Goldkurs und Geldpolitik

Begehrliche Blicke auf den Goldspeicher der Bundesbank

Seit Jahren schüttet die Bundesbank keine Überschüsse mehr an den Bund aus. Ihre Reserven sind aufgebraucht, ihre Verluste hoch. Könnten Goldverkäufe bei den aktuellen Rekordpreisen den Fiskus stützen?

Begehrliche Blicke auf den Goldspeicher der Bundesbank

Begehrliche Blicke auf den Goldspeicher der Bundesbank

Wert der Edelmetallreserven steigt dramatisch – „Notgroschen“ und Vertrauenskapital für Krisen – Überweisungen an Bundeshaushalt auf Null

Von Stephan Lorz, Frankfurt

Die Begehrlichkeiten sind groß: Mit den rekordhohen Goldpreisen schoss auch der Wert der Goldbestände der Deutschen Bundesbank in die Höhe. Seit Anfang 1999 legte er um das 19-fache zu auf inzwischen rund 375 Mrd. Euro für die 3350 Tonnen in den Tresoren. Manche sehen darin eine gute Gelegenheit, um zumindest einen Teil zu verkaufen und es an den Bund zu überweisen, der es dann etwa für Infrastrukturinvestitionen hernehmen könnte. Statt zinslos im Geldspeicher herumzuliegen, würden das Wachstums- und Produktionspotenzial steigen, heißt es auf Kanälen in den sozialen Medien.

Das Thema kocht regelmäßig in wirtschaftlichen Krisenzeiten hoch – und scheint wegen des rekordhohen Goldkurses um so plausibler. Vor dem Hintergrund von Staatsschulden von aktuell schon 2,6 Bill. Euro, die durch die Kreditaufnahme für das „Sondervermögen“ noch weiter dramatisch ansteigen werden, und angesichts wachsender Zinslasten, wächst ohnehin der Druck auf die Bundesbank, hier etwas nachgiebiger zu sein.

Hohe Bilanzverluste

Denn seit 2020 hat sie keine Gewinne mehr an den Bund abgeführt wegen der Kursverluste der im Bestand befindlichen Staatsanleihen. Nach Meinung des IWF könnte es sogar bis 2032 dauern, bis die Bundesbank wieder Geld an den Staat überweist. Selbst dann könnte vom Fiskus aber nur ein Teil verwendet werden. Denn schüttet die Bundesbank mehr als 2,5 Mrd. Euro aus, fließt der überschießende Betrag regelgemäß direkt in das Sondervermögen „Investitions- und  Tilgungsfonds“ zum Abbau der Schulden aus der Finanzkrise/Eurokrise.

Druck der Politik

Grundsätzlich gibt es kein regulatorisches Hindernis, welches die Bundesbank an einem Goldverkauf hindern würde. Das Bilanzkapital sei nicht entscheidend für eine Zentralbank, argumentiert Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, „sondern das bei der Bevölkerung erworbene Vertrauenskapital“. Somit spreche zunächst nichts dagegen, dass die Bundesbank einen Teil ihrer Goldbestände verkaufe „und die Gewinne an den Finanzminister überweist“, sagte er der Börsen-Zeitung. Aber was dann folgt, könnte das Vertrauen erschüttern: „Die Politiker würden auf immer mehr Goldverkäufe drängen. Am Ende wäre eine neue große Geldquelle aufgetan, die den dringend notwendigen Zwang zum Priorisieren von Staatsausgaben weiter schwächt“.

Gold ohne Ratingfolgen

Relativ gelassen sieht Julian Zimmermann von der Ratingagentur Scope die Lage. Goldreserven könnten zwar durchaus Stabilitätsfaktor für Länderratings sein – vor allem in Krisenzeiten, schrieb er der Börsen-Zeitung. Doch sie hätten „keinen wesentlichen Einfluss auf das AAA-Rating des Landes“. Dieses hänge vielmehr von wirtschaftlichen und fiskalischen Fundamentaldaten ab. Zimmermann: „Die Goldreserven dienen als Vertrauensfaktor, aber nicht als entscheidender Rating-Faktor.“ Deutschland habe auch aufgrund seiner relativ geringen Verschuldung zahlreiche Optionen und einen exzellenten Kapitalmarktzugang, um die geplanten Investitionen zu finanzieren.

Der Kapitalmarktzugang wäre nach Ansicht des früheren Wirtschaftsweisen Peter Bofinger auch der einzig entscheidende Grund, um einen Teilverkauf der Goldreserven zu rechtfertigen. Dieser wäre „nur dann geboten, wenn der deutsche Staat Schwierigkeiten mit der Kapitalmarktfinanzierung hätte, was offensichtlich nicht der Fall ist“. Und angesichts möglicher weiterer Kurssteigerungen wegen der schwindenden Qualität von US-Staatsanleihen gebe es „keinen Grund, das Tafelsilber zu verkaufen“.

Für gefährlich hält der Chefvolkswirt der LBBW, Moritz Kraemer, solche Ideen. „Die Bundesbank ist nicht dazu da, dem defizitären Bundeshaushalt unter die Arme zu greifen“, mahnt er. „Monetäre Finanzierung der Regierungen tunlichst zu vermeiden, ist der wichtigste Grundpfeiler einer glaubwürdigen und operativ unabhängigen Zentralbank.“ Und selbst wenn sie das tue, müsse sie zunächst aus den roten Zahlen raus.

„Keine Nano-Sekunde“

Schon wiederholt hat auch Bundesbankchef Joachim Nagel deutlich gemacht, dass er einen Goldverkauf nicht einmal annähernd in Betracht zieht. „Gold ist der Vertrauensanker für die Bevölkerung.“ Und er setzte dazu: „Ich denke keine Nano-Sekunde darüber nach“.

Allerdings gibt es möglicherweise andere Beweggründe, welche die Bundesbank über ihr Reserveportfolio nachdenken lassen könnte: Kryptowerte. Warum mit dem Geld von Goldverkäufen keine Reserve in Bitcoin & Co. anlegen? Das hätte im Zuge der Emission eines „digitalen Euro“ auch einen gewissen Charme. Andere Notenbanken gehen mit diesem Thema offener um. Allerdings hätte das dann nur Einfluss auf die Bilanzstruktur. Der Fiskus ginge dabei leer aus.


Kommentar: Die Goldreserve als Währungsanker