Berlin modernisiert das Wettbewerbsrecht

Schnellerer Eingriff des Kartellamts - Neue Kategorie von Firmen mit "marktübergreifender Bedeutung"

Berlin modernisiert das Wettbewerbsrecht

fed Frankfurt – Die Bundesregierung aktualisiert das Wettbewerbsrecht, um auf die Herausforderungen der Plattformökonomie zu reagieren. Denn mit der zunehmenden Bedeutung von Daten als Wertschöpfungsfaktor lassen sich “Marktkonzentrations- und Monopolisierungstendenzen beobachten”, denen die Regierung durch erweiterte Befugnisse der Kartellbehörden gegensteuern will. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sprach gestern in Berlin von “einer umfassenden Modernisierung des Grundgesetzes der Sozialen Marktwirtschaft”. Zuvor hatte der in seinem Ministerium erarbeitete Gesetzesentwurf das Kabinett passiert. Das Gesetz muss nun noch von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden. Da es breite Unterstützung von Sozial- und Christdemokraten genießt, dürfte dies keine große Hürde sein.Zentrales Element des Gesetzes ist die Einführung einer neuen Kategorie von Konzernen, nämlich der “Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb”. Unter dieser Kategorie sind Internetriesen wie Google und Facebook sowie andere Plattformen mit monopolartiger Position zu verstehen. Das Bundeskartellamt wird befugt, diesen Unternehmen künftig bestimmte Verhaltensweisen untersagen zu können – etwa wenn ein Digitalriese auf seiner Plattform beim Ranking von Angeboten konzerneigene Firmen begünstigt.Für die neue Rechtskategorie der Unternehmen mit überragender Bedeutung gelten künftig auch strengere Vorgaben, was die Datenmitnahme der Nutzer angeht – die sogenannte Portabilität. Zudem soll es dem Bundeskartellamt grundsätzlich erleichtert werden, einstweilige Maßnahmen zu erlassen, damit es schneller eingreifen kann. Altmaier erklärte dazu: “Wenn ein Markt erst einmal verteilt ist, nützt es dem herausgedrängten Unternehmen nach Jahren nichts mehr, wenn ein Verstoß eines jetzt dominierenden Wettbewerbers festgestellt wird.”Änderungen sieht das Gesetz auch mit Blick auf die Bewertungsgrundlage der Behörden vor, ob ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung innehat oder nicht. In Zukunft soll seine Rolle als Vermittler (Intermediationsmacht) berücksichtigt werden. Das erleichtert die wettbewerbsrechtliche Überwachung der wachsenden Zahl von Plattformen, die eine dominierende Rolle zwischen Kunden und Anbietern spielen. So werden mittlerweile zum Beispiel mehr Essen über Plattformen gebucht, als online bei einzelnen Restaurants bestellt werden.Schließlich sieht das Gesetz vor, dass Kartellbehörden in Zukunft das Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens, das sich weigert, Wettbewerbern Zugang zu Daten zu gewähren, unter bestimmten Umständen als missbräuchlich einstufen dürfen.Es ist offensichtlich, dass das Gesetz die kartellrechtliche Aufsicht großer Marktteilnehmer verschärft. Zugleich sind Lockerungen bei kleinen und mittleren Unternehmen vorgesehen. Um dem Mittelstand beispielsweise Zusammenschlüsse mit anderen Firmen zu erleichtern, sollen Fusionen erst dann überprüft werden, wenn alle beteiligten Unternehmen in Deutschland mindestens 10 Mill. Euro umsetzen. Bisher lag die entsprechende Marke bei 5 Mill. Euro. Auch andere Bagatellschwellen werden angehoben. Nach Altmaiers Worten erspare dies unterm Strich den Unternehmen bei jedem vierten Fusionsvorhaben den Gang zum Kartellamt.