NOTIERT IN BRÜSSEL

Der Hexit war unvermeidbar

Über den Grexit der Griechen war monatelang spekuliert worden, über den Brexit der Briten laufen derzeit jede Menge Wetten. Den Hexit der Holländer allerdings hatten nur wenige auf dem Zettel. Spätestens am Dienstag in der 66. Spielminute jedoch...

Der Hexit war unvermeidbar

Über den Grexit der Griechen war monatelang spekuliert worden, über den Brexit der Briten laufen derzeit jede Menge Wetten. Den Hexit der Holländer allerdings hatten nur wenige auf dem Zettel. Spätestens am Dienstag in der 66. Spielminute jedoch dürften wohl selbst Optimisten alle Hoffnungen aufgegeben haben. Denn da “fiel”, wie das Fußball-Fachblatt “Kicker” schreibt, “Robin van Persie der Ball auf den Kopf – und von da aus ins eigene Tor”. Dieses 3 : 0 der Tschechen besiegelte endgültig das Ausscheiden Hollands aus der Euro.Der Hexit mag für viele überraschend gekommen sein, aber eigentlich war er unvermeidbar – das aktuelle Scheitern setzt lediglich fort, was sich bereits bei der Euro 2012 ankündigte, als die “Elftal” ohne einen einzigen Punkt aus dem Turnier flog. Zudem hat das jähe Aus in dieser Woche wenig mit Pech zu tun. Schließlich gelangen den Niederländern Siege einzig gegen Lettland und Kasachstan (und selbst das bloß mit arger Mühe).Während die Holländer nun Schwarz statt Oranje tragen, sind ihre südlichen Nachbarn im Glückstaumel. Dank eines Siegs gegen Israel ist Belgien auf den unglaublichen Platz 1 (in Worten: Platz eins) der Fifa-Rangliste geklettert. Die “Rode Duivels” belegen damit jene Platzierung, auf der für gewöhnlich Deutschland, Italien, Spanien, Argentinien und Brasilien rotieren. In den vergangenen Jahren konnte sich nur ein Team dazwischenmogeln. Das indes sollte Fellaini, De Bruyne, Hazard & Co. zu denken geben – denn wer stand 2011 ganz oben? Na klar, die Niederlande! *Noch schlimmer als die Holländer hat es dieser Tage die Engländer erwischt. Sie veranstalten in ihrem Land gerade die Rugby-WM, immerhin das drittgrößte Sportereignis der Welt. Den Engländern ist die Freude daran allerdings längst vergangen, denn Wales hat den Gastgeber aus dem Turnier geworfen, während es Schottland und Irland ins Viertelfinale geschafft haben. Sie müssen sich das ungefähr so vorstellen, als müsste ein gebürtiger Dortmunder miterleben, wie der BVB auf eigenem Platz von Schalke in der Gruppenphase aus der Champions League geschmissen wird, während Bochum und Rot-Weiss Essen parallel munter in die K.-o.-Phase einziehen. *Fußball ohne Holland, Rugby ohne England: Muss man da nicht Mitleid haben – sind ja immerhin unsere europäischen Partner. Ne, muss man nicht! Denn um diese – zugegebenermaßen gewagte – Brücke zu schlagen: Auch andere EU-Länder müssen derzeit erdulden, dass sie außen vor bleiben; wenn auch nicht auf dem Sportfeld, sondern dem politischen Parkett. So wurde jüngst der Widerstand von Rumänen, Ungarn, Slowaken und Tschechen gegen den Verteilschlüssel für Flüchtlinge dadurch ausgehebelt, dass der Rest der EU-Regierungen – entgegen sonst üblicher diplomatischer Gepflogenheiten – auf die Suche nach einem für alle akzeptablen Kompromiss verzichtete.Selbst Deutschland muss sich darauf einstellen, dass sich die anderen Mitgliedsstaaten künftig trauen, ohne Rücksichtnahme auf den Widerstand des größten Lands Dinge zu beschließen, die der Bundesregierung nicht schmecken. Nein, nein – damit soll nicht darauf angespielt werden, dass Deutschland diesen Monat kein Stimmrecht im EZB-Rat hat. Das ist ja eher eine Formalie, Bundesbankchef Jens Weidmann darf ja trotzdem seine Position klar machen und darauf hoffen, dass dies bei der Entscheidung gewürdigt wird.Viel schwieriger dürfte es hingegen für die Bundesregierung werden, wenn die EU-Kommission schon bald eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung vorschlagen wird. Bisher gibt es wenig sichtbare Verbündete, die Deutschland im Widerstand gegen diese Pläne unterstützen. Auf die üblichen “like-minded” – Finnen, Niederländer, Luxemburger, Österreicher – kann Berlin in dieser Frage nicht unbedingt zählen. Und erst recht nicht sollte sich die Bundesregierung darauf verlassen, dass es die anderen nicht wagen, sie in dieser Angelegenheit zu überstimmen. Unbedingte Rücksichtnahme gibt es nicht mehr. Wie gesagt: Vieles geht in Europa auch ohne. Sogar ohne Deutschland.