Kreditwürdig

Werden 2024 die Anleihen wieder die Nase vorne haben?

Cash dürfte Inflation schlagen, und Anleihen dürften Cash im kommenden Jahr schlagen, erwartet Zinsexperte Christoph Rieger von der Commerzbank. Das massive Anleiheangebot sei das Hauptrisiko in diesem Umfeld und spreche für einen Käufermarkt, zumindest bis Zinssenkungen ins Spiel kommen.

Werden 2024 die Anleihen wieder die Nase vorne haben?

Kreditwürdig

Werden 2024 die Anleihen wieder die Nase vorne haben?

Von Christoph Rieger *)

Cash dürfte Inflation schlagen, und Anleihen dürften Cash im kommenden Jahr schlagen. Es wird aber kein normaler Zyklus sein. Die Konjunktur schwächt sich weiter ab, jedoch geht die Inflation nicht weiter zurück. Das massive Anleiheangebot ist das Hauptrisiko in diesem Umfeld und spricht für einen Käufermarkt, zumindest bis Zinssenkungen ins Spiel kommen.

Der Renditerückgang dürfte sich zur Jahresmitte etwas beschleunigen, wenn die Fed mit Zinssenkungen beginnt, so dass zehnjährige Bund-Renditen zum Jahresende auf 2% sinken. US-Treasuries sollten Bunds über weite Strecken des Jahres outperformen, angeführt vom kurzen Ende, wodurch der zehnjährige Spread auf 160 Basispunkte (BP) zurückgeht. Die Zinsstrukturkurve für Euro-Bonds dürfte im Frühjahr weiter invertieren, da die EZB keine Eile hat, während US-Treasuries die Renditen am langen Ende nach unten ziehen. Italien ist am stärksten gefährdet, aber schwächere Fundamentaldaten sind bereits eingepreist, und EZB-Hoffnungen halten Spreads in einer Spanne unter den Höchstständen des letzten Jahres. Credit Spreads verengen sich vor allem im zweiten Halbjahr, wenn die Zentralbanken lockern und größere Makrorisiken vermieden werden.

Hartnäckige Inflation

Die US-Wirtschaft wird einer Rezession nicht entgehen können, wenn die geldpolitische Straffung im kommenden Jahr voll durchschlägt. Trotz aggressiver Zinserhöhungen erwarten wir jedoch nur einen moderaten Abschwung, dank geringerer Ungleichgewichte im Privatsektor und einer weiterhin expansiven Fiskalpolitik. Die Euro-Wirtschaft befindet sich bereits in einer Rezession, und wir rechnen nur mit einer verhaltenen Erholung aufgrund struktureller Hemmnisse, nicht zuletzt in Deutschland, und der Nachwirkungen erheblicher Realeinkommensverluste in den vergangenen beiden Jahren.

Die großen Inflationsrückgänge liegen hinter uns, nachdem die Teuerung im Euroraum von über 10% vor einem Jahr auf 2,9% im Oktober gefallen ist. Ohne weitere Unterstützung durch Basiseffekte wird es schwieriger werden, 2% zu erreichen und zu halten. Wir erwarten, dass sowohl die Euro-Gesamt- als auch die Kerninflation im Sommer bei über 2% ihren Tiefpunkt erreichen und sich bis 2025 auf einem Niveau nahe 3% einpendeln werden, da wir uns in einem neuen Inflationsregime befinden. Das Inflationsmuster in den USA ist ähnlich, wobei sich die PCE-Inflation im kommenden Jahr zwischen 2,5 und 3% einpendeln dürfte.

Angezogene Handbremse

Nachdem die Fed die Zinsen ein Jahr lang bei 5,5% belassen hat, erwarten wir, dass sie in der zweiten Jahreshälfte 2024 mit Zinssenkungen beginnen wird, wenn die Wirtschaft schrumpft und die Fortschritte bei der Erreichung des Inflationsziels als ausreichend erachtet werden. Wir erwarten 100 BP an Zinssenkungen nächstes Jahr und 50 BP in 2025, d.h. die Fed würde bei 4% aufhören, wenn die Wirtschaft wieder zum Trendwachstum zurückkehrt und die Inflation immer noch über dem Zielwert liegt. Das Fed-Profil liegt nahe an den Forwards.

Für die EZB erwarten wir eine erste Zinssenkung um 25 BP gegen Ende des Jahres, gefolgt von einer weiteren im ersten Quartal 2025. Sobald klar wird, dass sich die Kerninflation eher bei 3% als bei 2% einpendelt, erwarten wir eine längere Pause bei 3,5%. Dieses Profil liegt deutlich über den Forwards. Für das PEPP hingegen erwarten wir, dass die Reinvestitionen bis Ende nächsten Jahres in vollem Umfang fortgesetzt werden.

Mehr Verkäufer als Käufer?

Die größte Herausforderung für die Bondmärkte bleibt die Platzierung des Angebots zur Finanzierung der anhaltend hohen Haushaltsdefizite. Hohe Geldmarktsätze in Verbindung mit einer stabilen US-Wirtschaft und begrenzten Aussichten auf Zinssenkungen bedeuten, dass die Anleger Cash bevorzugen und wenig Interesse an Duration mit niedrigeren Renditen und negativem Carry haben.

Solange das makroökonomische und geldpolitische Umfeld unsicher bleibt, werden die Emittenten vermutlich mit einem "Käufermarkt" konfrontiert sein, in dem bei Neuemissionen größere Zugeständnisse gemacht werden müssen, was das Abwärtspotenzial für die Spreads begrenzt. Sobald klar wird, dass die Zinsen nicht nur ihren Höchststand erreicht haben, sondern auch wieder sinken werden, dürften die Investoren wieder stärker an Papieren weiter hinten auf der Kurve interessiert sein. Das erhöhte Angebot dürfte dann letztlich auf eine ausreichende Nachfrage treffen.

Die gute Nachricht ist, dass der Markt nächstes Jahr etwas weniger Nettoangebot aufnehmen muss, nachdem in diesem Jahr eine Rekordmenge zu verdauen war. Die schlechte Nachricht ist, dass die Emissionsvolumen historisch hoch bleiben werden, während die Zentralbanken darauf aus sind, ihre QE-Bestände weiter zu reduzieren.

Am beunruhigendesten ist die Haushaltslage in den USA, aber in Europa sieht es nicht viel anders aus, wobei die Sorge um die Schuldentragfähigkeit hier größer ist. Italien sieht sich im kommenden Jahr einem Rekordfinanzierungsbedarf gegenüber, während das nominale BIP-Wachstum unter die durchschnittliche BTP-Rendite fallen dürfte.

Inwieweit die Situation für BTPs aus dem Ruder läuft (höhere Renditen führen zu Zurückhaltung der Investoren und damit zu weiter steigenden Renditen), hängt auch von den politischen Entwicklungen und der institutionellen Architektur der Währungsunion ab, in der das Vertrauen der Investoren in die Backstops der EZB von entscheidender Bedeutung ist.

Was kann schiefgehen?

Am offensichtlichsten sind die geopolitischen Risiken, da die Entwicklungen im Nahen Osten, in Russland/Ukraine und in China/Taiwan nicht vorhersehbar sind. Für die Bondmärkte besteht die größte Herausforderung im Falle einer Eskalation darin, dass Bunds und Treasuries ihre Hedge-Eigenschaft als sicherer Hafen verlieren könnten. Spread-Produkte sind noch anfälliger, da die Zentralbanken ihre Geldpolitik angesichts der dann steigenden Inflation nicht lockern können und möglicherweise sogar weiter straffen müssen.

Bullishes Risiko

Die US-Politik stellt in den kommenden Monaten ein eher bullishes Risiko für US-Treasuries dar, wenn der Wahlkampf an Fahrt gewinnt und die politische Blockade zu Ausgabenkürzungen zwingt. Dies würde dann nicht nur zu weniger Emissionen führen, sondern könnte auch eine Rezession auslösen. Die Wahl selbst ist ein zweiseitiges Risiko: bullish, wenn die größte Demokratie der Welt Probleme hat, eine Regierung zu bilden, bearish, wenn entweder Biden oder Trump die Staatsausgaben weiter maßlos erhöhen.

Die Ratingrisiken in Europa müssen bereits für den Rest dieses Jahres genau beobachtet werden. Italien droht im kommenden Jahr eine Herabstufung auf Junk-Level, wenn sich die Wirtschaft schwächer entwickelt, die Renditen nicht sinken und die Politik die Unterstützungsmöglichkeiten der EZB konterkariert.

*) Christoph Rieger leitet bei der Commerzbank das Zins- und Credit-Research.

*) Christoph Rieger leitet bei der Commerzbank das Zins- und Credit-Research.

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