IMK-Studie

Arbeitskosten steigen 2022 stärker

Die Arbeits- und Lohnstückkosten sind einer IMK-Studie zufolge 2022 wegen der hohen Inflation und den Energiepreisschocks so kräftig gestiegen wie seit Anfang der 2000er Jahre nicht.

Arbeitskosten steigen 2022 stärker

Arbeitskosten steigen 2022 stärker

IMK-Studie: Deutschland rangiert weiter im oberen Mittelfeld Westeuropas

ba Frankfurt

2022 sind die Arbeitskosten in Deutschland und den meisten EU-Ländern deutlich stärker als in den beiden Coronajahren 2020 und 2021 gestiegen. Dem neuen Report des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung zu den Arbeits- und Lohnstückkosten zufolge waren es im Zuge von Energiepreisschocks und sehr starker Inflation europaweit die größten Zuwächse seit Beginn der 2000er Jahre.

Hierzulande stiegen die Arbeitskosten je Arbeitsstunde in der Privatwirtschaft um 6,4% – 2021 betrug der Zuwachs 1,3%. Dabei fiel die Zunahme im Dienstleistungsbereich, der traditionell vergleichsweise niedrige Arbeitskosten hat, mit 7,2% deutlich stärker aus als in der Industrie mit 4,5%. Dazu habe auch die Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro beigetragen, hieß es beim IMK. Am kommenden Montag legt die Kommission den neuen Mindestlohnvorschlag vor – Sozialverbände fordern einen kräftigen Anstieg auf 14 Euro. Im Euroraum legten die Arbeitskosten in diesem Jahr um insgesamt 5,0% zu, in der gesamten EU um 5,4%. „Gleichzeitig erlitten die Beschäftigten europaweit im Durchschnitt Reallohnverluste, während viele große Unternehmen mit hohen Gewinnen abschlossen“, hieß es beim IMK.

Mit nun 40 Euro rangiert Deutschland unverändert auf Platz 6 im EU-weiten Vergleich. Teurer war Arbeit in Luxemburg (50,4 Euro), Dänemark (48,4 Euro), Belgien (43,3 Euro), Schweden (43,2 Euro) und Frankreich (41,1 Euro). Die niedrigsten Arbeitskosten zeigt Bulgarien (8 Euro). „Mittelfristige Stabilität bei kurzfristigen Ausschlägen“ prägte laut IMK auch die Entwicklung der Lohnstückkosten, die die Arbeitskosten ins Verhältnis zum Produktivitätsfortschritt setzen. Diese gelten den Forschern als besserer Indikator für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft als die Arbeitskosten. Dass die Lohnstückkosten hierzulande mit 3,8% stärker als im Euroraum mit 3,3% gestiegen sind, sei kein Grund zur Sorge, betonen die Studienautoren Ulrike Stein und Alexander Herzog-Stein: „Die deutsche Wettbewerbsposition ist weiter unverändert.“ Auf längere Frist gesehen liege die Lohnstückkostenentwicklung hierzulande trotz der Beschleunigung weiter deutlich unter dem Preisziel der Europäischen Zentralbank. Zudem verzeichneten viele außereuropäische Wettbewerber 2022 erhebliche Steigerungen bei den Lohnstückkosten.

Seit der Jahrtausendwende, als Deutschland zuletzt eine fast ausgeglichene Leistungsbilanz aufgewiesen hat, sind die Lohnstückkosten im Jahresmittel um 1,4% gewachsen – laut IMK schwächer als in den anderen großen Euro-Volkswirtschaften „und weitaus weniger, als mit dem Inflationsziel der EZB von 2,0% vereinbar gewesen wäre“. Die dynamischere Entwicklung der vergangenen Jahre könne man somit als Teil eines Normalisierungsprozesses verstehen. Stein und Herzog-Stein raten aber, die Lohnstückkostenentwicklungen in der Eurozone im Auge zu behalten. So lägen sie beispielsweise in den baltischen Staaten mit durchschnittlichen jährlichen Anstiegen zwischen knapp 6% und gut 8% über die vergangenen drei Jahre weit über dem Inflationsziel der EZB. „Anhaltend divergierende Lohnstückkostenentwicklungen könnten zu neuen Ungleichgewichten im Euroraum führen, wie sie vor knapp zwei Jahrzehnten zur Eurokrise beigetragen haben“, warnen die Forscher. Und es könnte weitere Zinserhöhungen provozieren, die auch die Konjunktur in den übrigen Euro-Ländern treffen würden.

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