IWH-Insolvenztrend

Deutsche Unternehmen zeigen Nerven

Der IWH-Insolvenztrend zeigt mehr Firmenpleiten im Oktober und ein Rekordhoch in Hessen, aber die Aussicht auf zwei ruhigere Monate. Unerfreulicher sind eine Ifo-Umfrage und Gründungsdaten von Destatis.

Deutsche Unternehmen zeigen Nerven

Deutsche Unternehmen zeigen Nerven

Mehr Insolvenzen im Oktober – Wettbewerbsfähigkeit der Industrie auf Rekordtief

Mehr Firmenpleiten im Oktober und ein Rekordhoch in Hessen, aber die Aussicht auf zwei ruhigere Monate. Der IWH-Insolvenztrend zeigt ein durchaus gemischtes Bild der deutschen Firmenlandschaft. Deutlicher wird eine Ifo-Umfrage zur Wettbewerbsfähigkeit und Gründungsdaten von Destatis.

ba Frankfurt

Um die deutsche Firmenlandschaft ist es schlecht bestellt: Im Oktober sind erneut mehr Unternehmen in die Pleite gerutscht, allerdings waren weniger Jobs betroffen als im Vormonat. Der IWH-Insolvenztrend lässt für die kommenden beiden Monate eine spürbare Beruhigung bei den Fallzahlen erwarten, bevor sie im Januar erneut ansteigen. Vor allem in der Industrie zeigen sich die strukturellen Probleme – so gering wie aktuell wurde laut einer Ifo-Umfrage die eigene Wettbewerbsfähigkeit noch nie eingeschätzt. Und eine Auswertung des Statistischen Bundesamts (Destatis) wiederum zeigt, dass sich ein Großteil der neu gegründeten Unternehmen hierzulande ohnehin schwertut, langfristig am Markt zu bestehen.

Pleiterekord in Hessen

Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) meldet für Oktober einen Anstieg der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften um 5% zum Vormonat auf 1.553. Das sind 68% mehr als in einem durchschnittlichen Oktober der Vor-Coronajahre 2016 bis 2019. Für Hessen melden die Forscher mit 174 Pleiten – nach 157 im September – sogar den höchsten Stand seit Beginn der Erfassung im IWH-Insolvenztrend im Januar 2016.

Im Oktober waren aber vergleichsweise wenig Arbeitsplätze betroffen: Bei den größten 10% der Insolvenzen waren es knapp 13.000. Das sind 36% weniger als im September. Das Vorjahresniveau wurde knapp unterschritten, das Vor-Coronaniveau allerdings um 56% übertroffen. Unter den Branchen gingen wie schon im September die meisten Jobs im Handel verloren – diesmal waren es wegen mehrerer größerer Insolvenzen 3.900. Zum Vergleich: „In den Monaten vor Ausbruch der Corona-Pandemie waren monatlich weniger als 2.000 betroffene Jobs im Handel die Regel“, betont das IWH. Im Gegensatz dazu lag „die Zahl der betroffenen Industriejobs im Oktober mit rund 3.700 erneut auf niedrigem Niveau und kaum höher als unmittelbar vor der Pandemie“.

Dabei gehen laut IAB-Forscher Enzo Weber derzeit monatlich rund 10.000 Stellen verloren, die Bundesagentur für Arbeit benennt einen Stellenabbau im verarbeitenden Gewerbe binnen Jahresfrist von rund 146.000, vor allem in der Metall- und Elektroindustrie.

Druck steigt auch in der EU

Wie stark die strukturellen Probleme inzwischen durchschlagen, zeigt eine Ifo-Umfrage, derzufolge die deutschen Industrieunternehmen ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit im Oktober so schwach einschätzen wie nie. 36,6% der Firmen berichteten einen Rückgang ihrer Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Ländern außerhalb der EU. Im Juli waren es noch 24,7%. Der Druck steigt laut der Umfrage aber auch innerhalb Europas: Der Anteil der Firmen mit sinkender Wettbewerbsfähigkeit gegenüber EU-Mitgliedstaaten stieg von 12,0% auf 21,5% – ebenfalls ein negativer Rekord.

Dramatische Lage in der Chemie

Dabei habe die Wettbewerbsfähigkeit über alle Branchen hinweg nachgelassen. Besonders dramatisch sei die Situation in der energieintensiven Industrie, insbesondere in der chemischen Industrie sowie den Herstellern von elektronischen und optischen Erzeugnissen.

Neben der Industrie gilt derzeit auch der Bau als Sorgenkind – der allerdings ebenso wie der Handel, der wiederum unter der anhaltend schwachen Konsumlaune leidet – bei den Überlebensraten neu gegründeter Unternehmen nach einem und fünf Jahren im Mittelfeld rangiert, wie das Statistikamt Destatis zur Gründungswoche vom 17. bis 23. November mitteilte.

Vergleichsweise hohe Überlebensrate bei Versicherern

In der Gastronomie etwa gibt es zwar überdurchschnittlich viele Unternehmensgründungen und 2023 waren noch vier von fünf oder 80,2% der im Jahr zuvor gegründeten Gastronomie-Unternehmen aktiv. Von den fünf Jahre zuvor gegründeten war es mit 36,0% aber nur noch lediglich gut ein Drittel.

Am niedrigsten war die Rate nach fünf Jahren im Bereich „Kreative, künstlerische und unterhaltende Tätigkeiten“ (27,3%). Niedrige Raten ermittelten die Wiesbadener Statistiker auch bei Post-, Kurier- und Expressdiensten (27,9%) sowie bei Reisebüros und -veranstaltern (31,9%). Am erfolgreichsten erwiesen sich Betriebe im Veterinärwesen (60,2%), im Gesundheitswesen (57,4%) sowie bei Versicherungen, Rückversicherungen und Pensionskassen (56,8%).

2023 war kein gutes Unternehmensjahr

8,4% oder rund 269 000 der 3,2 Millionen Unternehmen in Deutschland sind im Jahr 2023 neu gegründet worden. Im Jahr zuvor lag die Gründungsrate, also der Anteil der in einem Jahr gegründeten Unternehmen am gesamten Unternehmensbestand desselben Jahres, bei 8,0%. Allerdings wurden 2023 mehr Unternehmen geschlossen als neu gegründet: Die laut Destatis insgesamt gut 283.000 geschlossenen Unternehmen ergaben eine Schließungsrate von 8,9 %.