Das neue Europa-Quartett
cd/fed/jw – Der EU-Rat hat sich auf vier EU-Spitzenpersonalien geeinigt – jetzt kommt es auf das EU-Parlament an, ob es die neue EU-Kommissionspräsidentin akzeptiert und damit die Voraussetzungen schafft, dass das komplette Personaltableau in die Wirklichkeit umgesetzt wird.Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, soll Mario Draghi an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) nachfolgen. Die 63-Jährige ist in der Finanzwelt hoch angesehen. Kritiker bemängeln allerdings ihre mangelnde geldpolitische Erfahrung. Lagarde wäre die erste Nicht-Notenbankerin an der Spitze der EZB. Die Französin leitet bereits seit 2011 als erste Frau an der Spitze den Internationalen Währungsfonds. Sie gilt als gut vernetzte, geschickte Verhandlerin. Vor ihrer Laufbahn beim IWF hatte sie sich als Anwältin bei der Kanzlei Baker & McKenzie und später als französische Finanzministerin einen Namen gemacht. Den juristischen Hintergrund teilt sie sich mit dem Vorsitzenden der Federal Reserve, Jerome Powell. Das würde bedeuten, dass die beiden größten Währungsräume der Welt bald von ehemaligen Anwälten geführt werden könnten. In einer Zeit, in der die EU und die EZB häufig nicht genug von den Bürgern verstanden werden, könnten Lagardes Fähigkeiten dazu beitragen, das Image der Zentralbanker wieder aufzupolieren. Es würde aber auch bedeuten, dass sie sich stärker als Draghi auf die Fähigkeit der EZB-Ökonomen verlassen muss, einfallsreiche Lösungen für die wirtschaftlichen Herausforderungen der Eurozone zu finden. Über Lagardes geldpolitische Ausrichtung ist wenig bekannt. Sie hat den Kurs der lockeren Geldpolitik von Draghi jedoch stets unterstützt und könnte eine ähnliche Geldpolitik beibehalten. Allzweckwaffe von der LeyenIn der Bundespolitik war Ursula von der Leyen bereits für jedes Amt einmal gehandelt worden, für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten erst gestern. Zwar kokettiert die 1958 in Brüssel als Tochter des späteren niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht geborene Politikerin, die dort bis 1971 zur Schule ging, auch gern mal mit ihrer Weltläufigkeit, doch ernsthaft stand sie bislang nicht auf den Listen für Brüsseler Spitzenämter. Immerhin hat sie sich als Ministerin in den vier Kabinetten von Bundeskanzlerin Merkel als Allzweckwaffe erwiesen, indem sie 2005 zunächst Familienministerin, dann 2009 als potenzielle Gesundheitsministerin gehandelt, aber Ministerin für Arbeit und Soziales wurde und nun schon im zweiten Turnus Verteidigungsministerin ist. Gerade letzteres Amt gilt als Schleudersitz, der etliche ihrer Amtsvorgänger ins politische Aus befördert hat. Von der Leyen hat als erste Frau an der Spitze des Verteidigungsministeriums zwar ebenfalls Lehrgeld zahlen und sich gegen Durchstechereien und Intrigen des Militärs behaupten müssen, doch geht sie über solche politischen Fallen unbeirrt mit dem ihr ins Gesicht gefrästen Lächeln hinweg. Vor allem hat von der Leyen als Verteidigungsministerin die internationale Bühne kennengelernt und ist mit politischen Krisen konfrontiert worden. Für die Aufgabe als EU-Kommissionspräsidentin ist Krisenmanagement nicht das schlechteste Training.Der liberale Belgier Charles Michel soll im Dezember derweil EU-Ratspräsident Donald Tusk beerben – und zugleich in den nächsten zweieinhalb Jahren die Euro-Gipfel leiten, bei denen nur die Regierungschefs mit der gemeinsamen Währung teilnehmen. Der 43-jährige Wallone bringt eine Menge Erfahrung mit. Nicht nur, dass er Sohn des früheren EU-Kommissars Louis Michel ist und daher das politische Brüssel von Kindesbeinen an kennt. Sondern auch, weil er belgischer Premierminister ist – mittlerweile in einer Minderheitsregierung. Und als Belgier ohnehin das Talent mitbringen muss, Koalitionen von sehr unterschiedlichen politischen Kräften zu schmieden.Die Nominierung des spanischen Außenministers Josep Borrell könnte ein Versuch sein, das EU-Parlament milde zu stimmen. Denn Borrell saß nicht nur im EU-Parlament, er war sogar dessen Präsident. Der 72-jährige Sozialdemokrat ist aktuell spanischer Außenminister. Bemerkenswerterweise engagierte sich der in Katalonien geborene Borrell als Gegner einer Sezession Kataloniens.