NOTIERT IN BERLIN

Ausgangssperre statt Sperrstunde in Berlin

Im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus haben gleich mehrere Bundesländer vor dem Wochenende das öffentliche Leben weiter eingeschränkt. Am weitesten gehen bislang der Freistaat Bayern und das Saarland. Dort traten am Samstag...

Ausgangssperre statt Sperrstunde in Berlin

Im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus haben gleich mehrere Bundesländer vor dem Wochenende das öffentliche Leben weiter eingeschränkt. Am weitesten gehen bislang der Freistaat Bayern und das Saarland. Dort traten am Samstag Ausgangsbeschränkungen in Kraft. Die Bürger dürfen ihre Wohnungen nur noch aus triftigen Gründen verlassen. Auch Länder wie Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Sachsen und Hamburg verschärfen ihren Kurs. Selbst Treffen kleinerer Gruppen sind vielerorts verboten, Restaurants werden für Gäste geschlossen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will am Sonntag mit den Vertretern der Bundesländer über die weiteren Schritte beraten. Auch eine bundesweite Ausgangssperre scheint nicht ausgeschlossen, sollten sich Teile der Bevölkerung weiterhin der Aufforderung zur “sozialen Distanzierung” entziehen, mit der die Pandemie eingedämmt werden soll. *Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller äußerte sich am Freitag noch zurückhaltend zur Frage einer Ausgangssperre wegen der Corona-Pandemie. “Die Ausgangssperre ist auch kein Allheilmittel”, sagt er im “Inforadio Berlin”. Sie sei ein weiterer Schritt, löse aber nicht jede Schwierigkeit. Das eigentliche Problem sei, dass jeder es selbst in der Hand habe. “Es gibt immer noch Menschen, die eng zusammenstehen, die feiern oder zu Corona-Parties einladen. Wir müssen alles tun, um so was zu unterbinden”, sagt der SPD-Politiker. Wenn nötig, werde der Berliner Senat härter durchgreifen. Vielleicht hofft Müller auch darauf, dass ihm die Entscheidung über weiter gehende Beschränkungen im Alltag der Berliner von der Bundesregierung abgenommen wird. Am Freitag versuchte sie eine bundesweite Ausgangssperre noch zu vermeiden, wie Regierungssprecher Steffen Seibert in der Bundespressekonferenz betonte. *In der Hauptstadt kennt man sich mit Einschränkungen der Bewegungsfreiheit aus historischen Gründen gut aus. Gerade deshalb ist auch mehr als dreißig Jahre nach dem Fall der Mauer der Widerstand gegen staatlich verfügte Ausgangssperren besonders hoch. Im Umgang mit Sperrstunden fehlt es Teilen Berlins wiederum seit mehr als 70 Jahren an Erfahrung. Auch dafür sind die Nachkriegsereignisse verantwortlich. Denn in der in vier Sektoren aufgeteilten Stadt führten die Sowjets 1945 eine Sperrstunde ab 21 Uhr für Lokale und Bars im Ostteil ein. Die Westalliierten zogen nach, worauf die Sowjets ihre Sperrstunde um eine Stunde verlängerten, um mehr Westberliner in den Osten zu locken. Für das Sperrstunden-Aus sorgte schließlich Heinz Zellermayer, ein West-Berliner Gastronom und spätere Hotel-Legende. Er marschierte im Juni 1949 mit einer Flasche Whiskey zum Berliner US-Stadtkommandanten, General Frank Howley, und überzeugte ihn so, die mittlerweile auf 24 Uhr verlängerte Sperrstunde im Westteil ganz abzuschaffen.