GastbeitragWirtschaftliche Sicherheit

Vor weiteren Verschärfungen der Investitionskontrolle

Die Investitionskontrolle bleibt ein hochdynamischer Bereich. Die kommenden Monate und Jahre werden weitere Entwicklungen und sicher auch Verschärfungen bringen.

Vor weiteren Verschärfungen der Investitionskontrolle

Vor weiteren Verschärfungen der Investitionskontrolle

Initiativen zur Stärkung der wirtschaftlichen Sicherheit der EU – Outbound Investment weitgehend Neuland – Hochdynamischer Bereich

Von Jana Dammann de Chapto und Nicolas Jung *)

„Die wirtschaftliche Sicherheit der EU steht und fällt damit, dass wir unseren technologischen Vorsprung erhalten und einen unerwünschten Technologieabfluss vermeiden.“ Mit dieser Aussage lässt sich die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager zitieren und setzt damit den Grundton der Ende Januar von der Europäischen Kommission veröffentlichten Initiativen zur Stärkung der wirtschaftlichen Sicherheit der EU.

Diese Initiativen betreffen verschiedene regulatorische Bereiche, darunter die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen (Investitionskontrolle) und die Ermittlung von Risiken bestimmter Investitionen in Drittstaaten (Outbound Investment). „In Zeiten geopolitischer Spannungen und tiefgreifender technologischer Veränderungen“ setzt die Kommission damit ihren Kurs und den weltweit erkennbaren Trend einer stärkeren Regulierung des Welthandels unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Sicherheit fort.

Während sich das Investitionskontrollrecht in den letzten Jahren als wichtiger Bestandteil bei der Beratung internationaler Unternehmenskäufe etabliert hat, handelt es sich bei der Initiative der Kommission zu Outbound Investment weitgehend um Neuland.

Feste Größe bei Firmenkäufen

Spätestens seit dem vollständigen Inkrafttreten der EU-Verordnung zur Überprüfung ausländischer Investitionen (EU Screening-Verordnung) ist das Investitionskontrollrecht kein Spezialgebiet mehr, sondern hat sich zu einer festen Größe bei der Planung und Beratung von Unternehmenskäufen entwickelt. Über den in der Verordnung angelegten Kooperationsmechanismus zwischen Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission wurden seit Oktober 2020 EU-weit über 1.200 Transaktionen gemeldet.

Auf nationaler Ebene haben derzeit 23 der 27 Mitgliedstaaten ein aktives Investitionskontrollrecht. Deutschland gilt mit seinem sehr breit angelegten und seit 2017 regelmäßig weiterentwickelten Kontrollmechanismus als Vorreiter. Der deutsche Regelungsrahmen ermöglicht dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) als koordinierende Stelle in Zusammenarbeit mit anderen nationalen Behörden oder über den Kooperationsmechanismus gemeinsam mit Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission, internationale Transaktionen auf Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik, anderer EU-Mitgliedstaaten oder Projekte und Programme von Unionsinteresse zu überprüfen.

China im Fokus

Im vergangenen Jahr gab es erstmals seit 2016 einen leichten Rückgang der Zahl nationaler Verfahren im Vergleich zum Vorjahr (280 in 2023 gegenüber 306 in 2022); dies trotz eines leichten Anstiegs der über den EU-Kooperationsmechanismus notifizierten Verfahren. Es ist davon auszugehen, dass dieser Rückgang eher der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung geschuldet ist, als dass er eine Wende hin zu einem liberaleren Umgang mit Auslandsinvestitionen kennzeichnet.

Das BMWK prüft bekanntermaßen Investitionen aus China besonders genau. Gleichwohl beschränkt sich die Überprüfung durch das BMWK nicht auf China. Vielmehr betrafen nur 21 der 257 nationalen Verfahren in 2023 chinesische Investoren. Die überwiegende Mehrheit der Investoren stammte aus westlichen Herkunftsländern: Mit 96 Verfahren ging es bei den meisten nationalen Prüfungen um Investoren aus den USA, gefolgt von 36 Investoren aus dem Vereinigten Königreich sowie 21 Investoren aus dem EU- bzw. EFTA-Raum. In 16 Verfahren stammten die Investoren aus Japan.

Nur in wenigen Verfahren sicherheitsrechtliche Bedenken

Mit 4% ist seit 2021 die Anzahl der Verfahren, die pro Jahr mit erwerbsbeschränkenden Maßnahmen (also Untersagungen oder Auflagen) beendet wurden, niedrig geblieben. Nur in einem Bruchteil der Verfahren bestanden somit sicherheitsrechtliche Bedenken. Gleichwohl wurde auch in den anderen Fällen ein für die beteiligten Unternehmen oft aufwändiges Investitionskontrollverfahren durchgeführt. Auch wenn sicher nicht alle dieser Verfahren aus formellen Meldepflichten resultierten, sondern auch freiwillige Meldungen betrafen, kann angesichts dieser Zahlen zu Recht in Frage gestellt werden, ob die Fallgruppen der deutschen Investitionskontrolle, die Pflichtmeldungen auslösen, zu weit gefasst sind.

Reformpläne auf Bundesebene

Immerhin ist die Bearbeitungszeit des BMWK in der Mehrheit der Fälle erfreulich kurz. Es wurden 33% der Transaktionen innerhalb der ersten 30 Tagen und weitere 21% innerhalb der ersten 40 Tagen nach Eingang freigegeben. In mehr als der Hälfte der Fälle hat das BMWK die ihm zustehende Prüffrist in „Phase 1“ von zwei Monaten also bei Weitem nicht ausgeschöpft. Diese Zahlen dürften auch bei den aktuellen Reformüberlegungen eine Rolle spielen. Nach der letzten umfassenderen Novelle des Investitionskontrollrechts in 2021 stellt das BMWK jetzt weitere Reformüberlegungen an und hat hierzu im Spätsommer 2023 ein Eckpunktepapier veröffentlicht. Die Bundesregierung möchte das deutsche Investitionskontrollrecht in einem eigenen „Investitionsprüfungsgesetz“ kodifizieren. Auch inhaltliche Änderungen werden erwogen. Diese gelten als Reaktion auf eine veränderte Sicherheitslage und sollen gleichzeitig den Erfahrungen aus der Prüfpraxis der vergangenen Jahre Rechnung tragen.

Neben einer Überarbeitung und Konkretisierung der derzeit 27 Branchen-Fallgruppen, die eine Anmeldepflicht auslösen, erwähnt das Eckpunktepapier, dass künftig auch Unternehmensneugründungen (Greenfield-Investitionen), Lizenzvereinbarungen und Forschungskooperationen, die nach derzeitigem Recht nicht meldepflichtig sind, erfasst werden sollen. In bestimmten Fallgruppen könnte eine Vermutung der Gefährdung von Sicherheitsinteressen aufgenommen werden, die die Beteiligten widerlegen müssten – ebenfalls ein Novum. Der erwartete Referentenentwurf dürfte auch den Reformentwurf der EU Screening-Verordnung berücksichtigen.

Screening-Verordnung

Erstmals ist in dem am 24. Januar 2024 veröffentlichten Entwurf für Mitgliedstaaten eine Pflicht vorgesehen, ein nationales Investitionskontrollrecht einzuführen. Weitere Änderungen betreffen die Erfassung von Investitionen durch ausländisch kontrollierte EU-Unternehmen, Greenfield-Investitionen und einen verbesserten EU-Kooperationsmechanismus, der bei besonders kritischen Transaktionen verpflichtend sein soll. Wie schnell die Reform umgesetzt werden kann, bleibt auch wegen der bevorstehenden Europawahlen abzuwarten.

Im August 2023 haben die USA auf Basis einer Executive Order von Präsident Biden den ersten Schritt zur Einführung eines Outbound Investment Screening getan. Auf Basis der Executive Order soll ein Mechanismus eingeführt werden, der die Kontrolle von US-Investitionen in China, Hong-Kong und Macau im Zusammenhang mit besonders sensiblen Technologien erfasst (Halbleiter, Mikroelektronik, Quanteninformationstechnik und künstliche Intelligenz). Damit geht es letztlich um die Verhinderung des Abflusses besonders kritischen Knowhows.

EU noch in einer Frühphase

Mit dem ebenfalls in den Initiativen der Kommission von Ende Januar enthaltenen „Weißbuch über Investitionen in Drittstaaten“ beschreitet die Kommission einen ähnlichen Weg. Auf Grundlage des Weißbuchs möchte die Kommission zunächst untersuchen, ob eine Notwendigkeit für die Einführung eines Outbound Investment Screening Mechanismus besteht. Sollte sich bis Herbst 2025 nach Konsultationen mit den Mitgliedstaaten und Auswertungen der Erkenntnisse herausstellen, dass Investitionen in bestimmte Aktivitäten oder Technologien in bestimmten Ländern sicherheitsrechtlich problematisch sind, könnten weitere Schritte zur Einführung entsprechender Kontrollen unternommen werden.

Die Überlegungen zum Outbound Investment Screening in der EU befinden sich in einer Frühphase und es bleibt abzuwarten, ob die Kontrolle von Investitionen in Drittstaaten in Zukunft die gleiche Relevanz für grenzüberschreitende Transaktionen gewinnen wird, wie es die Investitionskontrolle in den letzten Jahren getan hat. Die Investitionskontrolle bleibt ein hochdynamischer Bereich. Die kommenden Monate und Jahre werden weitere Entwicklungen und sicher auch Verschärfungen bringen. Wirtschaftsakteure, die grenzüberschreitend investieren, müssen sich mit diesen Entwicklungen auseinandersetzen und zu einem festen Bestandteil bei der Planung und Umsetzung von Unternehmenskäufen und -verkäufen machen.

*) Dr. Jana Dammann de Chapto (Hamburg) ist Partnerin und Dr. Nicolas Jung (Frankfurt) Associate von Latham & Watkins.

Dr. Jana Dammann de Chapto (Hamburg) ist Partnerin und Dr. Nicolas Jung (Frankfurt) Associate von Latham & Watkins.