SpanienRegierungsbildung

Sánchez meistert einen breiten Spagat

Spaniens Ministerpräsident hat mit einem sehr breiten Bündnis von acht Parteien seine Wiederwahl im Parlament erreicht. Möglich wurde dies durch eine hoch umstrittene Amnestie für die katalanischen Separatisten. Die linke Minderheitsregierung hat wirtschaftspolitisch große Pläne.

Sánchez meistert einen breiten Spagat

Sánchez meistert einen breiten Spagat

Sozialist im spanischen Parlament zum Ministerpräsidenten wiedergewählt – Mehrbelastung für Großunternehmen geplant

Spaniens Ministerpräsident hat mit einem sehr breiten Bündnis von acht Parteien seine Wiederwahl im Parlament erreicht. Möglich wurde dies durch eine hoch umstrittene Amnestie für die katalanischen Separatisten. Die linke Minderheitsregierung hat wirtschaftspolitisch große Pläne.

ths Madrid

Pedro Sánchez ist nicht umsonst der Autor eines Buches mit dem Titel „Anleitung für die Widerstandskraft“. Nach der herben Pleite seiner Sozialisten bei den Regionalwahlen in Spanien im Mai galt der Ministerpräsident als erledigt. In einem gewagten Schritt zog er die Parlamentswahlen auf Juli vor, wo seine PSOE hinter den Konservativen blieb, die jedoch auch keine Mehrheit erreichten. Am Donnerstag wurde Sánchez mit 179 von 350 Stimmen im Unterhaus zum Ministerpräsidenten wiedergewählt. Die Minderheitskoalition aus Sozialisten und Linken mit ihren 152 Abgeordneten konnte sechs nationalistische und regionale Parteien für sich gewinnen. Nur die konservative Volkspartei PP, ihr Partner UPN aus Navarra und die rechtsextreme Vox votierten gegen den Kandidaten.

Doch der Preis für den Machterhalt ist sehr hoch. In einer 180-Grad-Wende musste Sánchez den katalanischen Separatisten eine Amnestie für Hunderte Beteiligte rund um das illegale Unabhängigkeitsreferendum von 2017 gewähren. Das löste massive Demonstrationen aus. Die Juristenverbände bezweifeln die Legalität der Maßnahme und fürchten um die Gewaltenteilung im Lande. Auch in Brüssel will man sich das Gesetz genau anschauen.

„Die Umstände sind, wie sie sind, und wir machen das Beste daraus“, erklärte Sánchez im Parlament die Notwendigkeit der Amnestie. Es gehe darum, das sozial- und wirtschaftspolitische Projekt der seit 2020 regierenden Linkskoalition fortzusetzen. Diesbezüglich hat man sich für die neue Legislaturperiode viel vorgenommen. Der gesetzliche Mindestlohn, der seit 2019 um 49% angehoben wurde, soll weiter steigen und bei 60% des Durchschnittsverdienstes in Spanien liegen. Das Linksbündnis Sumar plant eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 40 auf 37,5 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Der Arbeitgeberdachverband CEOE sieht Arbeitsplätze in Gefahr und kritisiert den Alleingang der Regierung. In den letzten Jahren wurden viele Maßnahmen im Einklang mit Unternehmern und Gewerkschaften vereinbart, wie die große Arbeitsmarktreform, die zum Rückgang der chronisch hohen Zeitarbeit geführt hat.

Kritik der Arbeitgeber

Die CEOE warnt ebenfalls vor der geplanten Steuerreform, die höhere Abgaben für Mehrverdiener und eine Mindestbesteuerung von 15% auf den Bilanzgewinn von Großunternehmen, ohne Anwendung von Abschreibungsmöglichkeiten, vorsieht. „So leid es mir tut, aber die Reichen werden mehr Steuern zahlen müssen“, kündigte Sánchez in seiner Ansprache am Mittwoch an. Die erwarteten Mehreinnahmen aus der Steuerreform sollen dem Ausbau des Wohlfahrtsstaates dienen, der Bildung und dem Gesundheitssystem sowie der Anpassung der Renten an die Inflation. Sánchez verkündete im Parlament, dass der öffentliche Transport für Jugendliche und Arbeitslose gratis sein wird.

Doch über diesen Plänen hängen zwei Fragezeichen. Zum einen wird der Spielraum für die Regierung enger, sobald der neue europäische Fiskalpakt in Kraft tritt. Die Zinsen für spanische Staatsanleihen sind zuletzt stark gestiegen, bei einer Verschuldung von gut 110% des Bruttoinlandsproduktes. Zum anderen machten die Parteien, denen Sánchez seine Wiederwahl verdankt, deutlich, dass ihre Unterstützung nicht für die gesamte Legislaturperiode gilt, sondern jede Maßnahme neu verhandelt werden müsse.

Der konservative Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo, der im September bei der Wahl im Parlament scheiterte, warf Sánchez „Wahlbetrug“ vor, da der Sozialist vor den Wahlen im Juli eine Amnestie noch ausdrücklich ausgeschlossen hatte.

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