wird erst die Inbetriebnahme dieser “Keystone XL Gulf Coast Expansion” zu einer Entspannung der Situation in Cushing und damit zu einer signifikanten Reduzierung des Spreads von WTI und Brent führen. Damit ist nicht vor Ende 2013 zu rechnen. Und dabei ist noch in die Rechnung mit einzubeziehen, dass die Förderung in den USA zumindest in den vergangenen Jahren stärker gestiegen ist als vorausgesagt. Für Anleger, die auf den WTI-Ölpreis setzen, sowie auch für die US-Ölförderer sind dies keine guten Nachrichten.