Industrie

Auftragsstau der Industrie wird immer kürzer

Im Mai ist das Auftragspolster der deutschen Industrie zum dritten Mal in Folge dünner geworden. Auch die Reichweite ist gesunken. Dies spricht für eine künftig rückläufige Produktion.

Auftragsstau der Industrie wird immer kürzer

Auftragsstau der Industrie wird kürzer

Drittes Minus in Folge – Reichweite sinkt – „Speckgürtel wird erneut enger“

ba Frankfurt

Der Auftragsbestand der deutschen Industrie schwindet immer weiter. Die sukzessiv nachlassenden Lieferkettenprobleme sorgen dafür, dass liegen gebliebene Bestellungen abgearbeitet werden – angesichts der schwächelnden Weltkonjunktur läuft der Bestellnachschub aber nur spärlich, wenn auch Sonderfaktoren im Mai für ein unerwartetes Plus gesorgt hatten. Wegen der jüngsten Stabilisierung der zuletzt kräftig schwankenden Auftragseingänge und steigender Umsätze deutet sich für das Bundeswirtschaftsministerium trotz des eingetrübten Geschäftsklimas im verarbeitenden Gewerbe „eine leichte, wenn auch verhaltene Ausweitung der Industrieproduktion im weiteren Verlauf an“. Bankvolkswirte sind allerdings weniger zuversichtlich und erwarten, dass neben dem schwachen Privatkonsum eine schwache Industrieproduktion drückt und die deutsche Wirtschaft im Gesamtjahr leicht schrumpft.

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Geringere Stütze für Produktion

Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) ist der Auftragsbestand im Mai preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,5% gefallen. Das war der dritte Rückgang in Folge. Im Vorjahresmonat war das Niveau kalenderbereinigt 3,3% höher. „Der Speckgürtel wird erneut enger“, kommentierte Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Die Gefahr nehme zu, dass weitere Produktion heruntergefahren werde. Krüger verweist sowohl auf die schwache Weltwirtschaft als auch auf Wettbewerbsnachteile durch hohe Energiekosten. Letztere wirken höher auf die Standortattraktivität in Deutschland und Europa für die Industrie als der Inflation Reduction Act (IRA) der USA, wie der Sachverständigenrat für Wirtschaft kürzlich in einem Policy Briefing darlegte. Auch wenn die Subventionen des 370 Mrd. Dollar schweren IRA für einzelne, zur Erreichung der Klimaziele relevante Industriezweige eine Investition in den USA attraktiver als eine in der EU machen, werde es nicht, wie oft befürchtet, zu einer massiven Abwanderung von Unternehmen in die USA kommen. Um aber die schon bestehenden Energiepreisunterschiede zwischen Europa und den USA zu verringern, sollten das Energieangebot und die Energieinfrastruktur ausgebaut werden, empfehlen die sogenannten Wirtschaftsweisen.

Minus in wichtigen Branchen

Den Rückgang des Auftragsbestands erklären die Wiesbadener Statistiker insbesondere mit der negativen Entwicklung im Bereich der Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen (–2,6%). Auch der gleichfalls gewichtige Maschinenbau habe mit einem Minus von 0,5% das Gesamtergebnis negativ beeinflusst. Im Bereich der Herstellung von Metallerzeugnissen ergab sich ein Plus von 2,1%. Die offenen Aufträge aus dem Inland stiegen dabei um 0,3% im Monatsvergleich. Der Bestand an Aufträgen aus dem Ausland fiel hingegen um 1,0% zurück.

Die dünner werdenden Auftragsbücher führen auch im Mai zu einer geringeren Reichweite, also der Zeit, die die Unternehmen bei gleichbleibendem Umsatz theoretisch produzieren müssten, um die bereits vorhandenen Aufträge abzuarbeiten. Destatis vermeldet eine Reichweite des Auftragsbestands von nun 7,2 Monaten, im April waren es noch 7,3 Monate und im März 7,4 Monate.

Dass Aufträge zwar schneller abgearbeitet werden könnten, im Moment aber zu wenige neu hereinkämen, konstatierte jüngst auch Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo-Umfragen, mit Blick auf die weitere Entspannung bei den Lieferkettenproblemen.

So berichteten im Juni 31,9% der befragten Firmen von Engpässen. Im Mai waren es noch 35,3%.

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