Auftragsbestand und Drittstaaten-Exporte liefern widersprüchliche Signale
Widersprüchliche Konjunktursignale
Auftragspolster der Industrie füllen sich – Weniger Exporte nach Übersee – Regierung will Prognose erhöhen
Wieder dickere Auftragspolster und eine längere Reichweite im Februar sind positive Signale für die deutsche Industrie. Dass der Handel mit Drittstaaten im März deutlich weniger schwungvoll verläuft, allerdings nicht. Die Bundesregierung jedenfalls will die Insidern zufolge die Wachstumsprognosen erhöhen.
ba Frankfurt
Für die deutsche Konjunktur bringen Indikatoren derzeit gemischte Signale: So hat die Industrie im Februar ihre Auftragspolster wieder aufgefüllt. Nachdem die Lieferketten wieder reibungsloser funktionieren, wurde in den drei Monaten zuvor der Auftragsbestand etwas abgearbeitet. Doch nun hat sich auch die Reichweite verlängert. Einen Dämpfer gab es allerdings vonseiten des Außenhandels, denn im März wurden weniger Waren „Made in Germany“ in die sogenannten Drittstaaten, also in die Staaten außerhalb der Europäischen Union, exportiert.
Die Bundesregierung will indes Insidern zufolge die Wachstumsprognosen erhöhen. So soll Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) für 2023 ein Wachstum von 0,4% erwarten, im Jahreswirtschaftsbericht von Januar waren es noch 0,2%. Dafür wird wohl die Voraussage für 2024 von 1,8 auf 1,6% gekappt, wie Reuters berichtet.

Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) ist der Auftragsbestand im verarbeitenden Gewerbe preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,5% gegenüber Januar gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat lag der Auftragsbestand kalenderbereinigt 0,9% höher. Die positive Entwicklung sei in den meisten Bereichen des verarbeitenden Gewerbes erkennbar, betonten die Wiesbadener Statistiker. Insbesondere das Plus von saison- und kalenderbereinigt 0,4% im sonstigen Fahrzeugbau habe für Schwung gesorgt. Unter diese Rubrik fallen unter anderem der Bau von Schiffen, Schienenfahrzeugen, Luft- und Raumfahrzeugen sowie die Herstellung von militärischen Kampffahrzeugen.
Deutlich zugelegt hat der Auftragsbestand aber auch in der Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen (1,9%) und in der Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen (0,7%). Während die offenen Aufträge aus dem Inland im Februar um 0,3% im Monatsvergleich zulegten, stieg der Bestand an unerledigten Aufträgen aus dem Ausland um 0,6%.
Die Reichweite des Auftragsbestands steigt im Februar auf 7,5 Monate – im Januar waren es noch 7,4 Monate. So lange müssten die Betriebe theoretisch bei gleichbleibendem Umsatz produzieren, um die bereits vorhandenen Aufträge abzuarbeiten. Und auch wenn sich die Materialengpässe langsam auflösen, was positiv für die Industrieproduktion ist: In einigen Schlüsselbranchen der deutschen Industrie hat ein grundlegender Abbau der Beschaffungshemmnisse bisher nicht stattgefunden, wie die entsprechende Ifo-Umfrage für März zeigt. Mehr als 60% der Firmen im Maschinenbau, in der Elektroindustrie und in der Automobilbranche klagen über Engpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten. „Hier hat sicherlich auch ein Gewöhnungseffekt eingesetzt“, sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. „Die Unternehmen haben gelernt, mit der andauernden Knappheit umzugehen.“ In der gesamten Industrie berichteten 41,6% der befragten Firmen von Problemen, nach 45,4% im Februar.
Wie Destatis ebenfalls am Donnerstag mitteilte, wurden im März kalender- und saisonbereinigt deutsche Waren im Wert von 59,3 Mrd. Euro in Staaten außerhalb der EU exportiert. Das sind 4,4% weniger als im Monat zuvor. Dass die Ausfuhren nach Übersee im Vergleich zum März 2022 wertmäßig um 8,1% zulegten, erklärten die Statistiker mit den gestiegenen Außenhandelspreisen. Denn mengenmäßig ergab sich ein Rückgang um 6,5%.
Wichtigster Handelspartner der deutschen Exporteure waren auch im März die Vereinigten Staaten. Dorthin wurden Waren im Wert von 14,7 Mrd. Euro verschickt, das sind 6,2% mehr als im Jahr zuvor. In die Volksrepublik China wurden Waren im Wert von 9,0 Mrd. Euro exportiert, das waren 13,8% weniger als im Vorjahresmonat. Die Ausfuhren in das Vereinigte Königreich stiegen im Vorjahresvergleich um 13,6% auf 7,4 Mrd. Euro. In die Russische Föderation wiederum legten die Exporte um 5,5% auf 1,1 Mrd. Euro zu. Damit lag Russland im März auf Rang 14 der wichtigsten Bestimmungsländer außerhalb der EU. Im Februar 2022, dem Monat vor dem Angriff auf die Ukraine, hatte Russland noch Rang 5 belegt. Der Handel mit Drittstaaten deckt knapp die Hälfte aller deutschen Exporte ab. Da er sich allerdings nicht immer parallel zum Handel mit den EU-Staaten entwickelt, gibt dieser Frühindikator zwar Hinweise auf die Gesamtergebnisse des Außenhandels, eine Prognose ist auf dieser Basis allerdings nicht möglich.