GastbeitragAnlagethema im Brennpunkt (291)

Wirklich Cash? Anleihen jetzt spannender

Mit Erträgen von 5 Prozent sieht Cash zum ersten Mal seit zehn Jahren interessant aus – jedoch nur auf den ersten Blick.

Wirklich Cash? Anleihen jetzt spannender

Keith Balmer

Portfolio Manager Multi-Asset bei Columbia Threadneedle Investments

Gastbeitrag: Anlagethema im Brennpunkt (291)

Wirklich Cash?
Anleihen jetzt spannender

Mit der beschleunigten Straffung der Geldpolitik durch die Notenbanken der Industrieländer erlitten vor allem konservative Anleger mit einem hohen Anteil an Anleihen im Portfolio schwerwiegende Verluste. Die vermeintlich sicherste Anlageklasse – Staatsanleihen – enttäuschte. Desillusionierte Anleiheinvestoren ziehen daher neuerdings eine Anlageklasse in Betracht, deren Rendite von mehr als 5% zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt wieder attraktiv erscheint: Bareinlagen.

Auf den ersten Blick mag das so erscheinen. Betrachten wir jedoch die realen Renditen, dann sind die heutigen Zinsen für Bareinlagen sogar niedriger als in den vergangenen zehn Jahren. Ein wichtiges Argument zugunsten von Cash ist die Gewissheit über künftige Renditen – vor allem bei kürzeren Anlagezeiträumen. Bargeld, Festgeld oder auch kurzlaufende hochwertige Anleihen bieten Anlegern volle Sicherheit bei den Erträgen. Der Preis für diese Sicherheit ist allerdings eine mit großer Wahrscheinlichkeit negative reale Rendite.

Ein weiterer Grund für Bareinlagen ist die Liquidität dieser Anlageform. Einige Anleger möchten ihr Geld möglicherweise nicht für einen festen Zeitraum anlegen, andere warten vielleicht auf eine Korrektur am Aktienmarkt, um günstig einzusteigen.

Tatsächlich bietet eine längere Bindung von Bargeld in Qualitäts-Staatsanleihen aktuell eine niedrigere Jahresrendite als kurzfristige Anleihen. So liegt etwa der Zins der 2-jährigen britischen Staatsanleihe derzeit bei 5,4% (Stand: 06.07.2023, Quelle: Bloomberg), während ihr 5-jähriges Pendant 4,9% einbringt. 10-jährige Gilts werden mit 4,6% verzinst.

Der Grund ist die inverse Zinsstrukturkurve. Laut der Sonia-Swapkurve findet die Inversion um den Zwölf-Monats-Punkt statt: Die Verzinsung steigt bis zu einer Laufzeit von zwölf Monaten, danach sinkt sie. Geht ein Anleger davon aus, dass diese Zinssätze in ein, zwei Jahren nicht mehr verfügbar sein werden und man mittel- bis langfristig in Cash bleiben möchte, dann ist es tatsächlich sinnvoll, sein Geld in diesen Investments längerfristig zu binden. Dann verzichtet man kurzfristig auf einen gewissen Gewinn, um längerfristig attraktive Zinsen zu erhalten – auch wenn dies ein gewisses Risiko mit sich bringt.

Die Verzinsung von Bargeldeinlagen sieht nur nominell attraktiv aus – nach Abzug der Inflation stehen Anleger dagegen mit negativen realen Renditen da. Doch es gibt andere, vielversprechendere Alternativen. So unterliegen Aktien zwar größeren Wertschwankungen, bieten bei einem längeren Anlagehorizont aber bekanntermaßen positive reale Renditen – so etwa Investments in den US-Aktienmarkt, die über einen Zeitraum von zehn Jahren oder mehr eine etwa 89-prozentige Chance auf reale Gewinne hatten.

Da die Hauptursache für die negative Performance von Staatsanleihen, die Zinserhöhungen, bald ihren Abschluss finden dürfte, dürfte auch der Abwärtsdruck auf die Kurse bald nachlassen. Gleichzeitig sind die Renditen von Staatsanleihen infolge des Ausverkaufs nominal gesehen attraktiv: Sie liegen zwar etwas unter den Renditen von Zwölf-Monats-Einlagen, sind aber deutlich höher als noch vor 18 Monaten.

Eine mögliche Strategie für Anleger wäre daher beispielsweise, Staatsanleihen gegenüber Aktien überzugewichten und auf die Rezession zu warten. Staatsanleihen bieten im Fall einer Rezession oder eines anderen Risk-off-Szenarios ein erhebliches Aufwärtspotenzial, denn der Ansturm der Anleger auf Anleihen treibt in der Regel die Kurse nach oben und drückt die Renditen. Grob gerechnet: Wenn die Rendite der 10-jährigen britischen Staatsanleihe um 2% sinkt, würde dies für diese Anleihe zu einem Kapitalgewinn von etwa 20% führen – ein ziemlich beeindruckender Wertzuwachs zusätzlich zu den gezahlten Kupons.

Erfüllt sich also das Rezessionsszenario, verwendet man die Kapitalgewinne aus der Position in Staatsanleihen, um die günstigeren Bewertungen auf dem Aktienmarkt zu nutzen und das Engagement in dieser Anlageklasse zu erhöhen.