Börsianer sehen Talsohle bei der Konjunktur erreicht

"Die Talsohle ist erreicht", schließt das ZEW aus seiner monatlichen Stimmungsumfrage unter Börsianern. Tatsächlich steigt aber nur der Optimismus für die konjunkturelle Entwicklung der kommenden Monate.

Börsianer sehen Talsohle bei der Konjunktur erreicht

Börsianer sehen Talsohle erreicht

ZEW-Konjunkturerwartungen steigen unerwartet kräftig – Aktuelle Lage wird aber skeptischer bewertet

ba Frankfurt

Finanzmarktexperten zeigen sich trotz der neuen Risiken durch den Israel-Konflikt im Oktober wieder etwas optimistischer für die weitere konjunkturelle Entwicklung in Deutschland, aber auch im Euroraum. Die aktuelle Lage allerdings ruft erneut etwas mehr Skepsis hervor. Ökonomen erwarten daher, dass die deutsche Wirtschaft nicht nur im dritten, sondern auch im vierten Quartal schrumpfen wird. Damit wäre die Definition einer technischen Rezession erfüllt – wie bereits im Winterhalbjahr 2022/2023.

Unerwartet kräftiges Plus

Die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland kletterten im Oktober unerwartet stark um 10,3 auf −1,1 Punkte. Ökonomen hatten zwar den dritten Anstieg in Folge erwartet. Im Schnitt hatten sie jedoch einen neuen Stand von −9,3 Zählern auf dem Zettel. Die gegenwärtige konjunkturelle Lage allerdings wurde von den 164 befragten Analysten und institutionellen Anlegern noch pessimistischer als im September bewertet. Das entsprechende Barometer gab um 0,5 auf minus 79,9 Zähler nach.

Inflation kommt voran

"Die Talsohle ist erreicht", betonte Achim Wambach, Präsident des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. "Negative Faktoren wie der Israel-Konflikt – den vereinzelte Befragte als Grund für ihre nach unten revidierte Wachstumsprognose angaben – hatten hingegen keinen starken Einfluss auf den insgesamt optimistischeren Ausblick." Die gestiegenen Konjunkturaussichten gingen einher mit der Erwartung weiter sinkender Inflationsraten sowie der Tatsache, dass mittlerweile mehr als drei Viertel der Befragten von stabilen kurzfristigen Zinsen im Euroraum ausgehen.

"Es kann nicht schlechter werden"

Der Erwartungsanstieg fällt für Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank in die Rubrik „Es kann nicht schlechter werden“. Ihrer Schockstarre sei die Stimmung aber nicht entkommen und vor allem die Lagebeurteilung zeige, wie schlecht es um den Standort steht. "Hier ist der Dauerpessimismus derart kräftig, dass er nur schwer zu vertreiben ist." Neben der schwachen Weltwirtschaft würden vor allem hausgemachte Probleme belasten, so dass die Wirtschaft fest in der Rezessionsspur sitze. Die Wachstumserwartungen der Bundesregierung hält Krüger für überzogen: Zwar wurde in der Herbstprognose die Voraussage für dieses Jahr gekappt, doch dann wird wieder eine Rückkehr auf den Wachstumskurs erwartet. Für 2023 wird ein Schrumpfen des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,4% avisiert, nachdem die Voraussage zuvor bei 0,4% gelegen hatte. Für die kommenden beiden Jahre werden Wachstumsraten des BIP von 1,3% und 1,5% prognostiziert.

Andere Ökonomen zeigten sich etwas zuversichtlicher. "Ein mögliches Erreichen des Zinsgipfels im Euroraum nährt nun die Hoffnung auf ein Ende der wirtschaftlichen Schwächephase zum Jahreswechsel", kommentierte etwa Christoph Swonke, Konjunkturanalyst bei der DZ Bank. Dass der Lageindikator "immerhin" nur marginal im Monatsvergleich gefallen ist, sei kein Wunder, urteilt Swonke mit Blick auf die neuesten harten Daten. Denn die Einzelhandelsumsätze sind zuletzt gesunken, ebenso wie die Exporte, und auch die Industrieproduktion schwächelt. Noch schlimmer aber, so mahnt Swonke, sehe es bei den Baugenehmigungen aus, die sich im Sinkflug befinden.

Lage besser, als Frühindikatoren zeigen

Jörg Angelé, Senior Economist bei Bantleon, findet den Erwartungsanstieg "insofern bemerkenswert, als die wirtschaftliche Lage zurzeit deutlich besser ist als von zahlreichen Frühindikatoren wie Einkaufsmanager- und Ifo-Index angezeigt". Auch wenn das BIP seit dem dritten Quartal 2022 um 0,5% geschrumpft sei, könne von einer schweren Rezession aber keine Rede sein.

Helaba-Ökonom Ralf Umlauf hält es für bemerkenswert, dass die Aussichten besser bewertet werden – "obwohl mit der Eskalation der Gewalt im Nahen Osten ein nicht unwesentlicher Risikofaktor hinzugekommen ist". "Noch halten sich die Ölpreisanstiege aber in Grenzen, so dass die konjunkturellen Belastungen moderat sind", betonte Umlauf.

Ähnliches Bild im Euroraum

Der Blick auf die Euro-Wirtschaft sieht ähnlich wie der auf die deutsche aus: Die ZEW-Konjunkturerwartungen legten hier um 11,2 Punkte zu und überschritten damit die Nulllinie – der neue Wert sind 2,3 Zähler. Die aktuelle Lage wurde jedoch erheblich schwächer eingeschätzt – das entsprechende Barometer gab um 9,8 auf −52,4 Punkte nach.

"Die Talsohle ist erreicht", schließt das ZEW aus seiner monatlichen Stimmungsumfrage unter Börsianern. Tatsächlich steigt im Oktober aber nur der Optimismus für die konjunkturelle Entwicklung der kommenden Monate, wenn auch unerwartet kräftig. Die aktuelle Lage aber wird erneut schwächer eingeschätzt.

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