Streit über Zinskurs

Bundeskanzler Scholz gibt EZB Rückendeckung

Wegen der zu hohen Inflation hat die EZB ihre Leitzinsen erhöht wie nie zuvor. Vor allem in Italien und andernorts wird das scharf kritisiert. Kanzler Olaf Scholz dagegen stellt sich hinter die EZB.

Bundeskanzler Scholz gibt EZB Rückendeckung

Bundeskanzler Scholz gibt EZB Rückendeckung

"Sehr einverstanden mit den Entscheidungen" – Volkswirte spekulieren über Zeitpunkt einer ersten Zinssenkung

ms Frankfurt

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich hinter die restriktive Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) gestellt. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis betonte Scholz laut der Nachrichtenagentur Dow Jones am Dienstag, dass die Bekämpfung der Inflation eine der wichtigsten Aufgaben sei, die die Zentralbank für die gemeinsame Währung habe. Derweil gehen die Spekulationen über baldige Zinssenkungen weiter – auch wenn EZB-Granden entsprechende Diskussionen als völlig verfrüht abkanzeln.

Die EZB hat im Kampf gegen die zeitweise bis auf 10,6% geschnellte Inflation ihre Leitzinsen so aggressiv erhöht wie nie – um insgesamt 450 Basispunkte zwischen Juli 2022 und September 2023. Vor allem in Italien, aber auch in anderen Ländern besonders im Süden der Währungsunion, wird das zunehmend kritisch gesehen – zumal die Inflation deutlich auf 2,9% zurückgegangen ist und der Wirtschaft eine Rezession droht. Im Oktober hatte der EZB-Rat erstmals seine Leitzinsen unverändert gelassen. Er betonte aber, noch länger am erreichten höheren Zinsniveau festhalten zu wollen.

Auch Regierung gefordert

Mit Blick auf die hohe Inflation sowie die Reaktion der EZB sagte Scholz nun. „Das ist etwas, was die Bürgerinnen und Bürger und Unternehmer herausfordert. Deshalb bin ich auch sehr einverstanden mit den Entscheidungen, die die EZB in dieser Sache getroffen hat“, sagte Scholz. Aber auch die Regierung habe diese Aufgabe. Die EZB mahnt immer wieder, dass eine zu expansive Fiskalpolitik im Euroraum die Inflation befeuern und die EZB-Politik konterkarieren könnte.

Unterdessen spekulieren Volkswirte und Marktteilnehmer weiter über den Zeitpunkt einer ersten Zinssenkung. In einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters gingen rund 55% der befragten Ökonomen – 40 von 72 Teilnehmern – davon aus, dass die Schlüsselzinsen bis Mitte nächsten Jahres auf dem aktuellen Niveau bleiben werden. Die verbleibenden 45% erwarteten dagegen bereits vor der Juli-Zinssitzung der EZB einen ersten Schritt nach unten. In der Oktober-Umfrage hatten noch 58% der Experten damit gerechnet, dass die Währungshüter nicht vor dem Juli an den Zinsen rütteln.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte erst am Freitag auf einer Veranstaltung gesagt, dass die Notenbank inzwischen ein ausreichend hohes Zinsniveau erreicht habe, das, wenn es lange genug beibehalten werde, die Notenbank zu ihrem mittelfristigen Inflationsziel von 2,0% zurückbringen werde. Es sei „in den nächsten paar Quartalen“ voraussichtlich keine Änderung zu erwarten, hatte sie gesagt. Damit dämpfte sie auch Markterwartungen an rasche Zinssenkungen. Vor allem die Hardliner („Falken“) im EZB-Rat hatten dagegen zuletzt zudem argumentiert, dass der Höhepunkt im aktuellen Zinszyklus noch gar nicht erreicht sein müsse. Zu diesen Vertretern gehört auch Bundesbankpräsident Joachim Nagel. EZB-Vizepräsident Luis de Guindos hatte am Montag gesagt, dass die Inflation trotz der straffen Zinspolitik in den kommenden Monaten zeitweilig erneut wieder zulegen könnte. Grund seien etwa Basiseffekte bei den Energiepreisen. Als weiteres Risiko gilt auch die Gewalteskalation in Gaza – weil das die Ölpreise erneut anheizen könnte.

Trotzdem erwarten etwa auch die Ökonomen von Oxford Economics eine baldige Zinswende der EZB. „In der Eurozone steht die Wirtschaft kurz vor einer Rezession, und die Gesamtinflation wird voraussichtlich gegen Mitte 2024 auf 2% zurückgehen. Wir gehen davon aus, dass die EZB in etwa sechs Monaten einen raschen Lockerungszyklus einleiten wird“, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Analyse.

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