100 Jahre Wirtschaftspolitik
Einen runden Geburtstag dieser Art können noch nicht viele staatliche Institutionen in der recht jungen Bundesrepublik aufweisen. 100. Geburtstag feierte das Bundeswirtschaftsministerium in dieser Woche. Das Jubiläum ging ohne großes Tamtam über die Bühne. Beim Festakt waren neben dem amtierenden Minister Peter Altmaier (CDU) fünf seiner Amtsvorgänger zugegen, darunter Philipp Rösler (FPD) und Wolfgang Clement (SPD).Das Ministerium wurde nach dem Ersten Weltkrieg am 21. März 1919 als Reichswirtschaftsministerium aus der Taufe gehoben. Bald schon kamen schwere Zeiten. Auf die anfängliche Vollbeschäftigung der Nachkriegszeit – die deutsche Währung wertete ab, die Produkte wurden international konkurrenzfähig und die Wirtschaft florierte – folgte durch Geldvermehrung zur Finanzierung der Kriegsfolgekosten eine Hyperinflation. Die stoppte das Ministerium 1923 durch eine Währungsreform. In den goldenen 1920er Jahren ging es der Wirtschaft gut. Das Ministerium liberalisierte den Außenhandel. Es hob Einfuhr- und Ausfuhrverbote auf und sorgte mit einer Steuerreform für Entlastung der Unternehmen. Dies endete jäh mit der Weltwirtschaftskrise und dem Zusammenbruch der Börsen 1929. Bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten lag die Wirtschaft am Boden. Die folgende Zeit von 1933 bis 1945 bezeichnet das Ministerium mit Blick auf die Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung und wegen des Einsatzes von Zwangsarbeitern als das dunkelste seiner Geschichte. Unter dem Hitler-Regime baute das Ministerium die Markt- zu einer Kriegswirtschaft um.Seine Blütezeit erlebte das Haus nach dem Zweiten Weltkrieg unter Ludwig Erhard (CDU) als Minister. Das Versprechen “Wohlstand für alle” erfüllte sich in den Nachkriegsjahren etwa durch die beherzte Entscheidung Erhards, ohne Rückendeckung der Alliierten mit der Währungsreform 1948 auch die Preise freizugeben. Damit war Mangelwirtschaft rasch überwunden. Das deutsche Wirtschaftswunder begann. Mit Karl Schiller (SPD), Helmut Schmidt (SPD) oder auch Otto Graf Lambsdorff (FDP) standen später herausragende Minister an der Spitze des Ministeriums.Obwohl das Haus mit knapp 2 000 Beschäftigten sogar etwas größer ist als das Bundesfinanzministerium, gilt es nicht mehr als das Machtzentrum in der Regierung, das es einmal war. Die CDU/CSU im Bundestag hatte es 2018 als Niederlage empfunden, dass sie nach den Koalitionsverhandlungen das Finanzressort an die SPD abgeben musste. Altmaiers Bestrebungen, an der Spitze des für die Union hinzugewonnenen Wirtschaftsministeriums politisch zu punkten, sind bislang nicht von Erfolg gekrönt. Die Energiewende hängt. Die von ihm angeschobene nationale Industriestrategie weckt den Verdacht des leisen Abschieds vom Prinzip der Marktwirtschaft. Zum Fest für 100 Jahre Wirtschaftsministerium proklamierte der Minister, das Erfolgsmodell der Wirtschaftspolitik brauche “jetzt neue Antworten auf neue Herausforderungen”. Altmaier sollte nicht fragen – er sollte Antworten liefern.