Auf, auf zur nächsten Reform
Sie bezeichnen sich selber gerne als ewige Nörgler, als Pessimisten. Doch nun könnten zwei neue Rankings den Franzosen helfen, mit etwas mehr Zuversicht in die Zukunft zu blicken. So ist Frankreich zum einen in die Top 5 der bei Auslandsinvestoren beliebtesten Länder aufgerückt, welche die amerikanische Unternehmensberatung AT Kearney jedes Jahr veröffentlicht. Zum anderen gehört Paris in einem von der Nichtregierungsorganisation CDP erstellten Ranking der Städte, die weltweit die beste Klimapolitik haben, zu den Klassenbesten. Die sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo, die Diesel-Fahrzeugen den Kampf angesagt hat, dürfte sich darüber freuen, denn ihr Engagement für den Umweltschutz ist das wichtigste Argument, mit dem sie bei den Wahlen im nächsten Jahr für eine weitere Amtszeit antritt.Während die Tourismusindustrie die Auswirkungen der seit Mitte November anhaltenden Gelbwesten-Proteste zu spüren bekommt, scheinen die Gilets Jaunes ausländische Investoren nicht zu verschrecken. Das Vertrauen in die französische Wirtschaft sei seit der Wahl von Emmanuel Macron zum Präsidenten vor zwei Jahren stark gestiegen, urteilt die Unternehmensberatung AT Kearney. Die Gelbwesten schienen diesem Vertrauen nichts anzuhaben. Deshalb ist es der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone jetzt auch gelungen, China auf Platz 5 der bei Auslandsinvestoren beliebtesten Länder abzulösen. Allerdings dürfte auch der Handelskonflikt zwischen den USA und China nicht ganz unschuldig daran sein. Angeführt wird die Rangliste wie seit Jahren schon von den USA, gefolgt von Deutschland, Kanada und Großbritannien. *Sollte es Frankreich nun auch noch gelingen, seinen aufgeblähten Staatsapparat zu reformieren, dürfte das Land in der Gunst von Investoren weiter steigen. Allerdings ist nicht sicher, ob das wirklich gelingen wird. Immerhin zeigte sich Präsident Macron Ende April bei der Vorstellung der Maßnahmen, mit denen er auf die landesweite Debatte und auf die Gelbwesten-Proteste reagierte, bereits bereit, von seinem Wahlkampfversprechen abzurücken, während seiner Amtszeit 120 000 Beamtenstellen streichen zu wollen. Ähnlich äußerte sich nun auch Premierminister Edouard Philippe. Er habe kein Dogma, was die Zahl der Beamten angehe, sagte er dem “Figaro”. “Wir erhöhen sie da, wo es einen Bedarf gibt wie bei der Polizei oder den Armeen, und wir kürzen Stellen dort, wo sich die Bedürfnisse wie bei den Steuerbehörden ändern.” Er sei fest davon überzeugt, dass man den Staatsapparat reformieren und die Zahl der Beamten reduzieren, gleichzeitig aber die Qualität des öffentlichen Dienstes aufrechterhalten könne, so Philippe.Mit seinem Interview stimmte er die französische Bevölkerung auf die geplante Reform des öffentlichen Dienstes ein. Die Abgeordneten der Nationalversammlung beschäftigen sich seit dem gestrigen Montag mit dem Projekt, das bei der Opposition und Gewerkschaften auf Widerstand stößt. Während die Regierung Macrons einen reaktiveren öffentlichen Dienst verspricht, fürchten sie das Ende des Statuts der Beamten. Tatsächlich sieht die geplante Reform die Möglichkeit vor, im öffentlichen Dienst künftig mehr Mitarbeiter auf Vertragsbasis und nicht auf Lebenszeit zu beschäftigen. Die Auflösung eines Arbeitsvertrages im gegenseitigen Einvernehmen ist ebenfalls vorgesehen.Um die Bedenken der Opposition zu zerstreuen, ist jedoch auch eine sogenannte Präkaritätsprämie für befristete Verträge mit einer Dauer von weniger als einem Jahr vorgesehen, deren Gehälter das zweifache des Mindestlohns nicht übersteigen dürfen. Diese Prämie dürfte den Staat 400 Mill. Euro pro Jahr kosten. Die Regierungspartei fürchtet, dass die Europawahlen auf die Debatte abfärben werden, da sich die Oppositionsparteien so als Bewahrer der in Frankreich so zahlreichen Beamten zu positionieren versuchen dürften. Sie haben bereits mehr als 1 000 Änderungsanträge eingereicht. Letzten Donnerstag gab es bereits landesweite Protestmärsche gegen die Reform, an denen sich laut Innenministerium 109 000 Personen beteiligten, laut Gewerkschaften 250 000.