Makroökonomische Ungleichgewichte

Brüssel ist mit Berlin zufrieden

Jahrelang kritisierte die EU-Kommission den hohen Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands. Nun lobt sie die Ankündigung von Infrastruktur-Sondervermögen und Rüstungsausgaben.

Brüssel ist mit Berlin zufrieden

Brüssel ist mit Berlin zufrieden

EU-Kommission stuft Deutschland als Land „ohne Ungleichgewichte“ ein

fed Frankfurt

Deutschland erhält erstmals seit vielen Jahren bei der makröokonomischen Beurteilung durch die EU-Kommission mehr Lob als Tadel. Die größte Volkswirtschaft wird im Rahmen der Überprüfung (das sogenannte europäische Semester) als Land mit „keinen Ungleichgewichten“ kategorisiert. Die EU-Behörde begründet ihr Urteil damit, dass „die Anfälligkeiten im Zusammenhang mit dem großen Leistungsbilanzüberschuss im Laufe der Jahre zurückgegangen sind.“ Zudem habe die Bundesregierung in jüngster Zeit „erhebliche Fortschritte“ angekündigt. Damit spielt die EU-Kommission auf die Ankündigungen der schwarz-roten Bundesregierung für ein 500 Mrd. Euro schweres Sondervermögens Infrastruktur und eine deutliche Steigerung der Ausgaben für Rüstung an.

EU-Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis erklärte bei der Vorstellung der „Frühlingspakets“: Die Prioritäten lassen sich in zwei Worten zusammenfassen: Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit." Diese Fokussierung bringe die Europäische Union zu den Grundlagen des europäischen Projekts zurück, nämlich Frieden und Wohlstand. „Der Schwerpunkt des Europäischen Semesters liegt nach wie vor auf finanzieller Nachhaltigkeit und makroökonomischer Stabilität“, erläuterte der lettische EU-Kommissar. Zugleich gehe es aber auch darum, die Bemühungen um Wettbewerbsfähigkeit, Sicherheit, Resilienz und nachhaltigem Wohlstand wirksamer zu koordinieren.

Defizitverfahren gegen Österreich

Das aktuelle Paket unterstreiche die Flexibilität des überarbeiteten Rahmens. Im März hatte die EU-Kommission Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, die Ausgaben für Verteidigung stärker zu steigern als eigentlich vom Stabilitätspakt erlaubt, indem sie eine nationale Ausweichklausel aktivieren. Das haben Deutschland und 15 andere EU-Länder nun tatsächlich getan, nicht aber die ohnehin finanziell klammen und bereits hochverschuldeten Länder Frankreich und Italien. Was deren laufende Defizitverfahren angeht, sieht die EU-Behörde aktuell keinen Handlungsbedarf im Sinne einer Verschärfung.

Hingegen will die EU-Behörde nun ein neues Defizitverfahren gegen Österreich eröffnen. Die Neuverschuldung des Landes lag im vergangenen Jahr bei 4,7% der Wirtschaftskraft, das heißt deutlich oberhalb der Marke von 3%. Für dieses und das nächste Jahr werden zwar leichte Rückgänge erwartet. Trotzdem dürfte die Defizitquote weiterhin über 4% bleiben.

Parallel zum Frühjahrspaket gab die EU-Kommission bekannt, dass sie nun die ersten Projekte zur strategischen Förderung von Rohstoffvorkommen ausgewählt haben, die beitragen sollen, den Bedarf europäischer Firmen an seltenen Erden teilweise zu decken. Die ausgewählten Vorhaben befinden sich unter anderem in Kanada, Grönland, Kasachstan, Norwegen, Serbien, der Ukraine und Sambia sowie Malawi.

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