Andrea allein zu Haus
Von Bernd Neubacher und Mark Schrörs, FrankfurtDie Europäische Zentralbank (EZB) leistet sich mit Beginn der neuen Woche eine Vakanz auf einer äußerst wichtigen Position – jener des Vize-Chefs der europäischen Bankenaufsicht. Die Amtszeit von Sabine Lautenschläger im Single Supervisory Mechanism (SSM) endet am Montag, ohne dass die Nachfolge geregelt ist. Andrea Enria, erst zu Jahresbeginn als Chef des SSM angetreten, goutiert dies dem Vernehmen nach nicht.In den Reihen der Aufseher wird unterdessen Unmut über EZB-Präsident Mario Draghi signalisiert. Er habe die Personalie, welcher ohnehin noch das EU-Parlament zustimmen müsste, bisher nicht geregelt. Eine Sprecherin der EZB erklärte auf Anfrage, Lautenschlägers Amtszeit laufe wie geplant im Februar aus. Ihr achtjähriges Mandat als EZB-Direktoriumsmitglied werde sie weiter wahrnehmen.Der Position des SSM-Vize wird in der Aufsicht Bedeutung beigemessen, da sie den internen Regeln zufolge mit einem Mitglied des sechsköpfigen EZB-Direktoriums besetzt wird und damit als Bindeglied zwischen dem Supervisory Board, dem obersten SSM-Aufsichtsgremium, und der EZB gilt. Die Frage, wie es im EZB-Direktorium mit der Zuständigkeit für Aufsichtsthemen weitergeht, sorgt nach Informationen der Börsen-Zeitung seit langem für Diskussionen und Unruhe in Notenbank- und Aufsichtskreisen. EZB-Präsident Draghi hatte zuletzt öffentlich zunehmend schmallippig reagiert, wenn es um dieses Thema ging. Nach der bislang letzten Zinssitzung am 24. Januar hatte er auf die Frage, ob es Neuigkeiten gebe, nur gesagt: “Nein, tut mir leid, noch nicht. Sie werden es erfahren.”Die Regularien zum SSM-Vizeposten besagen lediglich, dass dieser Posten aus dem Kreis der sechs Direktoriumsmitglieder zu besetzen ist. Allerdings gelten auch nicht alle Mitglieder als mögliche Kandidaten. Bei EZB-Vizepräsident Luis de Guindos könnte sich wohl die Frage nach der Machtfülle stellen, wenn er auch noch die Bankenaufsicht erhielte und Vice Chair des SSM würde. Im Falle von EZB-Chefvolkswirt Peter Praet und Benoît Coeuré, der für Marktoperationen sowie die internationalen und europäischen Beziehungen zuständig ist, wäre wiederum zu klären, wie sie diese Position mit ihren anderen Zuständigkeiten unter einen Hut bringen wollen, und es könnten erneut Fragen zur Trennung von Geldpolitik und Aufsicht aufkommen. Praet scheidet zudem Ende Mai aus, aber auch der mutmaßliche Nachfolger, Irlands Zentralbankchef Philip Lane, käme aus den genannten Gründen kaum in Frage. Eine Option wäre, dass Mersch im Direktorium die Zuständigkeit für die Aufsicht und den SSM-Posten übernimmt. Er ist abgesehen von de Guindos das Direktoriumsmitglied, das aktuell noch die längste Amtszeit vor sich hat. Allerdings endet auch diese Mitte Dezember 2020. Eine volle Amtszeit von fünf Jahren als SSM-Vize wäre also von vornherein ausgeschlossen. Diese Regeln ließen sich aber anpassen. Indes gilt das Verhältnis zwischen Mersch und Draghi aber als schwierig.Die andere Option wäre, das Mandat von Lautenschläger zu verlängern, zumindest um einige Monate oder gar länger. Die EZB-Regeln besagen zwar, dass die fünfjährige Amtszeit des stellvertretenden SSM-Vorsitzenden nicht verlängerbar ist. Intern gibt es aber Diskussionen, ob einige Monate mehr als Verlängerung gelten. Ende Dezember 2019 scheidet auch Coeuré aus. Dann könnte jemand zum Zuge kommen, der auch für den SSM Vice Chair in Frage käme.Zudem gäbe es wie im Fall von Mersch die Option, die formalen Regeln anzupassen. Draghi hatte wohl darauf gehofft, dass Lautenschläger noch ein wenig an Bord bleibt. Sie hat dem Vernehmen nach intern aber signalisiert, dass sie andere Aufgaben übernehmen wolle.