Zinskosten der Staaten verdoppeln sich nahezu
Zinskosten der Staaten verdoppeln sich nahezu
Janus-Henderson-Bericht: Sinkende Inflation und sich anbahnende härtere Landung der Wirtschaft gute Nachrichten für Anleihen
In den nächsten Jahren werden die Staatsfinanzen zunehmend unter Druck geraten, da neue Anleihen zu höheren Marktzinssätzen ausgegeben und bestehende Anleihen zu höheren Zinskosten refinanziert werden. „Der effektive Zinssatz wird 2025 bei 3,8% liegen, fast drei Viertel mehr als 2022“, heißt es im Bericht des Sovereign Debt Index, der vom Vermögensverwalter Janus Henderson jährlich erstellt wird und der Börsen-Zeitung exklusiv vorliegt. Die Zinskosten werden bis 2025 rund 2,8% des weltweiten BIP verschlingen, nachdem sie ein Jahrzehnt lang zwischen 1,5% und 1,6% lagen. 2022 um diese Zeit seien Anleger davon ausgegangen, dass die Regierungen bis 2025 rund 1,64 Bill. Dollar an Zinsen zahlen würden. Aufgrund der höheren Inflation und des Zinsumfelds würden Marktteilnehmer nun erwarten, dass die Kosten bis dahin auf 2,8 Bill. Dollar steigen werden, doppelt so hoch wie 2022.
Hinzu kämen Verluste aus den QE-Anleiheportfolios (Quantitative Easing) der Zentralbanken, die durch Steuergelder ausgeglichen werden müssten. Das bedeute, dass der vor 2022 von den Zentralbanken an die Finanzministerien gezahlte Gewinn aus diesen Anleihen aufgehoben werde. Aufgrund der anhaltenden jährlichen Defizite werde die Schuldenlast weiter steigen. Die Gesamtverschuldung werde bis 2025 nominal – einschließlich Inflation – um etwa ein Sechstel zunehmen. Dem stehe jedoch ein Anstieg des nominalen BIP gegenüber. Die Verschuldung werde nur geringfügig schneller zunehmen als das BIP, so dass die Gesamtverschuldung von 77,2 Bill. Dollar 2025 etwa 79% des BIP erreichen werde, ein Prozentpunkt mehr als 2022. In den nächsten drei Jahren werde die durchschnittliche Pro-Kopf-Verschuldung weltweit um weitere 2.025 Dollar auf 15.550 Dollar steigen. Dabei würden die Regierungen im Vergleich zu 2022 pro Person 288 Dollar mehr an Zinsen zahlen (+102%). „Wir gehen davon aus, dass sich die Weltwirtschaft in den kommenden Monaten deutlich abschwächen und die Inflation stärker zurückgehen wird als von den meisten erwartet. Die schiere Höhe der Schulden von Staaten, Unternehmen und Privatpersonen bedeutet jedoch auch, dass die Zinsen nicht mehr so stark steigen müssen wie früher, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Der Zinsstraffungszyklus nähert sich seinem Ende“, so die Einschätzung der Experten. Viele Marktteilnehmer gehen ohnehin davon aus, dass es zu einer Rezession kommen wird. Vielen Akteuren bereitet die weltweite hohe Schuldenlast von Staaten, parastaatlichen Institutionen, aber auch von Unternehmen sowie privaten Haushalten seit Jahren Kopfzerbrechen. An den Finanzmärkten ist dies aber noch nicht zu einem tragenden Thema geworden.
Diese Entwicklungen in Sachen Schulden der Staaten würden Investoren interessante Möglichkeiten bieten, sowohl für laufende Erträge als auch für Kapitalgewinne. Erstens seien die Erträge für jeden neuen Dollar, der den Regierungen über Anleihen geliehen wird, heute deutlich höher als in den letzten Jahren, so dass sich Anleger jetzt zu sehr attraktiven Zinssätzen eindecken könnten. Zweitens erwarten die Experten von Janus Henderson, dass die Renditen deutlich sinken werden, wenn die Weltwirtschaft ins Stocken gerät. Über dadurch steigende Anleihekurse dürften mit Bonds auch erhebliche Kapitalgewinne erzielt werden, meint der Vermögensverwalter. Da die Unterschiede zwischen den Laufzeiten und Renditeniveaus der einzelnen Staaten größer seien als in den vorigen Jahren, böten sich für aktive Fondsmanager Chancen, einen Mehrwert für Anleger zu schaffen.
2022 habe der Anleihenmarkt die schlimmste Baisse seit Jahrzehnten erlebt. „Als der globale Index für Staatsanleihen Ende Oktober 2022 seinen Tiefpunkt erreichte, hatte er alle seit Juni 2017 erzielten Gewinne zunichtegemacht und war seit seinem Höchststand um ein Siebtel gefallen. Unter den größten Ländern in unserem Index sind britische Staatsanleihen am stärksten gefallen, nämlich um 29% zwischen dem Höchststand Mitte 2020 und Ende Januar 2023“, konstatiert Janus Henderson. Dies hänge viel mehr mit den langen Laufzeiten und der sehr hohen Gewichtung von inflationsgebundenen Anleihen in Großbritannien zusammen als mit den politischen Umwälzungen im Land. Langfristige und an die Inflation gebundene Anleihen würden sehr empfindlich auf steigende Marktzinsen reagieren. In der Eurozone liegen die Rückgänge je nach Land zwischen 17% und 22%, während der Index in den USA um ein Sechstel gesunken ist, so die Feststellung der Experten. „Die kürzere Laufzeit von US-Anleihen bot einen gewissen relativen Abwärtsschutz. Die Märkte im asiatisch-pazifischen Raum haben deutlich besser abgeschnitten als Europa, Großbritannien und die USA“, heißt es weiter. Trotz einer gewissen Erholung in den vergangenen Wochen seien die Anleiherenditen heute so hoch wie seit 2007 nicht mehr.
Die Kosten seien drastisch angestiegen. Die staatlichen Zinsausgaben seien 2022 um rund ein Fünftel auf rekordhohe 1,38 Bill. Dollar geklettert. „Dies war der schnellste Anstieg seit 1984 und zeigt das Zusammenspiel steigender Zinssätze mit der wachsenden Staatsverschuldung.“ Der effektive Zinssatz habe 2022 auf nur 2,2% und damit um ein Siebtel gegenüber 2021 angezogen. „Gleichzeitig stieg der Gesamtwert der Staatsverschuldung währungsbereinigt um 7,6% auf einen Rekordwert von 66,2 Bill. Dollar. Die US-Regierung habe 2022 mehr zusätzliche Kredite aufgenommen als alle anderen Länder insgesamt, selbst unter Berücksichtigung von Schwankungen der Wechselkurse. Die seit der Finanzkrise niedrigen Zinssätze haben eine derart starke Ausweitung der Staatsbilanzen ermöglicht, aber nun fordern Anleiheinhaber als Ausgleich für Inflation und steigende Risiken höhere Zinsen, was zu einer erheblichen und zunehmenden Belastung für die Steuerzahler führt.“
Tragfähigkeit entscheidend
„Die Höhe der Staatsverschuldung und die Kosten für den Schuldendienst sind für die Gesellschaft als Ganzes von Bedeutung, da sie Entscheidungen über Steuern und öffentliche Ausgaben beeinflussen und Fragen der Generationengerechtigkeit aufwerfen. Für Anleiheinvestoren ist die absolute Schuldenhöhe jedoch weniger wichtig als die Frage, ob sie tragfähig ist. Länder, die Anleihen in ihrer eigenen Währung ausgeben und deren Finanzministerien vertraut wird, dass sie die Ausgaben über den Konjunkturzyklus hinweg unter Kontrolle haben, können im Verhältnis zum BIP hohe Schuldenstände verkraften“, sagt Jim Cielinski, Global Head of Fixed Income bei Janus Henderson. Ferner würden Schulden, die zur Finanzierung von wachstumsfördernden Investitionen aufgenommen werden, meist befürwortet, da sie zu einer positiven Entwicklung der Schuldendynamik führen könnten. Dies wirke sich wiederum positiv auf die Anleihekurse aus. Für Anleger sei die Zinsentwicklung – nicht nur die von den Zentralbanken festgesetzten Tagesgeldsätze, sondern auch die Marktzinsen bei jeder Laufzeit entlang der Zinsstrukturkurve – der entscheidende Faktor für die Renditen am Bondmarkt.
„Die erforderliche Eindämmung der Inflation hat natürlich zu einem starken Zinsanstieg geführt und den Bärenmarkt für festverzinsliche Wertpapiere 2022 vorangetrieben. Die Renditekurve ist bereits invers“, sagt Cielinski. Das bedeutet: Die kurzfristigen Zinssätze sind höher als die langfristigen, was in der Lesart der Märkte mit einer wirtschaftlichen Abschwächung einhergeht. „Der Markt rechnet jedoch mit einer relativ sanften Landung der Weltwirtschaft. Wir halten das für falsch.“
Die Inflation rücke schneller in den Hintergrund, als man denke – ihr derzeitiges hohes Niveau werde bald vergessen sein. Die Spot-Inflation bzw. die heutige Inflationsrate sei daher ein nachlaufender Indikator. „Trotzdem straffen die Zentralbanken, die darauf bedacht sind, ihre Glaubwürdigkeit in Sachen Inflationsbekämpfung wiederherzustellen, ihre Geldpolitik weiter. Gleichzeitig deuten Frühindikatoren wie der extrem starke Rückgang der weltweiten Geldmenge darauf hin, dass die Inflationsschlacht bereits gewonnen ist“, so Cielinski. „All dies deutet unserer Ansicht nach auf eine härtere Landung der Weltwirtschaft hin, als allgemein angenommen wird – sie dürfte sogar eher schrumpfen.“ Das seien sehr gute Nachrichten für Anleihen.
Höhere Marktzinsen werden die Staatsfinanzen in den kommenden Jahren erheblich belasten, wie aus dem Bericht des Sovereign Debt Index von Janus Henderson hervorgeht. Marktteilnehmer erwarten laut dem Bericht, dass die Zinskosten der Staaten bis 2025 auf 2,8 Bill. Dollar steigen, doppelt so hoch wie 2022.