LEITARTIKEL

Das Uhrwerk

Die Allianz läuft wie ein Uhrwerk. Dies hat die Bilanzvorlage für das Jahr 2018 unter Beweis gestellt. Die Aktionäre können sich seit Jahren darauf verlassen, dass der Versicherer hält, was er verspricht. Das operative Ergebnis landet regelmäßig...

Das Uhrwerk

Die Allianz läuft wie ein Uhrwerk. Dies hat die Bilanzvorlage für das Jahr 2018 unter Beweis gestellt. Die Aktionäre können sich seit Jahren darauf verlassen, dass der Versicherer hält, was er verspricht. Das operative Ergebnis landet regelmäßig innerhalb der prognostizierten Spannen, meist am oberen Ende. Diese Präzision erstreckt sich auch auf die Vorhersagen für die drei Sparten Sachversicherung, Lebensversicherung und Assetmanagement. Die Dreijahresziele 2015 bis 2018 wurden im Wesentlichen ebenfalls eingelöst. Der Gewinn pro Aktie stieg stärker als versprochen, wenngleich auch dank eines aktienrückkaufgetriebenen Schlussspurts 2018. In die Zukunft gewandt können sich die Anleger am neuen Dreijahresplan orientieren. Die Prognosen sind anspruchsvoll, aber zugleich so konservativ, dass negative Überraschungen die Zielsetzungen nicht gleich sprengen.Dies zeigt, dass das Management die operativen Ergebnisse im Griff hat. Das Kapital wandert Schritt für Schritt in die erfolgversprechenden Geschäfte. Die Krise von Pimco ist überwunden, die US-Fondstochter verteidigt ihr verwaltetes Vermögen und erhöht zugleich die Marge. In der Lebensversicherung hat die Allianz die Eigenkapitalrendite seit dem Jahr 2014 von 10 % auf mehr als 12 % erhöht. Für die Zukunft stimmt optimistisch, dass die Neugeschäftsmarge auf das kapitalextensive Neugeschäft steigt und steigt. Sie liegt nicht nur klar über dem Zielwert, sondern vor allem um die Hälfte höher als fünf Jahre zuvor. In der Sachversicherung gelingen der Allianz Wachstumssprünge, die vor einigen Jahren als undenkbar galten. Quer durch den Konzern beginnt sich der Versuch des Vorstands auszuzahlen, die Produktivität zu erhöhen. Exemplarisch lässt sich dies an der Sachversicherung demonstrieren, die im vergangenen Jahr erstmals seit 2014 die Kostenquote senkte. Die Trendwende dürfte dauerhaft wirken, denn sie speist sich nicht nur aus wenigen Gesellschaften. Vielmehr wurde die Effizienz der Sparte breitflächig erhöht. In 15 der 21 wichtigsten Absatzregionen sank die Quote.Für die Aktionäre zahlt sich der Erfolg aus. Zwar schnitt der Münchner Versicherer im vergangenen Jahr nicht besser ab als der Branchenindex Stoxx Europe 600 Insurance – dies ist der richtige Vergleichsmaßstab anstelle des in diesem Jahr vom Management plötzlich gewählten, schlechter gelaufenen Euro Stoxx 50. Aber die Allianz-Anteilseigner werden auch jenseits der Kursentwicklung exzellent bedient. Die Dividende steigt um 13 %, hinzu kommt der Aktienrückkauf. Derlei Freigiebigkeit einer Auszahlungsquote von 70 % muss man sich erst einmal leisten können. Die Allianz kann so spendabel sein, weil neben dem IFRS-Gewinn auch die Kapitalschaffung stimmt. Im vergangenen Jahr wurden gut 15 % der vorhandenen Solvency-II-Kapitalposition neu generiert. Für die Anteilseigner bleibt wichtig: Wie stark reagiert ihr Investment auf Schocks am Kapitalmarkt? Die Kursstürze der Allianz-Aktie zu Anfang des Jahrhunderts und in der Finanzkrise 2007/2008 sind in unguter Erinnerung. Der Erfolg des Versicherers hängt auch heute am Wohlergehen der Märkte. Schließlich kam im vergangenen Jahr 60 % des operativen Gewinns aus dem Finanzanlageergebnis. Marktturbulenzen wie im vierten Quartal hinterlassen daher ihre Spuren.Aber: Die Abhängigkeit sinkt etwas, in den Jahren zuvor speisten sich 63 %, 69 % und 65 % des Gewinns aus den Finanzanlagen. Vor allem: Anders als in den Jahren 2002 und 2008 ist die Kapitalposition auch im Fall eines Schocks gesichert. Die Dividendenfähigkeit ist nicht gefährdet, selbst wenn die Aktienmärkte um ein Drittel einbrechen und zugleich die Zinssätze durchschnittlich um einen Prozentpunkt sinken, die Credit Spreads um bis zu 150 Basispunkte steigen und 1 Mrd. Euro mehr für Naturkatastrophen ausgegeben werden müssen als im jährlichen Budget veranschlagt. Denn die Solvabilitätsquote bleibt in diesem Szenario komfortabel über dem Mindestwert für Ausschüttungen. Besonders ausgeprägt ist dabei zwar die Reaktion auf die Credit Spreads, aber die ökonomische Relevanz dieser Sensitivität ist umstritten.—–Von Michael FlämigDie Allianz erfüllt ihre Prognosen mit hoher Präzision. Das größte Risiko bleiben Schocks am Finanzmarkt. Doch die Kapitalpolster sind komfortabel. —–