NOTIERT IN WASHINGTON

Der Präsident steht mit dem Rücken zur Wand

Gut 100 Tage vor den US-Wahlen steht Präsident Donald Trump mit dem Rücken zur Wand. In Umfragen liegt der demokratische Kandidat Joe Biden deutlich in Führung, und Trumps Unvermögen, die Coronavirus-Pandemie in den Griff zu bekommen, hat ihn selbst...

Der Präsident steht mit dem Rücken zur Wand

Gut 100 Tage vor den US-Wahlen steht Präsident Donald Trump mit dem Rücken zur Wand. In Umfragen liegt der demokratische Kandidat Joe Biden deutlich in Führung, und Trumps Unvermögen, die Coronavirus-Pandemie in den Griff zu bekommen, hat ihn selbst bei seiner politischen Basis Sympathien gekostet. Wie gehabt bläst Trump zum Angriff und versucht, von der Pandemie und deren wirtschaftlichen Folgen abzulenken, unter anderem mit dem umstrittenen Einsatz der Bundespolizei in diversen Städten.Selten hatte ein amtierender US-Präsident so kurz vor der Wahl so schlechte Karten. In Umfragen genießt Biden, der im August beim demokratischen Parteikonvent formal als Spitzenkandidat bestätigt werden wird, zweistellige Vorsprünge. Kritisch ist, dass der ehemalige Vizepräsident in Staaten mit einem hohen Anteil an Wechselwählern durchweg die Nase deutlich vorn hat. Dazu zählen Pennsylvania, Wisconsin, Michigan und Florida, wo Trump seinen Wohnsitz hat, aber trotzdem deutlich in Rückstand liegt. Da nicht die Direktstimmen, sondern die sogenannten Elektoren den Wahlsieger bestimmen, muss Trump wie auch vor vier Jahren gegen Hillary Clinton nicht nur einige, sondern sämtliche dieser Staaten gewinnen. Leicht wird es der Präsident nicht haben, den verlorenen Boden wettzumachen. Lange Zeit hatte er gemeint, dass das Virus “einfach verschwinden wird”. Die Verharmlosungstaktik entwickelte aber einen Bumerangeffekt. Die vorzeitige Öffnung der Wirtschaft ließ in vielen Staaten die Erkrankungen wieder hochschießen. Mittlerweile sind bei über 4 Millionen Infektionen rund 150 000 Menschen gestorben.Besonders prekär ist aus Trumps Sicht die Tatsache, dass die Pandemie gerade dort, wo viele seiner Stammwähler beheimatet sind, deutlich eskaliert, etwa in Florida, Texas und Arizona. In Florida, dem neuen Epizentrum der Pandemie, hat die Zahl der Erkrankungen nun den Höhepunkt überschritten, der im Frühjahr in New York erreicht worden war. Trotzdem sollen dort demnächst Kneipen wieder öffnen und Kinder in die Schule zurückkehren.Angesichts der düsteren Aussichten auf eine Wiederwahl setzt Trump auf neue Ablenkungsmanöver und vermarktet sich nun als der “Präsident für Recht und Ordnung”. Nach Protesten gegen den gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd schickte er die Bundespolizei nach Portland, Chicago, Kansas City und in andere Städte. Unter ihnen Agenten des FBI, des Grenzschutzes Customs and Border Patrol (CBP), des US Marshals Service und paramilitärisch ausgerüstete Kräfte einer neuen Geheimpolizei (Secret Police).Zeugen berichten, wie schwerbewaffnete Männer in Tarnkleidung aus Minivans und anderen nicht gekennzeichneten Zivilfahrzeugen springen und ohne Warnung Menschen verschleppen. Trumps Rechtfertigung dafür: “In Joe Bidens Amerika werdet ihr nicht sicher sein”, wie es in einer neuen Werbekampagne heißt. Experten bezweifeln aber, dass es dem Präsidenten damit gelingen wird, das Ruder wieder herumzureißen. *Die USA wollen deutlich mehr Soldaten aus Deutschland abziehen als bisher angenommen. Im Juni hatte Präsident Trump noch gesagt, dass etwa 9 500 Mitglieder der Luftwaffe und der Armee von der Reduktion betroffen sein würden. Wie US-Verteidigungsminister Mark Esper aber am Mittwoch in Washington sagte, wird die Zahl bei 11 800 liegen. Grund dafür ist die strikte Obergrenze von 25 000, mit der Trump die Truppenpräsenz in Deutschland versehen hatte.Treffen wird die Umstrukturierung den Luftwaffenstützpunkt Spangdahlem in Rheinland-Pfalz sowie die Armeestützpunkte Grafenwöhr, Vilseck und Wildflecken in Bayern. Bestrafen will Trump damit die Bundesregierung für die von ihm als zu gering angesehenen deutschen Verteidigungsausgaben ebenso wie den anhaltend hohen deutschen Überschuss im bilateralen Handel.Im US-Kongress stoßen die Pläne aber auf Widerstand. Sowohl Demokraten als auch Republikaner befürchten, dass der Truppenabzug in Europa die eigene militärische Position und die der Nato gegenüber Russland schwächen wird.