Inflation

Chinas anämische Verbraucherpreise schüren Deflationssorgen

Chinas latente Konjunkturschwäche wird von einer Nullinflation bei den Verbraucherpreisen sichtbar gemacht. Eine rasche Besserung ist nicht in Sicht.

Chinas anämische Verbraucherpreise schüren Deflationssorgen

China wird mit ungewohnten Deflationssorgen konfrontiert

Nullinflation bei Konsumgütern – Erzeugerpreise rutschen weiter ab – Regierung berät Stimulierungspotenzial

nh Schanghai

Chinas schwächelnde Konjunkturverfassung wird von einer ungewohnt geringen Inflationsentwicklung hervorgehoben. Im Juni traten die Konsumpreise tatsächlich auf der Stelle, nachdem man bereits im April und Mai nur noch Anstiegsraten um 0,1% und 0,2% verzeichnet hatte. Trotz einer Belebung des chinesischen Konsums nach der Aufgabe von Corona-Restriktionen hat sich die Teuerungsrate von 2,1% im Januar sukzessive weiter verringert. Auch bei den Erzeugerpreisen geht die Reise weiter nach unten. Im Juni ging der Index um 5,4% zurück. Im Mai hatte man ein Minus von 4,6% verzeichnet.

Bislang waren die Experten davon ausgegangen, dass die Verbraucherpreisentwicklung keine weiteren Tiefen mehr ausloten und in der zweiten Jahreshälfte wieder deutlicher anziehen werde. Mit den neuen Daten wachsen nun allerdings Sorgen, dass bei einem weiteren Schwungverlust der Wirtschaft und verschärftem Druck bei den Erzeugerpreisen eine sogenannte Deflationsspirale losgetreten werden könnte, die eine nachhaltige Erholung der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft zunehmend kompromittiert.

Während die Prognosen bislang darauf hinausliefen, dass Chinas Konsumpreise ab Juli wieder anziehen werden und für das Gesamtjahr die Verbraucherpreisinflation bei etwa 1% liegen dürfte, kommen nun neue Szenarien auf. Analysten bei Nomura etwa rechnen damit, dass Chinas Verbraucherpreise im Juli um 0,5% gegenüber Vorjahresmonat absinken könnten und sich auch danach lethargisch verhalten werden. Dies führt zu einer Prognose für eine Jahresinflationsrate von nur 0,3%. Damit bleibt man hinter der Inflationszielmarke der Regierung bei 3% immer deutlicher zurück. Diese wurde auch im vergangenen Jahr mit einem Konsumpreisanstieg von 2,1% unterzeichnet.

Auch wenn keine ernsthafte Deflation der Verbraucherpreise anstehen sollte, gibt die anämische Inflationsentwicklung Anlass zur Vermutung, dass sich die Konjunktur im zurückliegenden Monat weiter abgekühlt hat. Zuletzt hatten Einkaufsmanagerdaten für den Industriesektor Anzeichen dafür geliefert, dass, dass Chinas postpandemischer Konjunkturauftrieb bereits wieder zu verpuffen beginnt anstatt in eine nachhaltige Erholungsphase überzugehen.

Zwar lassen die für kommenden Montag avisierten Daten zum Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal einen sehr kräftigen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts nahe bei 7% erwarten, doch ist dies wegen massiver statistischer Basiseffekte keine Ruhekissen. Es erfolgt nämlich ein Vergleich mit dem Frühjahr 2022, als die chinesische Wirtschaft vom harten Lockdown in Schanghai und anderen Großstädten stark zurückgeworfen wurde und das BIP-Wachstum auf 0,4% verkümmerte.

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Analysten sehen die Preisdaten als weiteren Beleg für eine ungenügende Binnennachfrage. So sieht man auch nach dem Ausstieg aus Corona-Restriktionen eine manifeste Zurückhaltung der Verbraucher bei größeren Anschaffungen, die Unternehmen beispielsweise im Automobilsektor zu Preisnachlässen zwingt. Dafür spricht eine weitere Erosion der Kerninflationsrate, die sich im Juni von 0,6% auf 0,4% ermäßigte.

Die Blicke richten sich nun auf die im Juli geplante wirtschaftspolitische Klausursitzung des chinesischen Politbüros, bei der die Bereitschaft zu konjunkturellen Stimuli nun erst recht im Zentrum stehen dürfte. Allerdings steht man vor der Schwierigkeit, dass die Verschuldungslage auf Lokalregierungsebene die gewohnten Investitionsschübe durch öffentliche Infrastrukturprojekte erschwert. Der tatsächliche Spielraum für Zinssenkungsmaßnahmen der Zentralbank wiederum wird durch die zuletzt prononcierte Schwäche des chinesischen Yuan am Devisenmarkt begrenzt.

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