GABRIEL FELBERMAYR

„Den Sommer haben wir alle ein klein wenig verpennt“

Die Bundesregierung hat auf die Coronakrise zunächst gut reagiert, mit Fortdauer der Pandemie aber Fehler gemacht, sagt Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW).

„Den Sommer haben wir alle ein klein wenig verpennt“

Stefan Paravicini.

Herr Professor Felbermayr, wie fällt ein Jahr nach dem ersten Coronafall in Deutschland Ihre Bewertung der Krisenpolitik aus?

Die Bundesregierung hat ganz gut angefangen, in der Umsetzung hat die Performance mit Fortdauer der Krise aber nachgelassen. Gut war vor allem, dass rasch und mit der nötigen Großzügigkeit auf wirtschaftliche Schäden reagiert wurde, die im vergangenen Frühjahr noch nicht manifest, aber bereits absehbar waren. Das war wichtig und unterscheidet die Coronakrise auch von der Weltwirtschaftskrise 2008/2009, in der eher zögerlich gehandelt wurde. Man hat mit der Kurzarbeit und der Soforthilfe Instrumente genutzt, die schnell geholfen haben. Die Aktivierung des Kreditsektors über die staatliche Förderbank KfW hat ebenfalls gut funktioniert.

Was hat nicht funktioniert?

Was nicht gut geklappt hat, ist die Umsetzung der Unternehmenshilfen. Was ebenfalls kritisiert werden muss, ist der Umgang mit dem Schulsektor und mit den Bereichen, die besonders infektionsgefährdet sind. Da muss sich die Politik vorwerfen lassen, dass sie nicht überall die besten Lösungen gefunden hat und häufig nicht bereit war nachzubessern, wo Schwächen ersichtlich wurden.

Hätte man den Sommer nutzen müssen, um nachzubessern?

Das kann man ex post sicher sagen. Den Sommer haben wir alle ein klein wenig verpennt, das kann ich mir wahrscheinlich auch selber vorwerfen. Nach fünf Monaten Pandemie waren alle heilfroh über ein bisschen Normalität. Dass man da nicht gleich an die zweite Infektionswelle denkt, ist menschlich. Dass sie so massiv kommen würde, haben auch nicht alle Virologen und Epidemiologen vorhergesagt. Einige Lehren aus der ersten Welle hätte man aber unabhängig davon ziehen müssen.

Zum Beispiel?

Die Digitalisierung der Schulen ist mit oder ohne Coronakrise wichtig. Wir haben auch an der Hygienesituation in den Schulen nichts verbessert. Heißwasser in Schultoiletten und Lüftungssysteme wären aber auch ohne eine zweite Welle sinnvoll gewesen. Ähnlich verhält es sich mit den Unternehmenshilfen.

Inwiefern?

Wir haben in Deutschland das große Glück, mit dem Kurzarbeitergeld über ein Instrument zu verfügen, das sich schon 2008 und 2009 bewährt hat. Bei den Unternehmenshilfen haben wir so etwas nicht und man hat aus der ersten Welle nicht die richtigen Lehren gezogen.

Sie haben vorgeschlagen, betriebliche Hilfen am Betriebsergebnis vor Steuern zu orientieren.

Dass der Umsatz oder die Fixkosten nicht die richtigen Kriterien sind, an denen man so eine Hilfe bemisst, das war eigentlich schon im April 2020 klar. Man hat es damals versäumt, ein Instrument zu entwickeln, das in der nächsten Krise – unabhängig von einer zweiten Welle – zur Verfügung stehen könnte. Und jetzt haben wir das Malheur: Die Krise ist größer, als wir uns das im Sommer gedacht haben, und wir haben immer noch kein vernünftiges Instrument. Wir mäandern hin und her, mit hoher Unsicherheit für die Unternehmen. Das ist sicherlich ein Versäumnis, das kann man gar nicht anders sagen.

Sollte die Regierung mit den Hilfen jetzt noch umsteuern?

Jetzt muss es vor allem darum gehen, den betroffenen Unternehmen schnell und unbürokratisch Geld zur Verfügung zu stellen. Das geht am besten durch die mittlerweile beschlossenen Abschlagszahlungen. Das sollte die Lage fürs Erste entschärfen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass man die Unterschiede, die man mit den bisherigen Hilfen eingeführt hat – etwa bei der Behandlung von Soloselbständigen gegenüber Angestellten oder von Fremdkapital gegenüber Eigenkapital –, ex post ausräumt. Im Rahmen des Kieler Modells würde man zuerst mal feststellen, wie stark die Betriebsüberschüsse zurückgegangen sind und welche Ansprüche für die Unternehmen sich daraus ableiten. Das wäre dann mit den Beträgen abzugleichen, die in den vergangenen Monaten schon ausbezahlt wurden. Ein solcher Lastenausgleich wäre wichtig, um die entstandenen Ungleichheiten zu beheben.

Die Bundesregierung hat ihre Konjunkturprognose gesenkt. Was erwarten Sie für 2021?

Die Kernfrage ist, wie lange der Lockdown noch dauert. Wir haben den harten Lockdown ja schon im Dezember in die Kieler Prognose eingebaut und mussten den Wachstumsausblick für 2021 deutlich zurücknehmen. Damals waren wir pessimistischer als alle anderen, jetzt stellt sich heraus, dass das so verkehrt nicht war. Nun ist die große Frage, wie es im März aussieht. Wenn die deutsche Volkswirtschaft dann wieder in den Aufschwung hineinfindet, sind die bisher prognostizierten 3% Wachstum aufs Jahr gerechnet zu holen. Wenn sich die Krise fortsetzt und wir auch im März und im April im Lockdown verharren, wird das schwierig. Dann könnte das Jahr 2021 ein Jahr der Stagnation werden.

Vor allem, wenn es zu einem Lockdown in der Industrie kommt?

Die Industrie läuft, das ist sicher positiv und unterscheidet den zweiten Lockdown vom ersten. Das Abwärtsrisiko besteht vor allem darin, dass es etwa durch Mutationen noch einmal zu einer Verschärfung des Pandemie-Geschehens kommt und damit verbunden auch zu härteren oder länger andauernden Einschränkungen. Die Unsicherheit ist immer noch riesig. Sie könnte neben dem direkten Wegfall von Geschäft den Aufschwung weiter verzögern.

Wann wäre ein neuerlicher Stillstand in der Industrie vertretbar?

Auch das hängt vom Infektionsgeschehen ab. Man kann sich eine Situation vorstellen mit Siebentagesinzidenzen jenseits von 500 oder noch höher, in der man mit einem möglichst großen Hammer alle Kontakte unterbinden muss, die man unterbinden kann. Ein Stillstand der Industrie würde die wirtschaftlichen Kosten aber ungefähr verdreifachen. Mit den gegenwärtigen Einschränkungen entfallen rund 6% der deutschen Wirtschaftsleistung. Wenn wir die Industrie so weit herunterfahren wie während der ersten Welle, reden wir eher von 20% entfallener Wertschöpfung.

Was weiß man eigentlich über den Beitrag der Industrie zum Infektionsgeschehen?

Auch hier hätte man sich mehr Einsichten aus der ersten Welle erhofft. Was fehlt, sind Informationen darüber, wie viel an Infektionsgeschehen in den Firmen stattfindet. In der Fleischindustrie ist es ziemlich offensichtlich. Aber finden auch bei einem Autobauer oder in der Chemiefabrik Infektionen statt? Wird das Virus vor allem in den Kantinen verbreitet? Oder doch auf dem Weg zur Arbeit, im öffentlichen Nahverkehr? Darüber wissen wir viel zu wenig und das ist nach einem Jahr Krise sehr enttäuschend. Wir können kaum differenzieren und müssen stattdessen entscheiden, ob wir die Industrie komplett herunterfahren oder nicht. Das ist ein echtes Problem.

Wie hätte man es lösen können?

Ich hätte mir gewünscht, dass wir eine große Testaktion starten, um zu sehen, wer eigentlich infiziert ist. Wir haben immer noch hohe Dunkelziffern, weil wir nach wie vor vornehmlich die Personen testen, die tatsächlich Symptome zeigen. Man hätte erheben müssen, wie infizierte und nicht infizierte Personen im Arbeitsleben unterwegs sind. Man kann mit dem Auto oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, man kann im Büro sitzen oder in der Produktionshalle stehen, man kann Dienstreisen machen oder nicht. Diese Art von statistischer Untersuchung ist nicht erfolgt und deshalb fehlen uns jetzt diese Informationen.

Das Robert-Koch-Institut veröffentlicht jeden Tag einen Lagebericht. Reicht das nicht?

Epidemiologen wollen jede Infektionskette individuell nachvollziehen. Ich wäre sehr zufrieden gewesen, wenn man das statistisch gelöst hätte: Nicht jede Infektion nachvollziehen, sondern repräsentative Gruppen testen und befragen. Keine Selektionsverzerrung, also nicht nur Personen mit Symptomen in den Radar nehmen. Und dann mit statistischer Auswertung herausfinden, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, sich zu infizieren. Diese Arbeit ist bisher unterblieben, erste Studien werden dem Vernehmen nach erst im Mai fertig. Die Dringlichkeit solcher Auswertungen hat man im vergangenen Frühjahr offenbar nicht gesehen. Für wenig Geld hätte man wertvolle Informationen bekommen, mit denen man in der zweiten Welle die Eindämmung sehr viel zielgenauer hätte gestalten können.

Wir haben keine ausreichenden Daten, um unterschiedliche Strategien zur Eindämmung der Pandemie bewerten zu können?

Genau so ist es. Opportunitätskosten kommen in der Debatte nicht vor, weil man die Gruppe der nicht Infizierten nicht versteht. Die Medizin hat die Infizierten im Blick. Aber wir müssen auch fragen, was die Faktoren sind, die Infektionen verhindern. Das wüsste man, wenn man nach der ersten Welle eine repräsentative Gruppe von sagen wir 100000 Personen getestet hätte, Antikörpertests gemacht hätte und dann Interviews geführt hätte dazu, wie die Befragten zur Arbeit kommen, ob sie im Homeoffice arbeiten, wie sie ihr Privatleben gestalten und so weiter. Da wird nicht immer ehrlich geantwortet, aber das können die Sozialwissenschaften auswerten, das machen wir ja jeden Tag. So eine Untersuchung kostet einige Millionen Euro, weil ja große Fallzahlen erforderlich sind. Ein Tag Lockdown kostet ungefähr 1 Mrd. Euro Wertschöpfungsverlust. Man hätte mit wenig Aufwand wertvolle Informationen bekommen. Die fehlen jetzt und das ist sehr schade.

Liegt das vielleicht auch daran, dass man in Deutschland ohnehin nicht so gern über Opportunitätskosten spricht?

Ja, ich glaube, dass man im deutschsprachigen Kulturraum sehr stark in Idealtypen denkt und deshalb auch sagt, der Schutz des Lebens ist das Einzige, worum es jetzt geht. Alles andere sind dann Kollateralschäden, die man in Kauf nehmen muss. Das ist nachvollziehbar und ich bin durchaus bereit, so zu denken. Nur müsste man dann wenigstens einen umfassenden Begriff von Leben und von Lebensqualität haben. Wenn man zum Beispiel mit Kinderpsychologen spricht, die sich Gedanken darüber machen, wie es Kindern im Lockdown geht, wird einem angst und bange. Wenn wir Intensivstationen für Corona-Patienten frei halten und andere Operationen zurückhalten, hat das ebenfalls Opportunitätskosten. Man konzentriert sich jetzt auf die bestmögliche Verhinderung einer Todesursache. Das hat Auswirkungen, auch auf die Lebenserwartung anderer Patienten. Aber das wird alles nicht wirklich mitberücksichtigt.

Ist das nur in Deutschland so?

Vor allem in der angelsächsischen Welt ist man eher bereit, über Güterabwägung nachzudenken. Das sehen wir in den USA, wo es sicher vieles zu kritisieren gilt. Aber die wirtschaftlichen Kosten der Pandemie sind dort deutlich geringer, und ob das am Ende alles auf Kosten höherer Infektionszahlen und mehr Toten gegangen ist, werden wir erst sehen.

Fällt die Güterabwägungen auch deshalb schwer, weil es für Opportunitätskosten keine belastbaren Daten gibt?

Die Daten gibt es eigentlich schon, wir haben während des ersten Lockdowns zum Beispiel sehr genau die Kurzarbeiterstatistik beobachtet. Andere Indikatoren, die anschlagen würden, haben wir allerdings lahmgelegt, zum Beispiel mit der Aussetzung der Insolvenzanmeldepflicht. Das hat auch dazu geführt, dass die normalen Insolvenzen in einer Rezession bisher nicht stattgefunden haben. Das hat die Diskussion sicher beeinflusst. Die Negativschlagzeilen blieben auf Fälle wie die Lufthansa oder die Tui begrenzt, eine Insolvenzwelle ist aber ausgeblieben.

Die Bundesregierung hat die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gerade verlängert.

Man hat ein bisschen den Eindruck, dass die Politik missversteht, wofür die Insolvenzmeldepflicht eigentlich da ist. Sie soll Transparenz schaffen etwa für Banken und Lieferanten. Wenn sie nicht mehr sagen können, ob ein Unternehmen zahlungsfähig ist oder nicht, werden Lieferanten auch von gesunden Unternehmen Vorkasse verlangen und liquide Unternehmen keinen Kredit mehr von der Bank bekommen. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zeigt außerdem, wie sehr die Politik ihren eigenen Unternehmenshilfen misstraut.

Inwiefern?

Wenn es so wäre, dass die Hilfen tatsächlich die Zahlungsfähigkeit von Unternehmen gewährleisten, die ein gesundes Geschäftsmodell haben, müsste man die Insolvenzantragspflicht nicht aussetzen. Man hat aber gesehen, dass es mit den Hilfen nicht klappt. Erst das Versagen im Verwaltungsvollzug macht die Aussetzung der Insolvenzmeldepflicht erforderlich. Besser wäre es, die Hilfen so zu strukturieren, dass sie auch wirken. Dann müsste man nicht in den Kernbereich der marktwirtschaftlichen Ordnung eingreifen. Das Aussetzen der Insolvenzanmeldepflicht mag vielleicht harmlos und technokratisch klingen, ist aber ein zentraler Eingriff in das Funktionieren von Märkten, für die verlässliche Informationen enorm wichtig sind.

Folgt auf die Infektionswelle trotzdem eine Insolvenzwelle?

Davon müssen wir ausgehen, ja. Die zweite Welle hat gravierende Auswirkungen, die aber glücklicherweise auf einzelne Branchen beschränkt bleiben. Betroffen sind vor allem Teile des stationären Einzelhandels, Veranstalter, Gastronomie und Hotellerie in den Städten. Hier wird man mit hoher Wahrscheinlichkeit eine höhere Insolvenzhäufigkeit beobachten. In manchen Bereichen wird durch Corona etwas vorweggenommen, was sonst vielleicht in drei oder vier Jahren passiert wäre, weil es den allgemeinen Trend schon vorher gab, etwa die Verlagerung Richtung Online-Handel. Eine Beschleunigung des Strukturwandels ist volkswirtschaftlich nicht unproblematisch, weil das die Zeitspanne verkürzt, in der man sich anpassen kann, zum Beispiel mit Investitionen in Innenstädten. Es kommt nun alles schneller und härter. Wenn es sich um eine Beschleunigung eines bestehenden Trends handelt, ist das trotzdem positiver zu sehen als Insolvenzen, die allein von der Pandemie verursacht werden.

Welche wirtschaftspolitischen Weichen sollten noch vor dem Start in den Bundestagswahlkampf gestellt werden, um den Weg aus der Krise zu erleichtern?

Der politische Kalender wird nicht mehr viel hergeben, weil wir mindestens bis Mitte März mit Corona beschäftigt sein werden. Wir bräuchten dringend eine Anpassung der Unternehmensbesteuerung. Da sind wir deutlich ins Hintertreffen geraten. Es gab keine Antworten auf Reformen in den USA, in Frankreich und in Österreich. Statt in den nächsten Monaten noch Schnellschüsse zu liefern, wäre es aber besser, dass in der nächsten Legislaturperiode gut durchdacht und klug anzulegen.

Gibt es Vorschläge, die bereits fertig in der Schublade liegen?

Es gibt ein paar No-Brainer, die auf jeden Fall umgesetzt werden sollten. Das wäre zum Beispiel ein massiver Ausbau des Verlustrücktrags, der von vielen Ökonomen und auch vom Sachverständigenrat gefordert wird. Das sollte passieren und dafür ist es noch nicht zu spät. Worüber man auch noch einmal sprechen kann, wären Veränderungen von Abschreibungsregeln, um die Investitionen anzuschieben. Es wäre wichtig, mit hoher Investitionstätigkeit aus der Krise zu kommen.

Am besten mit Investitionen zur Eindämmung des Klimawandels?

Da würde ich sehr breit vorgehen und nicht wieder mit dem Maßband vermessen. Was immer die Unternehmen glauben, das für ihr zukünftiges Wachstum wichtig ist, das sollte jetzt angeschoben werden. Es wird kaum ein Unternehmen auf Schweröl setzen, weil wir mittlerweile eine CO2-Be­prei­sung haben. Eine technologieneutrale Förderung von Forschung und Entwicklung begrenzt auf die nächsten zwei Jahre, das wäre sehr hilfreich.

Wie bewerten Sie die jüngste Diskussion zur Schuldenbremse?

Die Diskussion über eine Reform der Schuldenbremse sollte geführt werden. Es wäre auf jeden Fall besser, sie zu reformieren als sie abzuschaffen, wie einige es fordern. Die Schuldenbremse hat in ihrer heutigen Form mit Blick auf notwendige Krisenreaktionen des Staates und auch hinsichtlich der langfristig optimalen Staatsverschuldung ihre Schwächen. Sie sollte um einen eindeutig definierten Krisenmodus erweitert werden, um dem Staat in und nach Krisen mehr Spielraum zu geben. Jetzt wird jedes Mal politisch die Aussetzung der Schuldenbremse verhandelt. Das ist die schlechtere Lösung, weil sie damit zu einem politischen Spielball wird. Vorab definierte Regeln, wie mit der Neuverschuldung in Krisen umzugehen ist, schaffen Berechenbarkeit und Spielraum, sorgen aber gleichzeitig dafür, dass die langfristige Stabilität der Staatsfinanzen nicht aus dem Blick gerät. Wir haben gesehen, wie wertvoll solide Staatsfinanzen in einer Krise sind, und die nächste Krise kommt bestimmt.

Bis zu den nächsten Bund-Länder-Gesprächen soll ein Weg aus dem Lockdown skizziert werden. Kann die Politik so für mehr Planungssicherheit sorgen?

Sie muss! Das ist nicht nur wichtig für die Unternehmen, sondern auch für die Arbeitnehmer und die Familien, die Kinder in der Schule haben. Es ist ganz wichtig, jetzt klar zu sagen, unter welchen Bedingungen welche Öffnungsschritte stattfinden können. Dazu muss man sich über die Indikatorik einigen. Wird das allein über die Siebentagesinzidenz gesteuert oder gibt es da noch andere Kriterien wie Belegung der Intensivstationen? Man muss aus meiner Sicht auch über die Mortalität sprechen. Wenn es gelingt, Bevölkerungsgruppen mit einer hohen Sterblichkeit durchzuimpfen, kann man sich möglicherweise auch eine höhere Inzidenz erlauben, und trotzdem bleibt die Sterblichkeit klein. Darüber muss man sich Gedanken machen.

Was sollte noch in einem Öffnungskonzept stehen?

Wir brauchen einen Plan, was man ab welchen Grenzwerten erlaubt. Auch eine regionale Differenzierung wäre wichtig, soweit es keine Ausweichgefahren gibt. Kaum jemand wird sein Schulkind aus dem Berchtesgadener Land nach Flensburg ummelden, wenn hier die Schulen früher starten. Die regionale Dimension ist wichtig, damit sich lokale Anstrengungen auszahlen. Es sollte daher eine Ampel geben, die regionale Lockerungen zulässt, wo es keine Mobilitätsproblematik gibt. Die Idee, die Menschen an der Bewegung zu hindern, hat sich in Deutschland dagegen als schwierig herausgestellt.

Das Interview führte

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