IM INTERVIEW: THIERRY FELTGEN, BANQUE DE LUXEMBOURG INVESTMENTS (BLI)

"Wir sehen vielfach eine schöne grüne Kommunikation"

Unterschiedliche Auffassungen über ESG-Aspekte im Markt beobachtet - Mifid kann zum Gamechanger werden - Notwendiges Engagement angemahnt

"Wir sehen vielfach eine schöne grüne Kommunikation"

Thierry Feltgen ist bei der Banque de Luxembourg Investments (BLI) für die ESG-Ausrichtung von Fonds zuständig. Im Interview der Börsen-Zeitung erläutert er, wie im Hause der BLI mit diesem Thema umgegangen wird. Feltgen stellt unter anderem fest, dass viele im Markt dieses Thema nicht so verantwortungsvoll angehen und vielfach nur ihre Kommunikation auf Grün umstellen. Herr Feltgen, stellen Sie bei Kapitalanlegern ein stärker werdendes Bewusstsein für das Thema ESG – Environment, Social und Governance – fest?Ja, in der Tat. Wir befassen uns seit 2012 mit diesem Thema. Anfangs kamen lediglich Anfragen, ob BLI Unterzeichner der UN Principles for Responsible Investing – kurz UN PRI – ist. Es handelte sich um binäre Ja-/Nein-Fragen. Zu dem Zeitpunkt haben wir entschieden, die UN PRI vorerst nicht weiterzuverfolgen, weil wir den Eindruck hatten, dass es sich bis auf Weiteres mehr um eine Tick-the-Box-Pflichtübung handelte und dem Projekt Substanz fehlte. Die Anfragen hierzu wurden aber immer mehr und vor allem immer detaillierter. Das ging insbesondere von den skandinavischen Ländern aus – man konnte in diesen Ländern nicht mehr Fuß fassen, wenn man nicht UN-PRI-Unterzeichner war. Mittlerweile sind Anleger aus den nordischen Ländern dazu übergegangen, abzufragen, wie man die ESG-Faktoren in den Anlageprozess exakt integriert – ein sehr anspruchsvoller Ansatz. In anderen Ländern in Kontinentaleuropa sind wir im Vergleich mit den skandinavischen Ländern noch etwas im Hintertreffen. ESG ist per se schon ein recht weit gefasstes Feld im Hinblick auf Definitionen. Konstatieren Sie unter institutionellen und privaten Anlegern eher Einigkeit oder eher gravierende Unterschiede in Definitionen von ESG?Bei institutionellen Anlegern werden die ESG-Faktoren sehr häufig als Risikomanagement-Tool eingesetzt. Es geht um das Verständnis, welche nichtfinanziellen Risiken für ein Unternehmen relevant sind. ESG-Risiken können beispielsweise Einflüsse durch den Klimawandel wie steigende Meeresspiegel sein. Unbefriedigendes Personalmanagement oder systematische Korruption zählen aber auch zu nichtfinanziellen Risiken für Unternehmen. Das sind Risiken, die sich tatsächlich für Unternehmen materialisieren können und schlussendlich finanzielle Konsequenzen haben können – Risiken, die man nicht unbedingt aus der Bilanz des Unternehmens herauslesen kann. Bei Privatanlegern stellen wir hingegen häufig fest, dass das Thema ESG sehr unscharf ist und oft in die Nähe von ethischen Investments gerückt wird, was aus unserer Sicht etwas zu kurz greift. Diese Sichtweise führt unweigerlich zu Grundsatzdiskussionen, denn die ethischen Vorstellungen sind nun mal von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Welche Relevanz hat Mifid in dieser Hinsicht?Mifid kann zum Gamechanger in diesem Thema werden. Die EU-Kommission hat ein umfangreiches Paket geschnürt, um nachhaltige Finanzen und nachhaltiges Wachstum zu stimulieren. Ende Januar 2018 hat die von der Europäischen Kommission beauftragte High-Level Expert Group ihren Bericht mit umfangreichen Vorschlägen dazu vorgestellt, in welche Richtung das gehen kann. Ein Teil davon ist die Anpassung der Mifid-Regularien, insbesondere die Eignungstests der Kunden. Bisher behandelten die Fragen des Eignungstests überwiegend die Themen Risikofreudigkeit, Risikofähigkeit und etwa den Anlagehorizont. Dazu sollen jetzt Fragen zu Nachhaltigkeitspräferenzen der Anleger kommen. Die Kunden werden demnach systematisch Position zum Thema Nachhaltigkeit beziehen. Wer sich noch keine Gedanken dazu gemacht hat, wird sich dann seine ersten Gedanken machen. Wenn man nun das Verhalten der Menschen betrachtet, dann ist zu erwarten, dass wir die beiden Extreme – kein Interesse an Nachhaltigkeit bzw. Nachhaltigkeit als bestimmender Faktor – wohl eher selten vorfinden werden. Viele werden in der Mitte angesiedelt sein und nähere Informationen zum Thema wünschen. Was heißt das für die Banken?Die Banken müssen sehen, dass ihre Produkte, die sie den Kunden anbieten, mit dem jeweiligen Eignungstest im Einklang stehen, diesem also entsprechen. Wenn der Kunde eine Basis in Sachen Nachhaltigkeitspräferenz anzeigt, muss der Kundenberater ihm Produkte anbieten, die mindestens diesen Präferenzen entsprechen. Damit ist bereits ein Anfang gemacht. Kunden werden sich weiter Gedanken zu diesem Thema machen und feststellen, dass ein gutes ESG-Thema gar nicht zulasten der Performance geht. Deshalb erwarte ich, dass das Interesse an ESG in nächster Zeit deutlich steigen wird. Der EU-Aktionsplan, d.h. unter anderem die Taxonomie und der Green Bond Standard, bringen mehr Klarheit und Sicherheit. Wie beurteilen Sie ihn?Für eine abschließende Meinung ist es jetzt noch zu früh. In den Berichten der Expertengruppe finden sich viele sehr gute Ansätze und Überlegungen. Der wichtigste Schritt – so sieht es auch die EU-Kommission – ist eine Taxonomie für Klarheit in der Begrifflichkeit. Da dies ein sehr komplexes Unterfangen ist und sehr weitreichende Folgen hat, hat die EU jetzt vor, den Prozess schrittweise umzusetzen. Es gibt bereits einen Entwurf zu klimarelevanten Themen. Die Taxonomie ist demnach in den Startlöchern, aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vollständig. Fehlt Ihnen etwas?Mir persönlich fehlt heute insbesondere Klarheit und Konsistenz, was die Begrifflichkeit anbelangt. Spricht man mit vier Personen, die sich mit dem Thema auskennen, wird man sehr wahrscheinlich mit vier zum Teil grundlegend unterschiedlichen Definitionen zum Thema Sustainability und ESG konfrontiert werden. Ich kann aber einen Silberstreif am Horizont ausmachen. Welchen?Die Ergebnisse der High-Level Expert Group lassen hoffen. Für Ernüchterung sorgte anfänglich die Umsetzung durch die EU-Kommission. Die ersten Texte zur Taxonomie zu nachhaltigen Finanzen ließen erwarten, dass mit einer Regulierung der Nische innerhalb einer Nische angefangen würde. Anstatt eines großen Wurfs, der den allgemeinen Rahmen setzt, innerhalb dessen schrittweise die kleineren Baustellen angegangen werden, wurde offenbar entschieden, das dringlichste Thema – Entkarbonisierung der Wirtschaft – prioritär zu behandeln. Aber das soll wohl ausgebaut werden: erst Karbon, dann Umwelt im Allgemeinen, dann Soziales. Wie schwierig es ist, dieses weitreichende Thema zu greifen, zeigt die Tatsache, wie lange schon darüber gesprochen wird. Der Begriff der nachhaltigen Entwicklung wurde erstmals im Rahmen des Abschlussberichts der World Commission on Environment and Development der Vereinten Nationen – dem sogenannten Brundtland-Bericht von 1987 mit dem Titel Our Common Future – erwähnt. Heute, rund 30 Jahre später, scheint das Konzept endlich reif genug für eine technische und regulatorische Umsetzung. Wie werden Banken mit ihrem Produktangebot in den nächsten Jahren reagieren?Sie reagieren ja bereits, die eine mehr, die andere weniger. Aufgrund der Mifid-Thematik wird den Banken ohnehin gar nichts anderes übrig bleiben, als Produkte anzubieten, die nach SRI-Gesichtspunkten – Sustainable and Responsible Investing – verwaltet werden. Verschiedene Banken und Vermögensverwalter sind schon sehr weit in der Entwicklung. Sie haben früh die UN PRI unterschrieben, ein SRI-Konzept für ihre ganze Produktpalette erarbeitet und verfügen über signifikante Sustainability-Teams, die das Thema konsequent umsetzen. Andere sind leider noch damit beschäftigt, Green Washing zu betreiben. Wir sehen vielfach eine schöne grüne Kommunikation, die um Produkte herum aufgebaut wird, die in ihrer Substanz aber nur wenig mit nachhaltigem Investieren zu tun haben. Der Eindruck drängt sich auf, dass das notwendige Engagement fehlt, diesem Thema die echte Substanz zukommen zu lassen. Das kann auch damit zu tun haben, dass sich nicht ausreichend intellektuell mit dem Thema auseinandergesetzt wurde. Ich denke, dass uns auch hier die EU-Taxonomie weiterhelfen wird, in der die Vermeidung von Green Washing klar adressiert wird. Sie haben im vorigen Jahr die mehr als zehn Jahre bestandene Zusammenarbeit mit Vigeo Eiris/Forum Ethibel beendet und beziehen nun das ESG-Research von MSCI. Was hat Sie zu diesem Wechsel bewogen, und wie beurteilen Sie das ESG-Research von MSCI?Das war eine sehr pragmatische Entscheidung. Unser Haus ist seit Juli 2017 Unterzeichner der UN PRI. Damals haben wir entschieden, wenn wir denn Unterzeichner werden, dann wollen wir das Konzept auch progressiv vollumfänglich umsetzen. Dieses Projekt hat dazu geführt, dass wir in einem ersten Schritt eine SRI-Politik für unsere gesamte Aktienfondspalette entwickelt haben und eben nicht nur für einen einzelnen Fonds. Die Kooperation mit Forum Ethibel betraf bei uns lediglich den BL Equities Horizon, der jetzt unter dem neuen Namen BL Sustainable Horizon geführt wird. Was ist Ihr Anspruch?Damit wir die E-, S- und G-Faktoren strukturiert in unserem Aktienanlageansatz berücksichtigen können, benötigten wir ein tragfähiges Primärresearch – ein Anspruch, dem Forum Ethibel nicht gerecht wird. Der Fondsmanager eines Mainstreamfonds benötigt kein nach fremden – sprich Ethibels – SRI-Kriterien vorgefiltertes Anlageuniversum. Er benötigt die ESG-Rohdaten des ungefilterten Anlageuniversums, damit er sie in seinen fundamentalen Research-Prozess einbauen kann. Wie weit diese Integration reicht, ist von Fondsmanager zu Fondsmanager unterschiedlich. Um künftig unabhängig von der Einschätzung Dritter zu sein und in der Lage zu sein, ein eigenes SRI-/ESG-Konzept zu erarbeiten, haben wir entschieden, Primärresearch von MSCI zu abonnieren. Sie haben den Markt gescreent?Ja, wir haben die drei Großen, Vigio Eiris, MSCI und Sustainalytics, genauer unter die Lupe genommen. Aus unserer Sicht – und wir waren damals keine ESG-Analysten mit langjähriger Erfahrung – waren die drei Angebote im Grunde genommen gleichwertig. Es ging dann um den Aspekt, welches dieser Unternehmen die beste Markt-Coverage hat, und das war für uns MSCI, das aktuell eine Abdeckung von über 8 000 Werten hat. Für jeden einzelnen Wert bekommt man zumindest einen sogenannten Controversy Snapshot. Für manche große Unternehmen sind die Berichte über 200 Seiten stark mit sehr detaillierten Informationen darüber, wie die Firma unter ESG-Aspekten aufgestellt ist, wo es Kontroversen gibt und wie schwerwiegend diese sind. Basieren Ihre Anlageentscheidungen ausschließlich auf dem ESG-Research von MSCI, oder führen Sie auch ein hausinternes ergänzendes Research durch?Bei den klassischen Mainstream-Fonds sehen wir uns insbesondere die schwerwiegenden Kontroversen der Unternehmen gemäß MSCI an. Sollte sich ein Unternehmen beispielsweise nachweislich systematischer Korruption schuldig gemacht haben, wird MSCI diese Kontroverse mit der geringsten Note – null – bewerten – eine sogenannte Red Flag Controversy. Derartig bewertete Unternehmen lösen ein Ausschlussverfahren aus. Und beim BL Sustainable Horizon, Ihrem Flaggschiff?Hier ist der Ausgangspunkt ebenfalls die Analyse von MSCI. Die herangezogenen Auswahlkriterien sind allerdings deutlich umfassender. Flankierend erstellt der Fondsmanager zusammen mit unseren hauseigenen SRI-Strategists detaillierte fundamentale Analysen, um die finanziellen und die nichtfinanziellen Aspekte jedes analysierten Unternehmens umfassend zu beleuchten und zu bewerten. Haben Sie eine klare Ausschlussliste von Investments wie Rüstung etc., die Sie Anlegern kommunizieren? Wie sieht Ihr Ausschlussprozess aus?Wir schließen kontroverse Waffen aus. Wir können bei MSCI sehr leicht abfragen, welche Unternehmen Erträge über kontroverse Waffen – also Landminen, Streubomben etc. – erzielen. Auch wenn es nicht vorstellbar ist, dass wir je in solche Unternehmen investieren, haben wir nun formal hinterlegt, dass wir es nicht machen werden. In unseren Mainstreamfonds schließen wir keine weiteren Sektoren formal aus. Unser Anspruch ist es, nicht dogmatisch vorzugehen. Wie vorhin gesagt, ist das Thema SRI noch recht jung im Bereich unserer Mainstreamfonds. Wir gehen gerade unsere ersten eignen Schritte und möchten uns mit den Konzepten vertraut machen, die einen qualitativ hochwertigen SRI-Ansatz ausmachen. Da sollte man keine voreiligen Schlüsse ziehen und Präzedenzfälle schaffen, die nur schwer wieder rückgängig gemacht werden können. Unser Ziel ist es, die E-, S- und G-Faktoren so in unseren Anlageansatz zu integrieren, dass formale Ausschlüsse unnötig werden und dass dank der ESG-Faktoren nachvollziehbare Entscheidungen getroffen werden können. Das Interview führte Kai Johannsen.