NOTIERT IN BUENOS AIRES

Argentiniens Schein-Gefecht

In einem Land mit 55 % Inflation kann davon ausgegangen werden, dass Geld ein Dauerthema ist. In Argentinien wird derzeit auch wieder viel über Geld debattiert, allerdings weniger über den Wert der Währung als vielmehr über deren Gestaltung. Schon...

Argentiniens Schein-Gefecht

In einem Land mit 55 % Inflation kann davon ausgegangen werden, dass Geld ein Dauerthema ist. In Argentinien wird derzeit auch wieder viel über Geld debattiert, allerdings weniger über den Wert der Währung als vielmehr über deren Gestaltung. Schon ehe der peronistische Präsident Alberto Fernández im Dezember sein Amt antrat, erklärte er, dass ihm das ganze bunte Viehzeugs missfalle, das unter seinem Amtsvorgänger auf die nationale Barschaft kam. Vorige Woche nun gab der neue Zentralbankchef Miguel Pesce bekannt, dass ab Juni eine neue Serie mit Peso-Noten aufgelegt werde, welche die Konterfeis nationaler Heldinnen und Helden tragen solle. Das Geschlechterverhältnis werde dabei, ein Novum in der argentinischen Währungsgeschichte, ausgeglichen sein.Seitdem die Zentralbank 2016 – unter der Ägide des Macri-Vertrauten Federico Sturzenegger – Geldscheine mit höherer Denomination präsentierte und diese mit Vertretern der heimischen Fauna zierte, erhob sich eine nationale Diskussion: Hat das Land, das Nobelpreisträger hervorbrachte, Schriftsteller, Che Guevara und Maradona, es wirklich nötig, Kondore, Blauwale, Wildlamas und Singvögel auf sein Geld zu drucken? Sturzenegger begründete sein Design mit dem Bestreben, dem in großer Mehrheit in Städten siedelnden Volk den Wert der Natur und deren einheimischer Spezies nahezubringen. Während sich die Peronisten empörten, dass ihre Säulenheilige Evita auf dem meistbenutzten Schein durch einen Andenhirsch abgelöst werden sollte, klatschte das Ausland Beifall. Der 500-Peso-Schein, der den Jaguar abbildet, der angeblich noch immer durch die Waldreste des Nordens streift, gewann mehrere internationale Auszeichnungen für den schönsten Geldschein des Jahres.Der Jaguar kam 2016 in Umlauf, um einen bizarren Missstand zu beheben. Die bislang größte Banknote – ebenjener 100-Peso-Schein mit dem Profil Eva Peróns – war am Anfang der Regierung Macri nur noch weniger als 7 Dollar wert. Präsidentin Cristina Kirchner hatte sich zum Entsetzen von Geldtransporteuren stets geweigert, Banknoten in höherer Notierung aufzulegen, weil dies die Entwertung des Peso belegt hätte, welche die Regierung permanent verleugnete. “Ich will jetzt heimgehen”, antwortete Kirchners einstiger Finanzminister einer griechischen Journalistin, die ihn nach der Inflationsrate gefragt hatte. Nun freilich ist der 500er mit der Wildkatze kaum noch mehr wert als Kirchners Heiligen-Schein mit Evita dereinst. Die Inflation bekam der marktfreundliche Milliardär Macri ebenso wenig in den Griff wie seine Vorgänger. Seitdem Präsident Eduardo Duhalde vor 17 Jahren das Ende der Anbindung des Peso an den US-Dollar bekannt gab, verzeichnete das Land 1 218 % Inflation und verschliss 13 Finanzminister.Nun wird die Zentralbank erneut die Notenwerte steigern, Behördenchef Pesce stellte Scheine im Wert von 2 000 und 5 000 Peso in Aussicht. Das entspräche nach aktuellem offiziellen Wechselkurs etwa dem Gegenwert von 33 beziehungsweise 83 Dollar. Weil jedoch seit August wieder Währungskontrollen gelten, kennt das Land erneut mehr unterschiedliche Dollarkurse als Notenwerte. Auf dem Schwarzmarkt, dem einzigen Tauschplatz, der allen Bürgern gewissermaßen offensteht, wären für einen 5000er heute nicht mehr als 65 Dollar zu bekommen. Doch wie viel der neue Großschein wert sein wird, wenn er in der zweiten Jahreshälfte erstmals ausgegeben wird, weiß heute niemand. Bis Ende März will die Regierung die Investoren überzeugen, den Schuldendienst des Landes für mehrere Jahre auszusetzen. Pesce sollte deshalb auch schon Designs für 10 000- und 50 000-Peso-Scheine in Auftrag geben, fordern nicht nur Zyniker.Tatsächlich hat Argentinien Grund genug für Debatten über Sinn und Wesen einer Währung, welche die Bürger so schnell wie möglich wieder ausgeben, was freilich weniger mit der Fauna auf den Scheinen zu tun hat als mit dem Habitat auf der Plaza de Mayo, wo sich Regierungspalast und Finanzministerium gegenüberstehen. Wenn Alberto Fernández und sein Notenbankchef nicht den Tierpark in den Staatsfinanzen ausmisten, werden ihnen die nationalen Helden und Heldinnen auf den Scheinen auch nicht helfen können.