Defizitzahlen bestimmen Wahlkampf in Portugal
Von Thilo Schäfer, MadridDie Portugiesen werden bei den Parlamentswahlen am kommenden Sonntag mit dem Krisenmanagement der Konservativen unter dem Rettungsschirm abrechnen, aber auch den Zusammenbruch der größten Privatbank Banco Espírito Santo vor einem Jahr sowie die Korruptionsvorwürfe gegen den früheren sozialistischen Ministerpräsidenten José Socrates in Betracht ziehen. Socrates hatte Anfang 2011 den Rettungsschirm beantragt und Neuwahlen ausgerufen, bei denen die Mitte-rechts-Koalition unter Pedro Passos Coelho an die Macht kam.Unter der Fuchtel der Troika vollzogen die Konservativen einen drastischen Spar- und Reformkurs, der massive Demonstrationen und die Einwände des Verfassungsgerichts bewirkte. Doch die Wirtschaft wuchs 2014 erstmals wieder um 0,9 % und ist auf dem Kurs, in diesem Jahr einen Anstieg von 1,6 % zu erreichen. Die Arbeitslosigkeit ist zuletzt wieder auf 12,4 % gesunken, 1,2 % weniger als im Vorjahr, wie das Statistikamt INE mitteilte.In den Umfragen konnten die Konservativen einen Rückstand aufholen und liegen nun knapp vor den Sozialisten (PS), jedoch weit entfernt von der absoluten Mehrheit. Nachdem die Koalition aus PSD von Passos Coelho und der CDS seines Vizes Paulo Portas vor zwei Jahren über den Konsolidierungskurs fast auseinandergebrochen wäre, treten beide Parteien nun in einer gemeinsamen Liste mit dem Namen Portugal à Frente an. Beobachter befürchten eine unsichere politische Zukunft, sollte es auf eine Minderheitsregierung hinauslaufen. Vorwurf der TricksereiDie Folgen der Wirtschaftskrise bestimmen den Wahlkampf. Ging es anfangs noch um die sozialen Auswirkungen der Kürzungen und Steuererhöhungen, so ist in den letzten Tagen das Haushaltsdefizit in den Vordergrund getreten und bringt Passos Coelho in Erklärungsnot. Medien hatten berichtet, dass bei der Rettung der Bank BPN 2012 durch vermeintliche Bilanztricks die Hilfen nicht dem Staatsdefizit zugerechnet wurden. Der Regierungschef und die Finanzministerin Maria Luís Albuquerque, die damals als Staatssekretärin für BPN zuständig war, bestritten die Vorwürfe, die Zahl geschönt zu haben, und reden von einer Verschwörung.Doch vor Tagen korrigierte Portugal sein Defizit für 2014 von 4,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf 7,2 %, da die Staatshilfen in Höhe von 4,9 Mrd. Euro für Novo Banco, die verstaatlichte Nachfolgebank von Banco Espírito Santo, angerechnet werden mussten. Zuvor hatte die portugiesische Notenbank den Verkaufsprozess von Novo Banco abgebrochen, da die drei vorliegenden Angebote weit unterhalb dieser 4,9 Mrd. Euro lagen. Passos Coelho bestritt die weit verbreitete Kritik, er habe Druck auf den Banco de Portugal ausgeübt, um das Geldinstitut möglichst gewinnbringend vor den Wahlen zu reprivatisieren, und habe somit dem Verkaufsverfahren geschadet.Derweil hegen Volkswirte und die Europäische Kommission Zweifel daran, dass Portugal den Haushaltsfehlbetrag 2015 wie vorgesehen auf unter 3 % des BIP senken kann. Die Kommission forderte am Montag zusätzliche Maßnahmen, allem voran höhere indirekte Steuern, etwa für Immobilien oder Umweltabgaben.Doch die Konservativen haben im Wahlkampf stattdessen Steuersenkungen versprochen. So soll der Aufschlag von 3,5 % auf die Einkommensteuer schon ab nächstem Jahr wieder an die Bürger zurückgegeben werden. Passos Coelho verspricht fortan eine sozial ausgeglichenere Politik, um dem Antiausteritätsdiskurs seines sozialistischen Rivalen António Costa den Wind aus den Segeln zu nehmen.Trotz der Krise ist in Portugal keine neue Protestpartei wie Syriza oder Podemos entstanden, und die Kommunisten (CDU) und der Linke Block können den Umfragen gemäß nur gering zulegen auf jeweils 10 % und 5 %. Ein Bündnis der Sozialisten mit den Kommunisten gilt als ausgeschlossen.