Geldpolitik

Debatte um EZB-Mindestreserve nimmt Fahrt auf

Die Verfechter einer höheren EZB-Mindestreserve für Geschäftsbanken dürften sich durch eine neue Studie der Bundesbank in ihrer Haltung bestätigt sehen.

Debatte um EZB-Mindestreserve nimmt Fahrt auf

Mindestreserve-Debatte nimmt Fahrt auf

Bundesbank untersucht Auswirkungen der Zentralbankreserven auf Geldpolitik der EZB – Geldmenge im Euroraum schrumpft

Volkswirte der Bundesbank kommen in einer Studie zu dem Schluss, dass die hohe Überschussliquidität der Banken die Auswirkungen der Zinserhöhungen im Euroraum dämpft. Die Verfechter einer höheren Mindestreserve dürften sich durch die Ergebnisse in ihrer Haltung bestätigt sehen.

mpi Frankfurt

Kurz vor dem nächsten Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) nimmt die Diskussion um eine mögliche Erhöhung der Mindestreserve für Geschäftsbanken noch mal an Fahrt auf. Eine am Mittwoch veröffentlichte Untersuchung der Bundesbank gibt den Befürwortern einer höheren Mindestreserve neue Argumente an die Hand.

In einer Studie haben sich mehrere Bundesbank-Ökonomen angeschaut, welche Effekte die hohe Überschussliquidität der Geschäftsbanken auf die geldpolitische Transmission hat. Anders als bei früheren Zinszyklen sind die bei der EZB geparkten Reserven der Banken dieses Mal sehr hoch. Lagen diese beispielsweise 2008 noch bei gerade einmal 0,75% der Aktiva der Banken oder 0,1 Bill. Euro, waren es kurz vor Beginn des laufenden Zinszyklus 12,3% oder 4,7 Bill. Euro.

Hohe Zinserträge

Gestiegen sind diese Reserven, die mit der Einlagefazilität verzinst werden, die derzeit bei 4,0% liegt, insbesondere wegen der zusätzlichen Liquidität durch die umfangreichen Anleiheankäufe der EZB. Dementsprechend hat die Zinswende bei den Geschäftsbanken dazu geführt, dass sie „erstmals in der Geschichte des Eurosystems beträchtliche Zinserträge aus ihrer Reservehaltung erzielen“ konnten, wie es in der Studie heißt.

Dieser Effekt besserte nicht nur die Bankbilanzen auf. Er hat laut der Bundesbank-Studie auch deutliche Auswirkungen auf die geldpolitische Transmission der EZB. Die Geldpolitik wirkt sich über das Nettovermögen der Banken auf deren Kreditvergabeentscheidungen aus. „Aufgrund der Fristentransformation von Banken führen Zinserhöhungen typischerweise (in einem Umfeld ohne umfangreiche Reserven) zu einem stärkeren Rückgang des Marktwertes von Bankaktiva im Vergleich zu Bankpassiva, so dass sich das Nettovermögen der Banken verringert“, heißt es in der Studie.

Geringere Transmission

Dies könne das Kreditangebot dämpfen, insbesondere wenn diese Banken gleichzeitig nur eine niedrige Eigenkapitalquote haben. In einem Umfeld mit hohen Reserven könnte sich laut den Studienautoren daher die Neubewertung der Bankaktiva bei Geldhäusern mit einem höheren Anteil an Reserven weniger stark auswirken, da Zentralbankreserven naturgemäß kurzfristige Anlagen sind.

Außerdem steigen die Kosten der Refinanzierung weniger, wenn die Zinserhöhungen nicht vollständig an die Einleger weitergegeben werden. Banken mit einem höheren Anteil an Reserven erzielen dann zusätzliche Zinserträge aus der Reservehaltung. „Beide Effekte könnten dazu führen, dass umfangreiche Reserven für sich genommen den negativen Effekt der geldpolitischen Straffung auf das Nettovermögen der Banken – und somit auf die Kreditvergabe – dämpfen“, so das Fazit der Untersuchung.

Diskussion um höhere EZB-Mindestreserve

Eine höhere Mindestreserve, die die EZB und die nationalen Notenbanken anders als die kurzfristigen Einlagen inzwischen nicht mehr verzinsen, würde diesen Effekt verringern, da mehr Geld der Geschäftsbanken von der Reserve in die Mindestreserve fließt. Aktuell liegt die Mindestreserve bei 1% der Kundeneinlagen. Manche EZB-Ratsmitglieder können sich eine Anhebung auf mehrere Prozentpunkte vorstellen. Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann brachte gar 10% ins Spiel.

Unterstützung für dieses Vorhaben kam am Mittwoch von der Bürgerbewegung Finanzwende. „Die Zeit der Geschenke für Banken muss endlich vorbei sein. An anderer Stelle wird wochenlang um Millionen gerungen – hier geht es um Milliarden an öffentlichen Geldern, die einfach an Banken verschenkt werden”, heißt es in einem offenen Brief an EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Bankenvertreter wie Christian Sewing, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), kritisierten die Idee in der Vergangenheit hingegen scharf. Europäische Banken hätten bei einer höheren Mindestreserve international gravierende Wettbewerbsnachteile.

Maue Kreditvergabe

Derweil legte die Kreditvergabe an Unternehmen im Euroraum kaum noch zu, während die Geldmenge weiter sank. Dies geht aus am Mittwoch von der EZB veröffentlichten Daten hervor. Im September erhöhte sich die Kreditvergabe im Jahresvergleich nur um 0,2%. Dies ist der geringste Anstieg seit 2015.

Die Geldmenge M1 sank im September im Vergleich zum Vorjahresmonat um 9,9%. Ökonomen betrachten sie als Konjunkturindikator. Die maue Kreditvergabe und die trüben Konjunkturaussichten – der Eurozone droht inzwischen eine Rezession – dürften manche Euro-Notenbanker als Indiz dafür sehen, dass die Geldpolitik der EZB womöglich bereits restriktiv genug ist.

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