Börsianer hoffen auf Zinssenkungen

ZEW-Konjunkturerwartungen weiter im Aufwärtstrend

Finanzmarktexperten setzen auf eine baldige Zinssenkung und blicken etwas zuversichtlicher auf die deutsche Konjunktur. Ökonomen bleiben zurückhaltender – und haben einen wichtigen Grund dafür.

ZEW-Konjunkturerwartungen weiter im Aufwärtstrend

Börsianer hoffen auf Zinssenkung

ZEW-Konjunkturerwartungen legen den fünften Monat in Folge zu – Größere Zuversicht für den Bau

Finanzmarktexperten setzen auf eine baldige Zinssenkung und blicken daher zum Jahresende hin etwas zuversichtlicher auf die deutsche Konjunktur. Auch die aktuelle Lage schätzen sie positiver ein. Ökonomen bleiben allerdings zurückhaltend – nicht zuletzt wegen der ungelösten Haushaltskrise.

ba Frankfurt

Die Hoffnungen auf bald sinkende Leitzinsen haben die Konjunkturzuversicht der Börsianer im Dezember leicht erhöht – obwohl die Haushaltsstreitigkeiten in Berlin weiter ungelöst sind. Die ZEW-Konjunkturerwartungen sind den fünften Monat in Folge gestiegen, und zwar um 3,0 auf 12,8 Punkte. Damit liegt das Barometer für die Einschätzung der Konjunktur im nächsten halben Jahr auf dem höchsten Stand seit März dieses Jahres. Ökonomen, die mit einem Rückgang auf 8,8 Punkte gerechnet hatten, bleiben allerdings vorsichtig: Es handele sich eher um ein Signal, dass die Talsohle erreicht ist, nicht aber um die Aussicht auf eine kräftige Belebung.

Lageindex stabilisiert sich

"Trotz der aktuellen Haushaltskrise sind die Lageeinschätzung und die Konjunkturerwartungen für Deutschland erneut leicht gestiegen", kommentierte ZEW-Präsident Achim Wambach das Ergebnis der monatlichen Umfrage unter 161 Analysten und Anlegern. Das Barometer, das die Einschätzung der aktuellen Lage misst, ist im Dezember um 2,7 auf −77,1 Punkte geklettert. Zu dem Anstieg der beiden Indikatoren hat Wambach zufolge auch die Tatsache beigetragen, dass sich der Anteil der Befragten, die von der Europäischen Zentralbank (EZB) mittelfristig eine Zinssenkung erwarten, verdoppelt habe. "Das wiederum sind gute Nachrichten für die deutsche Baubranche, für die wir in diesem Monat deutlich optimistischere Erwartungen beobachten", sagte Wambach.

Größere Zuversicht für die Baubranche

Die Baubranche leidet seit längerem darunter, dass die Leitzinserhöhungen die Finanzierungskonditionen verschärft haben. Viele Bauprojekte rechnen sich daher nicht mehr. Derzeit klagt laut einer Ifo-Umfrage fast jede zweite Baufirma über Auftragsmangel, mehr als jede fünfte über Stornierungen und mehr als jede zehnte über Finanzierungsprobleme. Das Ifo-Geschäftsklima für die Baubranche ist momentan so schlecht wie noch nie. In der Umfrage des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) stieg das Barometer für die Bauwirtschaft um 9,2 auf −55,3 Punkte. Ähnlich hohe Zuwächse gab es auch für die Bereiche Telekomunikation und Elektro. Deutlich weniger zuversichtlich als im November fielen die Erwartungen für die Bereiche Banken, Fahrzeuge und Chemie/Pharma aus.

Für den LBBW-Experten Elmar Völker "unterstreicht der ZEW-Indikator, dass die deutsche Wirtschaft wohl ihre Talsohle im Winter erreicht hat". Ungeachtet des anhaltenden Trends nach oben seien die sich andeutenden Auftriebskräfte aber noch immer sehr schwach und fragil. Dass die Lageeinschätzung weiter tief im Keller stecke, drücke "ein hohes Maß an kurzfristigem ökonomischem Pessimismus" aus. Ökonomen erwarten, dass die deutsche Wirtschaft nach den –0,1% im Sommer auch im Schlussabschnitt schrumpft. Damit wäre die Definition einer technischen Rezession – zwei Minus-Quartale in Folge – erfüllt. Sorgen bereitet derzeit die Haushaltskrise, wodurch staatliche Investitionen sowie geplante Hilfen für Haushalte und Unternehmen kleiner ausfallen oder ganz entfallen könnten.

"Für das kommende Jahr lautet die Botschaft der ZEW-Konjunkturerwartungen: Für die Wirtschaft stehen etwas bessere Zeiten an", lautet der Ausblick von Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Doch zuvor erwartet auch er trotz der Stabilisierungstendenzen wichtiger Konjunkturvorlaufindikatoren wie etwa dem Ifo-Geschäftsklimaindex oder dem Einkaufsmanagerindex einen Dämpfer im Schlussquartal. Zwar seien die Löhne zuletzt kräftig gestiegen und die Inflationsraten weiter gefallen, was grundsätzlich für einen steigenden privaten Konsum spreche. "Doch es ist zu befürchten, dass die privaten Haushalte zunächst ihre Ersparnisse erhöhen werden." Und auch die Industrieproduktion könnte das Wachstum im vierten Quartal erneut bremsen. Stabilisierungszeichen kamen auch von den harten Daten: Jüngst scheine zumindest der zweijährige Abwärtskurs bei den Auftragseingängen sein Ende gefunden zu haben. Zudem erodiere das Verbrauchervertrauen nicht weiter. Den etwas besseren Konjunkturausblick führt Gitzel zu wesentlichen Teilen auf die niedrigeren Energiepreise und auch den merklichen Rückgang der Inflationsraten zurück.

Für den Euroraum ergab die ZEW-Umfrage erneut ein gemischtes Bild: Während der Lageindikator um 0,9 auf −62,7 Punkte fiel, kletterte das Erwartungsbarometer um 9,2 auf 23,0 Zähler.

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