Arbeitsmarkt

Deutsche arbeiten weniger Wochenstunden

Vollzeitbeschäftigte heute arbeiten weniger Stunden als noch 2010. Im selben Zeitraum aber nimmt die Teilzeit deutlich zu. Für den Arbeitsmarkt könnte das zu einem Problem werden.

Deutsche arbeiten weniger Wochenstunden

Wochenarbeitszeit nimmt ab

Destatis: Teilzeit auf dem Vormarsch – Expertin: Erwerbsarbeit ungleich verteilt

ast Frankfurt

Wer einen Vollzeitjob hat, arbeitete 2022 durchschnittlich 40,0 Stunden – und damit 0,6 Stunden weniger als noch im Jahr 2010. Das geht aus einer Erhebung zur Wochenarbeitszeit der Deutschen hervor, die das Statistische Bundesamt (Destatis) am Montag veröffentlichte. Im gleichen Zeitraum ergab sich bei der geleisteten Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten eine Zunahme um 2,8 Stunden auf 21,2 Wochenstunden. Da sich Vollzeit- und Teilzeitwochenpensum gegenläufig entwickelten, registrierten die Wiesbadener Statistiker mit Blick auf die durchschnittliche Wochenarbeitszeit aller Sozialversicherungspflichtigen nur einen geringen Rückgang. 2020 betrug die Durchschnittsarbeitszeit noch 34,7 Stunden, 2022 waren es nur noch 34,3 Arbeitsstunden.

Frauen im Nachteil

Zwar hat seit 2010 sowohl die Zahl der Vollzeitbeschäftigten als auch die der Teilzeitbeschäftigten zugenommen. Die Destatis-Experten vermuten aber, dass die seit 2010 wachsende Zahl an abhängig Beschäftigten bei gleichzeitig steigender Teilzeitquote ein Zeichen ist, dass in der Summe betrachtet Teilzeitbeschäftigung Vollzeitstellen ersetzt. Das allerdings dürfte angesichts des zuletzt trotz Konjunkturflaute in Deutschland zunehmenden Fachkräftemangels nicht im Interesse von Politik und Wirtschaft liegen. Zudem sind nach wie vor deutlich mehr Frauen (9,2 Millionen) in Teilzeit beschäftigt als Männer (2,6 Millionen).

Für Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI), weisen die neuen Daten auf ein strukturelles Problem hin. „Die Zahlen spiegeln einen Arbeitsmarkt, in dem die Erwerbsarbeit zwischen Männern und Frauen weiterhin ungleich verteilt ist und der wenig Spielraum für eine faire Verteilung der Sorgearbeit lässt“, schrieb die Bildungssoziologin auf dem Nachrichtendienst X, früher Twitter. Wer weniger Frauen in Teilzeit sehen wolle, müsse die Vollzeit so ausgestalten, dass sie mit der Sorgearbeit vereinbar sei, so Kohlrausch. Bei durchschnittlich 40,0 Stunden Vollerwerbstätigkeit gebe es durchaus Spielraum zur Verkürzung der Arbeitszeit. Nur so könne die Erwerbstätigkeit von Frauen erhöht und der Fachkräftemangel gelindert werden. Damit widerspricht Kohlrausch vielen Wirtschaftsverbänden, die in den vergangenen Monaten immer lauter eine längere Wochenarbeitszeit – und ein späteres Renteneintrittsalter – forderten.

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