Ernst Konrad

„Viele H2-Titel entwickeln sich hochvolatil“

Ernst Konrad, Gesellschafter und Geschäftsführer von Eyb & Wallwitz, erklärt im Interview, weshalb die kommerzielle Perspektive von grünem Wasserstoff noch unsicher ist.

„Viele H2-Titel entwickeln sich hochvolatil“

Herr Konrad, zahlreiche Politiker und Marktbeobachter halten Wasserstoff für eine disruptive Zukunftstechnologie. Warum investieren Sie aktuell trotzdem nicht in H2-Aktien?

Das Potenzial der Technologie ist zweifellos groß. Die kommerzielle Perspektive von grünem Wasserstoff ist aus unserer Sicht aber noch zu unsicher. Als Ergänzung zum Portfolio könnten Wasserstoff-Titel durchaus interessant werden, momentan liegt der Fokus in einem wichtigen Anwendungsbereich – der Mobilität – aber auf klassischen Batterieantrieben. Zugleich sind die Herstellungskosten für grünen Wasserstoff noch zu hoch, die Geschäftsmodelle vieler Unternehmen der Branche also nicht wettbewerbsfähig.

Allerdings haben sowohl die EU als auch der Bund großangelegte Wasserstoff-Strategien gestartet. Welche Rolle spielt die politische Unterstützung für Investments in diesem Bereich?

Für uns sind innovative Unternehmen dann gut investierbar, wenn sie über ein sich selbst tragendes Geschäftsmodell verfügen. Dabei sollten sie möglichst unabhängig von staatlicher Förderung sein. Sonst stehen Investoren vor dem Problem, dass bei politischen Machtwechseln oder einer neuen Agenda Subventionen umverteilt werden und zuvor stark geförderte Industrien plötzlich einbrechen.

Handelt es sich beim aktuellen Wasserstoff-Aufschwung also um eine Blasenbildung?

Viele Titel aus dem Segment entwickeln sich jedenfalls hochvolatil. Der Solarboom in Ostdeutschland um die Jahrtausendwende sollte uns ein warnendes Beispiel bleiben: Damals wurden Unternehmen mit Subventionen aufgepäppelt – allerdings wurde schnell klar, dass die Herstellungskosten in anderen Teilen der Welt wesentlich niedriger waren. Die Anlagen waren nicht mehr wettbewerbsfähig, vom Boom ist heute kaum noch etwas übrig.

Sehen Sie bei Unternehmen aus anderen Ländern größere Fortschritte als in Deutschland?

In Nordamerika gibt es natürlich bekannte Namen wie Ballard Power oder Fuelcell Energy. Doch auch in Europa existieren Unternehmen, die grünen Wasserstoff künftig günstig herstellen wollen, darunter die norwegische Nel. Die Spanne reicht von Wasserstoff-Produzenten über Zulieferer und Plattformanbieter sowie externe Designer, die Herstellungsprozesse optimieren. Allerdings sind im Segment auch viele Lotterieaktien vertreten. Eine Ballard Power wurde schon zu Zeiten des Neuen Markts hochgejubelt, ist anschließend aber lange in einen Dornröschenschlaf gefallen. Andere Titel können sogar plötzlich ganz aus dem Markt verschwinden.

Dennoch ist das Investoreninteresse groß, zahlreiche Wasserstoff-Unternehmen drängen an die Börse – ob per Spac wie im vergangenen Jahr Nikola oder per IPO wie jüngst Friedrich Vorwerk. Wird sich dieser Listing-Boom fortsetzen?

Saubere Antriebe und Energieformen sind an der Börse allgemein ein Riesenthema. Da das Investoreninteresse am gesamten Bereich Environmental, Social, Governance (ESG) äußerst breit aufgestellt ist, erhalten Subsegmente wie grüner Wasserstoff häufig einen Schub. Diese werden dann schnell zu einem Modethema, wie auch beim IPO von Friedrich Vorwerk zu sehen war. Wasserstoff hat dort eine ungeheure Rolle in der Außendarstellung gespielt, dabei macht das H2-Geschäft aber nur einen geringen Anteil am Umsatz aus.

Wer an Wasserstoff-Investments interessiert ist, sollte also sorgfältig nach Pure Plays suchen?

Nicht unbedingt. Wir haben in der Vergangenheit zum Beispiel in Linde investiert, die sich zwar nicht als Wasserstoff-Unternehmen verkauft, aber dennoch von dem Trend profitiert. Einige Titel aus der Chemiebranche sowie Versorger und Energieerzeuger wie Uniper bieten ähnliche Potenziale. Das bedeutet natürlich eine Investition in ein Konglomerat, dabei kann sich der Anleger aber mit dem Wasserstoff-Exposure vertraut machen und genießt zugleich mehr Sicherheit.

Welche Chancen bieten denn Investment-Produkte, die einen Wasserstoff-Index abbilden?

In Deutschland ist mittlerweile ein ETF des britischen Anbieters Legal & General verfügbar, der den Solactive Hydrogen Economy Index nachbildet. Darin sind aber eben nicht nur Pure Plays, sondern neben Linde auch Siemens oder Daimler dabei. Wenngleich die Nachfrage derzeit hoch ist und sicherlich weitere ETFs folgen werden, sind die verfügbaren Anlagemöglichkeiten bei anderen Technologien aus dem Bereich der erneuerbaren Energien und der E-Mobilität momentan breiter.

Welches Potenzial steckt in Kooperationen zwischen Wasserstoff-Pure-Plays und größeren Konzernen?

Solche Projekte könnten in der Produktion von grünem Wasserstoff durchaus vielversprechend sein. Es besteht dabei eine gewisse Parallele zur Pharmabranche: Bei der Entwicklung des Corona-Impfstoffes verfügte Biontech über die Ideen und das Know-how in der Entwicklung, Pfizer hat die Testmöglichkeiten und Produktionskapazitäten gestellt. Ähnlich könnte es zum Beispiel auch zwischen Linde und H2-Start-ups laufen.

Das Interview führte Alex Wehnert.

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