Wall Street erwartet einen IPO-Boom

Technologieunternehmen sollen den Markt ankurbeln - Banken gelten als Profiteure

Wall Street erwartet einen IPO-Boom

Von Hanna Henkel, New YorkAm amerikanischen Finanzmarkt gibt es derzeit kaum ein Eckchen, an dem nicht Zuversicht herrscht. Die Teilnehmer am Markt für Börsengänge sind in Teilen gar euphorisch. Mark Hantho, Leiter des globalen Equity-Geschäfts der Deutschen Bank, etwa schätzt, dass in diesem und im nächsten Jahr weltweit insgesamt 1 000 Jungfirmen an die Börse gehen werden. Zwei Drittel davon würden sich in den USA notieren lassen. Das wären jeweils gut 300 Initial Public Offerings (IPO) an der Wall Street in den Jahren 2017 und 2018. Beachtliche TrendwendeBehält der Investmentbanker recht, wäre das eine beachtliche Trendwende. Nur 106 Unternehmen hatten sich an den New Yorker Börsen im vergangenen Jahr notieren lassen. Damit war 2016 das schwächste Jahr seit dem Finanzkrisenjahr 2009, als nur 64 Firmen ein IPO wagten. Das Emissionsvolumen war mit rund 20 Mrd. Dollar im letzten Jahr so niedrig wie zuletzt im Jahr 2003, als die Finanzmärkte noch unter dem Platzen der Dotcom-Blase litten. Die Flaute lag vor allem in dem mangelnden Interesse der Jungunternehmen begründet: Die Gelder der Risikokapitalgeber flossen reichlich, und anstatt sich der über ein börsennotiertes Unternehmen hereinbrechenden Bürokratie auszusetzen, verkauften sich viele Start-ups lieber an innovationshungrige Konzerne.Die Börsen-Debütanten im vergangenen Jahr kamen vor allem aus dem Finanzsektor, dem Gesundheitsbereich – der einen ganzen Schwarm recht kleiner Biotechnologie-Firmen an die Wall Street schickte – und dem IT-Sektor. Das größte IPO war jenes des Logistikkonzerns ZTO Express mit einem Emissionsvolumen von 1,4 Mrd. Dollar; das chinesische Unternehmen ist vornehmlich für den ebenfalls aus China stammenden Online-Händler Alibaba tätig. Gute ErfahrungenDie recht guten Erfahrungen, die die Anleger im vergangenen Jahr mit den Börsengängen, vor allem jenen im Technologiebereich, gemacht haben, dürften eine der Kräfte hinter dem voraussichtlichen Wiederaufleben des amerikanischen IPO-Marktes sein; zum Jahresende lagen diese Debütaktien laut Factset im Durchschnitt 24 % über ihrem Emissionspreis. Analysten erwarten für dieses Jahr eine Reihe von kleinen bis mittleren sogenannten Enterprise-Software-Unternehmen, also Firmen, die Unternehmenskunden diverse Leistungen aus dem Bereich der Informationstechnologie anbieten.Auch steigt der Druck vor allem auf die von Risikokapitalgebern finanzierten, mit Milliarden bewerteten Jungunternehmen aus dem Silicon Valley und andere Start-up-Hochburgen, endlich den Schritt in die Öffentlichkeit zu wagen. Die Investoren wollen zunehmend ihre Früchte ernten. Zu der wachsenden Herde der sogenannten Einhörner gehören etwa das Logistikunternehmen Uber, die Tourismusfirma Airbnb oder der Dokumentendienst Dropbox. Den Anfang dürfte die Kommunikationsplattform Snap machen. Diese wird derzeit von den Risikokapitalgebern mit zwischen 20 Mrd. und 25 Mrd. Dollar bewertet bei einem geschätzten Umsatz von knapp 1 Mrd. Dollar in diesem Jahr.Das neue Jahr könnte damit zu einem Test werden, wie bunt die Farben in der fantastischen Welt der Einhörner tatsächlich sind. Die Börsengänge dürften endlich Transparenz über die Geschäftslage dieser oft hochgepriesenen Unternehmen bringen. Das dürfte nicht zuletzt die Mitarbeiter von Hunderten von Start-ups interessieren, die derzeit noch vornehmlich mit Aktienoptionen be-zahlt werden. Geht der Börsengang von Snap glatt, könnten bald weite-re Einhörner über die Wall Street galoppieren. Abschmelzende EinnahmenProfiteure eines Börsengang-Booms wären auch die Banken. Die IPO-Flaute der letzten beiden Jahre hat ihre aus dem Geschäft mit Bör-sengängen generierten Einnahmen abschmelzen lassen. Die größten Gewinner eines IPO-Booms wären wohl Investmentbanken wie Gold-man Sachs und J.P. Morgan Chase. Aber auch die Deutsche Bank dürfte vom Aufschwung des IPO-Marktes profitieren. Gemäß Factset hatte die Bank im letzten Jahr Platz 9 unter den zehn größten konsortialführenden Banken (gemessen am Emissionsvolumen) belegt. Betrachtet man die vergangenen 16 Jahre, also die Zeit seit dem Jahr 2000, dann kommt Deutsche Bank auf Platz 8; Marktführer ist hier Goldman Sachs (Platz 1) gefolgt von Morgan Stanley und der Citigroup.