Brexit-Befürworter stützen Johnson
Boris Johnson hält weiter daran fest, dass ein Deal mit der EU möglich sei. Die Hälfte der Wähler seiner Partei würde es allerdings begrüßen, wenn er das Land am 31. Oktober mit oder ohne Übereinkunft aus der EU führen würde. Im Parlament kam es zu für britische Verhältnisse ungeheuerlichen Szenen.hip London – Der britische Premierminister Boris Johnson hat erneut betont, es gebe einen Weg, um eine Übereinkunft mit der Europäischen Union zu erzielen. Er wolle das Land nur dann ohne Deal aus dem Handelsblock führen, wenn es “absolut notwendig” sei, sagte er am Rande von Verhandlungen mit Arlene Foster, der Chefin der nordirischen Unionisten, auf deren Stimmen im Unterhaus seine Regierung angewiesen ist. Ihre Partei stellte erneut klar, dass sie für keine Übereinkunft zu haben sei, die zu unterschiedlichen wirtschaftlichen Bedingungen in Nordirland und dem Rest Großbritanniens führe.Johnson hat bei seinen Wählern trotz peinlicher Abstimmungsniederlagen im Unterhaus nicht an Unterstützung verloren. Eine Mehrheit (52 %) derjenigen, die beim EU-Referendum 2016 für den Austritt aus dem Handelsblock gestimmt haben, würde es begrüßen, wenn sich Johnson über ein Gesetz hinwegsetzen würde, das ihn dazu zwingen soll, von der EU eine Verlängerung über den 31. Oktober hinaus zu erbitten. Wie der Marktforscher Yougov ermittelte, waren auch 50 % der Wähler der Tories dieser Ansicht. “Ich werde um keinen weiteren Aufschub bitten”, hatte Johnson im Parlament gesagt, bevor er die Abgeordneten in eine fünfwöchige Zwangspause schickte. Die Öffentlichkeit habe genug von den “reizenden Disputationen” der Politiker, die das Ansehen des Parlaments durch ihr Verhalten untergraben hätten. Oppositionsführer Jeremy Corbyn forderte ihn auf, sich an das geltende Recht zu halten. “Das Parlament ist keine Plattform für die Spielchen des Premierministers”, sagte der Labour-Chef: “Es ist eine Kammer, in der die Vertreter der Bevölkerung die Exekutive zur Rechenschaft ziehen.” “Zum Schweigen gebracht”Neuwahlen lehnte das Unterhaus erneut ab. 293 Abgeordnete stimmten dafür. Eine Zweidrittelmehrheit von 434 wäre nötig gewesen. Zu Beginn der Zeremonie, die der “Prorogation” vorangeht – einem altertümlichen Instrument zur vorzeitigen Beendung der Sitzungsperiode durch ein Machtwort der Queen – spielten sich im Unterhaus chaotische Szenen ab. Der Labour-Abgeordnete Lloyd Russell-Moyle hielt sich an Speaker John Bercow fest, als dieser die Abgeordneten ins House of Lords führen sollte. Bercow selbst erklärte, es handele sich um keine “normale” Prorogation, sondern um die längste seit Jahrzehnten. Einzelne Abgeordnete hielten Schilder mit “Zum Schweigen gebracht” hoch. “Schämt Euch!”-Sprechchöre richteten sich gegen die Regierung. Im Oberhaus blieben die Abgeordneten von Labour und Liberaldemokraten der Zeremonie fern. Während sie lief, stimmten die schottischen Nationalisten im Unterhaus “Scots Wha Hae” an, ihre Alternative zur britischen Nationalhymne. Labour-Abgeordnete brachten “Die rote Fahne” zu Gehör. Bercow wurde bei seiner Rückkehr aus dem Oberhaus mit Applaus begrüßt. Medienberichten zufolge will die Regierung verhindern, dass er nach dem Ende seiner Amtszeit wie seine Vorgänger automatisch ins Oberhaus aufrückt.Indem er das Datum seines Rücktritts auf den 31. Oktober legte, stellte Bercow sicher, dass sein Nachfolger noch vom derzeitigen Parlament bestimmt wird. Die Labour-Abgeordnete Harriet Harman, die auch als “Mother of the House” fungiert, kündigte ihre Kandidatur bereits an.