NOTIERT IN HAMBURG

Berliner Hängepartie - die schwierige Königssuche

Es soll Leute geben, die Grünkohl für eine Zierpflanze halten. Mit dieser Auskunft werden sie anderswo vielleicht nicht groß anecken. In weiten Teilen Norddeutschlands wird man ihnen jedoch möglicherweise mit einer gewissen Grobheit bescheinigen,...

Berliner Hängepartie - die schwierige Königssuche

Es soll Leute geben, die Grünkohl für eine Zierpflanze halten. Mit dieser Auskunft werden sie anderswo vielleicht nicht groß anecken. In weiten Teilen Norddeutschlands wird man ihnen jedoch möglicherweise mit einer gewissen Grobheit bescheinigen, von dem Kreuzblütengewächs, das im Mittelmeerraum schon Jahrhunderte vor Christi Geburt angebaut wurde, null Ahnung zu haben.Man muss nun hierzulande nicht zu denjenigen gehören, die auf das Wintergemüse mit dem herb-süßen Geschmack und der hohen Ballaststoffqualität schwören. Wer sich aber mit dieser Kohlart näher auseinandersetzt, der wird irgendwann zur Kenntnis nehmen, dass um sie herum in der Norddeutschen Tiefebene ein Kult gepflegt wird: das Grünkohlessen. *Dabei geht dem Mahl traditionell ein Ausflug durch die Natur voraus. Der nach der “Kohlfahrt” im Gasthof servierte Grünkohl wird in Bremen und Oldenburg gern mit Pinkelwurst, in Braunschweig mit Bregenwurst und in Hamburg mit Kasseler genossen. Höhepunkt des Grünkohlessens ist in vielen Gemeinden die Kür der Kohlmajestät. Zu den berühmteren Veranstaltungen dieser Art gehört seit mehr als 60 Jahren das “Defftig Ollnborger Gröönkohl-Äten”.Seit 1956 nutzen die Oldenburger das Mahl, um in Bonn und – seit 1998 – in Berlin in der niedersächsischen Landesvertretung Stimmung zu machen und prominente Fürsprecher für große Projekte in ihrer Region zu gewinnen. Die Erfolgsbilanz ist durchwachsen, wie sich vernehmen lässt. Doch die Riege der Kohlköniginnen und Kohlkönige kann sich sehen lassen: Bundestagspräsidenten, Bundesminister und Parteivorsitzende zieren die Liste. Helmut Schmidt (1978) und Helmut Kohl (1984) ließen sich als Bundeskanzler inthronisieren, Gerhard Schröder (1992) und Angela Merkel (2001) kamen zu Ehren, noch bevor sie ihre Kanzlerschaft antraten. Nur zweimal fiel die Wahl aus: 1962 wegen der Hochwasserkatastrophe und 1991 wegen des Golfkriegs. *Nun sah es so aus, als ob es 2018 vielleicht wieder keinen neuen Regenten geben könnte. Vor Weihnachten vermeldete die in Oldenburg erscheinende “Nordwest-Zeitung”, der Termin für das 61. Kohl-Äten stehe noch aus. In früheren Jahren habe sich das Kohlvolk an der Hunte den Termin schon im November in den Kalender eintragen können. Oft habe dann auch schon festgestanden, wer denn die nächste Kohlmajestät wird.Schuld an der Verzögerung sei die späte Regierungsbildung in Hannover nach der Landtagswahl im Oktober, aber auch die Hängepartie in Berlin bei der Bildung der neuen Bundesregierung. Doch kurz vor den Sondierungen für eine weitere Groko scheint festzustehen, wer die seit März 2017 amtierende Kohlkönigin Andrea Nahles beerben wird. Unbestätigten Informationen zufolge soll Niedersachsens Ex-Ministerpräsident David McAllister am 26. Februar gekrönt werden.