Aktienmärkte

Warnzeichen bei S&P-500-Rekordjagd mehren sich

Die US-Aktienmärkte markierten zuletzt ein Rekordhoch nach dem anderen. Doch allmählich wird die Luft dünner. Ein Experte sieht eine "gefährliche Gemengelage".

Warnzeichen bei S&P-500-Rekordjagd mehren sich

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Warnzeichen bei S&P-500-Rekordjagd

Tech-Größen feuern Rally an US-Aktienmärkten an – Experte sieht „gefährliche Gemengelage“

Von Tobias Möllers, Frankfurt

Die US-Börsen sind in den letzten Wochen des noch jungen Jahres 2024 auf Rekordjagd gewesen. Kürzlich übersprang der Dow Jones erstmals die Marke von 38.000 Punkten. Auch sein breiteres Pendant, der S&P 500, markierte zuletzt an mehreren Tagen in Folge neue Höchststände und übersprang – ebenfalls erstmals – die runde Marke von 5.000 Zählern. Getragen wurden die Aktienmärkte dabei von nur sehr wenigen Werten.

Nvidia mehr als zwei Billionen Dollar wert

Vor der jüngsten Rally hatte der S&P 500 gegenüber seinem damaligen Allzeithoch von Anfang 2022 temporär mehr als 25% verloren. Seit einigen Wochen aber scheint der Index keine Grenze nach oben mehr zu kennen. Dabei ist der jüngste Aufschwung keineswegs dem breiten Markt zu verdanken, sondern fast ausschließlich ein Verdienst der Big-Tech-Titel rund um Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft und nicht zuletzt Nvidia, die von der Euphorie rund um das Mega-Thema künstliche Intelligenz angetrieben werden. Nvidia sind nach den klar besser als erwartet ausgefallenen Zahlen rasant geklettert, am Freitag Nachmittag stieg die Marktkapitalisierung erstmals über zwei Bill. Dollar. Die Magnificent Seven (mit Tesla, Anm. der Redaktion) waren schon 2023 für mehr als die Hälfte des Anstiegs des S&P 500 verantwortlich. Und dank dieser Tech-Größen hielten sich die US-Gewinnschätzungen auch zuletzt noch tapfer.

Goldman hebt Prognose an

Erst am Montag haben die Finanzexperten von Goldman Sachs ihre Prognosen für den S&P 500 erneut angehoben. Das Team um David Kostin begründet die Anpassung mit „erhöhten Gewinnschätzungen“ in den Bereichen Informationstechnologie und Kommunikationsdienste. Das eben ist der Sektor der Tech-Giganten Alphabet, Apple, Meta, Microsoft und Nvidia. Kostin erwartet nun, dass der S&P 500 bis zum Jahresende auf 5.200 Punkte steigen wird. Mitte Dezember war Goldman Sachs noch von 5.100 Punkten bis zum Jahresende ausgegangen. Seit seiner Einführung im Jahr 1957 hat der S&P 500 eine durchschnittliche jährliche Rendite von etwa 10% erzielt, im vergangenen Jahr waren es deutlich überdurchschnittliche 24%. Der S&P 500 ist nach Marktkapitalisierung gewichtet, das heißt, die Unternehmen mit der größten Marktkapitalisierung haben den größten Einfluss auf den Indexwert.

Weil die sechs Tech-Größen zusammen bereits einen Anteil von rund 29% an der Marktkapitalisierung des S&P 500 ausmachen, schlagen ihre Wachstumsperspektiven markant auf den Gesamtindex durch. Darauf weist auch Experte Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners hin: „Der S&P 500 hat in diesem Jahr bereits gut 5,5% gewonnen. Wenn man aber den gleich gewichteten S&P 500 dagegenstellt, der eben alle 500 Titel gleich gewichtet, liegt das Plus nur noch bei 1,3%.“ Es bleibt also gerade mal ein Fünftel der Performance übrig. Das zeige, dass es wenige Tech-Größen seien, die den Index nach oben treiben.

Hohe Bewertungsunterschiede

Um das zu verdeutlichen, verweist Altmann auf den Sektor-Index Informationstechnologie des S&P 500, in dem die Tech-Schwergewichte enthalten sind. Der Sektor-Index hat im laufenden Jahr bereits 10% zugelegt und seit Anfang 2023 satte 70%. Der gesamte S&P 500 kommt im gleichen Zeitraum „nur“ auf ein Plus von 31%, gleich gewichtet sogar auf nur 13% Plus. In dem Zusammenhang weist Altmann auch auf die hohen Bewertungsunterschiede hin. Die Differenz zwischen dem KGV des klassischen S&P 500 inklusive der starken Tech-Werte und dem KGV des gleich gewichteten S&P sei so hoch wie noch nie seit der Einführung des gleichgewichtigen Index.

Mit einer Einschätzung, ob die große Spreizung bei der Bewertung zwischen den Tech-Größen und den restlichen über 490 Mitgliedern des S&P 500 auch in Zukunft Bestand haben wird, tut sich Altmann wie die meisten anderen Experten schwer. Der Stratege weist allerdings darauf hin, dass wir insgesamt bereits sehr hohe Bewertungen sehen. Im S&P 500 liegt das KGV aktuell bei 24 und damit deutlich über dem 20-Jahres-Durchschnitt von 19. Ähnlich sieht es beim erwarteten KGV aus.

Mit Blick auf die jüngste Rally und die kürzlich erhöhte Goldman-Prognose konstatiert Altmann, dass für das Jahresendziel des Index bei 5.200 Punkten für die verbleibenden zehneinhalb Monate weniger Spielraum für Performance bleibe, als wir allein in den vergangenen sieben Wochen gesehen haben. Sorgen bereitet Altmann auch, dass wir neben steigenden Aktienkursen auch steigende Volatilitäten gesehen haben, was sehr untypisch ist und für den Experten ein klares Warnsignal. Simultane Anstiege von Vix (Volatility Index) und Aktienindex gab es in der Vergangenheit schon vorm Platzen der Dotcom-Blase. Die Luft für den S&P 500 wird also dünner. „Geschichte wiederholt sich mit Sicherheit nicht 1:1, aber ich glaube, dass man die Warnsignale, die es auch damals schon gab, auch wahrnehmen sollte“, erklärt Altmann.

Zur toxischen Mischung aus hohen Indexständen und teuren Bewertungen kommt zusätzlich noch eine sehr niedrige Absicherungsaktivität im Future-Bereich, weit hinter den historischen Durchschnittswerten. Die Kombination dieser drei Faktoren bedeutet für Altmann nicht zwingend, dass das schiefgehen muss. Allerdings sieht er aktuell doch eine „gefährliche Gemengelage“.