Weniger Baustellen bei Hugo Boss
Von Isabel Gomez, StuttgartDie vergangenen Jahre waren für die Modeindustrie hart. Der stationäre Handel geriet unter Druck, weil immer mehr Kunden online bestellen. Die Folge waren Rabattschlachten, insbesondere in Kaufhäusern, in denen Modeketten Flächen betreiben. Nach dem heißen und langen Sommer weitete sich die Sektorschwäche 2018 auch auf Online-Händler aus, weil das anhaltend gute Wetter ihre saisonale Planung durcheinanderbrachte. Auch hier wurden anschließend großzügige Rabatte gewährt, die auf die Margen schlugen.Die Folgen für die Unternehmen werden seit dem zweiten Halbjahr 2018 deutlich: Ende 2018 kappte der britische Online-Händler Asos die Prognose (vgl. BZ vom 18.12.2018). Im Januar meldete Gerry Weber Insolvenz an (vgl. BZ vom 26. Januar). Tom Tailor steht vor der Übernahme durch ihren chinesischen Investor Fosun, der seit seinem Einstieg wirkungslos viel Geld in die Marke nachgeschossen hat (vgl. BZ vom 20. Februar). Esprit schreibt rote Zahlen und wird, mit dem Ziel, in zwei bis drei Jahren wieder profitabel zu werden, umstrukturiert (vgl. BZ vom 27. Februar). Und selbst H&M und Inditex wachsen langsamer. Erste FrüchteIn diesem Umfeld schlägt sich Hugo Boss derzeit gut. Der Metzinger Konzern begann bereits 2016 mit dem Wechsel im Chefsessel von Claus-Dietrich Lahrs zum früheren Finanzvorstand Mark Langer mit seiner Neuausrichtung. Nun zeigt sich, dass der Strategieschwenk hin zu einer Stärkung der Marken Hugo und Boss, dem langsameren Aufbau eigener Filialen und einem stärkeren Fokus auf digitale Marketing- und Vertriebskanäle erste Früchte trägt. Die Zahl der Baustellen bei Hugo Boss hat sich verringert.Das wird unter anderem dadurch deutlich, dass die Umsätze 2018 währungsbereinigt wieder in allen Regionen gestiegen sind. In den vergangenen beiden Jahren hatte vor allem der US-Markt Schwächen gezeigt, wo sich Boss in Folge von Großhandelspartnern trennte. In China litt die Nachfrage zuletzt unter im Vergleich zu anderen Regionen hohen Preisen. Nach einer Preisharmonisierung kletterte der Umsatz in der Region Asien-Pazifik 2018 währungsbereinigt um 7 %. Und im eigenen Einzelhandel, der für 63 % der Erlöse steht, zieht nun auch das Online-Geschäft an. Es wuchs um knapp 40 % auf gut 100 Mill. Euro Umsatz und soll in diesem und den folgen Jahren unter anderem über Kooperationen weiter ausgebaut werden. Modell ist dafür die Zusammenarbeit mit der Plattform Zalando, auf der Boss einen eigenen Shop betreibt.Insgesamt kletterte der Umsatz 2018 um 2 % auf knapp 2,8 Mrd. Euro. Währungsbereinigt lag der Anstieg bei 4 %. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) lag vor Sondereffekten mit 489 Mill. Euro wie prognostiziert ungefähr auf Vorjahresniveau. 2019 will Boss den währungsbereinigten Umsatz im mittleren einstelligen Prozentbereich steigern. Das operative Ergebnis (Ebit) soll im hohen einstelligen Bereich und damit stärker als der Umsatz wachsen (vgl. BZ vom 8. März). Für den Vorstand stellt das Jahr einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur Erreichung der Mittelfristziele bis 2022 dar (vgl. BZ vom 16.11.2018).Sorgen bereitet Boss den Analysten derzeit nur punktuell. So lagen die Vorräte per Ende des dritten Quartals um 20 % über dem Vorjahr. Zum Jahresende lagen sie noch 14 % über dem Vorjahr, was aber noch immer rund 20 % der Bilanzsumme entspricht. Die Großbank J.P. Morgan bewertet den Abbau als positiv. Zudem ist die Reduzierung der Vorräte eine Kernpriorität des Vorstands für 2019. Um bis 2022 einen Anstieg der Umsatzrendite von derzeit 12 % auf 15 % zu erreichen, braucht der Konzern eine dynamische Entwicklung in China. Dort wird aber für 2019 mit einer konjunkturellen Schwäche gerechnet, was Independent Research als “signifikantes Risiko” für die Zielerreichung sieht.Unzufrieden ist Boss selbst mit dem Geschäftsbereich Lizenzen, deren Umsatz um 4 % sank. 2015 hatte der Kosmetikkonzern Coty mit der Übernahme der Kosmetiksparte von Procter & Gamble auch die Lizenzen für die Boss-Düfte erworben. Mit der Integration der Marken hat Coty Schwierigkeiten, wie Langer bei der Bekanntgabe der Jahreszahlen sagte. Er kündigte Gespräche mit Coty an, damit der Konzern die nötigen Investitionen in Produktinnovationen tätige. Zwar stehen die Lizenzen nur für 3 % des Konzernumsatzes. Für die Marke Hugo Boss sind die Düfte allerdings immens wichtig. Gesunde BilanzstrukturEnde 2018 stand der Aktienkurs von Boss bei 53,92 Euro je Papier – ein Minus von 24 % im Jahresverlauf, in dem der Vergleichsindex MSCI World Textiles, Apparel & Luxury Goods, der Benchmarks im Bekleidungs- und Luxusgütersegment abbildet, rund 6 % verlor. Seit dem Kapitalmarkttag im November 2018 stieg der Boss-Kurs auf derzeit 61,66 Euro an. Die Investoren haben offenbar – analog zu den Analysten – zunehmend das Gefühl, dass Langer den richtigen Weg eingeschlagen hat. Auch weil Boss über eine gesunde Bilanzstruktur verfügt, die erforderliche Investitionen in Digitalisierung, die Modernisierung eigener Standorte und in Vorhaben wie die Entwicklung personalisierter Kollektionen zulässt. Indem auch die Entwicklung immer weiter digitalisiert wird, will Boss nicht nur Kosten einsparen, sondern auch die Entwicklungszeiten bis zum Markteintritt weiter verkürzen und so Wettbewerbsvorteile erlangen.Als Dividende sollen der Hauptversammlung am 16. Mai 2,70 Euro je Aktie vorgeschlagen werden, was einer Dividendenrendite von rund 4,4 % entspricht. Seit dem Dividendenschnitt im Geschäftsjahr 2016, als die Ausschüttung von 3,62 Euro auf 2,60 Euro gekappt wurde, hat sich die Ausschüttungspolitik mit einer jährlichen Erhöhung um 5 Cent stabilisiert. Analysten erwarten ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Zwölf-Monatssicht im Schnitt von 15,9. Von 30 Analysten, die die Aktie derzeit beobachten, raten 16 zum Kauf der Aktie und 12 dazu, das Papier zu halten.