Der Jadehase bringt Licht ins Dunkel
Die Erde dreht sich immer schön fleißig im 24-Stunden-Rhythmus um die eigene Achse, während der Mond seine aufreizend langsamen Pirouetten so getimt hat, dass er sich immer nur von der einen, vermeintlichen hellen Schokoladenseite betrachten lässt. Das wirft die Frage auf, was auf der von der Erde abgewandten Seite so abgeht, mit der sich schon die Rockband Pink Floyd vor etwa 45 Jahren mit dem Album “Dark Side of the Moon” musikalisch befasst hat.Auch wenn die Mystik von der anderen Hälfte der Mondkugel auf der Vinylscheibe tatsächlich nur am Rande und in zwei Passagen erwähnt wird, hat sie mit dazu beigetragen, dass es sich um den weltweit drittmeist verkauften Tonträger handeln soll. Das Album endet mit dem Satz “There is no dark side of the moon really. Matter of fact, it’s all dark.” Er stammt vom Pförtner der berühmten Londoner Abbey-Road-Tonstudios, der von der Band zu seiner Sichtweise der Thematik befragt eine entwaffnende Einschätzung der Lichtverhältnisse auf dem Erdtrabanten gegeben hat. *Um es genauer zu wissen, muss man vor Ort vorbeischauen. Chinas eifrige Weltraumbehörde hat sich nun auf Entmystifizierungstour begeben und die Mondfähre Chang’e-4 samt ihrem wichtigsten Passagier, einem geländegängigen Mondfahrzeug namens Yutu II losgeschickt. Chang’e heißt übrigens so viel wie Mondgöttin, und hinter den Silben Yutu verbirgt sich ein Hase aus Jade. Beide sind Fabelwesen aus der altchinesischen Sagenwelt, die besonders gut miteinander können: Schließlich war Yutu das Haus- und Schmusetier der Mondgöttin. Das kongeniale Duo der Neuzeit hat ein Kunststück vollbracht, das man sich gegenwärtig auch von der chinesischen Konjunktur erhofft, nämlich trotz äußerst unwirtlicher Rahmenbedingungen eine sanfte Landung hinzubekommen. Was mögen chinesische Touristen wohl als Erstes machen wollen, wenn sie auf dem Mond landen? Natürlich ein paar Selfies schießen und möglichst rasch an ein interessiertes Publikum posten. Mit einem herkömmlichen Smartphone von Huawei oder Xiaomi kommt man auf dem unwirtlichen Terrain zwar nicht weit, aber die Chinesen haben ihr Ziel dennoch erreicht. Der Jadehase und die Mondgöttin haben sich so in Position gebracht, dass sie jeweils Fotos voneinander schießen konnten, und wenn man sie geeignet zusammenstellt, läuft es fast auf ein Selfie mit dem staubigen Von-Karman-Krater als Hintergrund hinaus.In einer Zeit, da die Amerikaner Chinas technologischen Aufstieg besonders kritisch begleiten und an der Handelsfront einen Streit anzetteln, stellt sich die Frage, wie enthusiastisch die chinesische Mondreise begleitet wird. Immerhin scheint es noch immer so etwas wie eine Anerkennungsethik an der Weltraumerforschungsfront zu geben, und so kommt auch aus den USA artiges Lob zu den chinesischen Schnappschüssen. Von Donald Trump, der mit dem Mauerbau an der mexikanischen Grenze derzeit voll ausgelastet wirkt, ist zwar keine elektronische Depesche gekommen, ein Tweet der US-Weltraumbehörde Nasa aber zollt der China National Space Administration (CNSA) Respekt. *Grund für Neid gibt es sowieso keinen. Schließlich hat sich die Nasa im Januar selber nicht lumpen lassen und ist mit ihrer sehr viel weiter gereisten Weltraumsonde “New Horizons” auf fotografische Tuchfühlung mit dem in einer Entfernung von 6,5 Mrd. Kilometern vor sich hin trudelnden Himmelskörper Ultima Thule gegangen. Das Gebilde scheint aus der zufälligen Begegnung zweiter Asteroiden hervorgegangen zu sein. Sie haben sich anscheinend untergehakt und dann für ewig nicht mehr voneinander lassen können.Aus bisherigen diffusen Beobachtungen durfte man vermuten, dass Ultima Thule sich in der Optik eines Bowling-Kegels präsentiert beziehungsweise die Form einer Erdnuss (in Schale) aufweist. Nun aber gelangt man zu der beglückenden Erkenntnis, dass es sich passend zur Jahreszeit und den aufsehenerregenden Wetterverhältnissen im Alpenraum tatsächlich bei Ultima Thule eher um eine Art interstellaren Schneemann handelt.