Deutsches BIP schrumpft im Frühjahr
ba Frankfurt – Nach einem überraschend starken Jahresauftakt hat die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal den Rückwärtsgang eingelegt. Da sich die Konjunkturperspektiven bereits seit einiger Zeit deutlich eingetrübt haben, sind die Ökonomen zwar von ihrer Erwartung abgerückt, dass es im zweiten Halbjahr zu einer deutlichen Erholung kommt – mit einem Absturz im Gesamtjahr rechnen sie aber weiterhin nicht. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit einer technischen Rezession, also von zwei aufeinanderfolgenden Quartalen mit negativen Wachstumsraten, mit den gestern veröffentlichten Daten gestiegen. Zuletzt gab es eine solche Konstellation zum Jahreswechsel 2012/2013.Vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis) zufolge ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) von April bis Juni preis-, saison- und arbeitstäglich bereinigt um 0,1 % gesunken (siehe Grafik). Zum Jahresauftakt war die hiesige Wirtschaft noch unerwartet kräftig um 0,4 % gewachsen. Im Vergleich zum Vorjahresquartal hat das BIP preis- und kalenderbereinigt 0,4 % zugelegt. Hier hatten Ökonomen mit einem kleineren Plus von 0,1 % gerechnet. “Ende einer goldenen Dekade”Die Daten markierten “das Ende einer goldenen Dekade”, doch Grund zur Panik bestehe nicht, sagte Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Deutschland. Seit dem Ende der durch die Weltfinanzkrise ausgelösten Rezession 2008/2009 sei die deutsche Wirtschaft in 35 von 40 Quartalen mit durchschnittlichen 0,5 % im Vorquartalsvergleich gewachsen. Als Wachstumsfundament benennt Brzeski frühere Strukturreformen, fiskalische Impulse, den Höhepunkt der Globalisierung, die Niedrigzinsphase und den schwachen Euro. Nun sei es an der Zeit, die neuen Herausforderungen anzupacken, um das langfristige Wachstumspotenzial zu heben. Dies sind laut Brzeski Digitalisierung, Klimaschutz, Infrastruktur und Bildung.Einige Volkswirte verweisen in ihren Analysen auf Sondereffekte bei der Entwicklung im Frühjahr. Alexander Krüger, Chefvolkswirt beim Bankhaus Lampe, sieht als dämpfenden Faktor den Rückgang der britischen Vorratsverkäufe aus der Sorge vor dem damals drohenden harten Brexit im März. Andreas Rees, Deutschland-Chefvolkswirt der Unicredit, verweist auf die zu Jahresbeginn ungewöhnlich milde Witterung, so dass die übliche Frühjahrsbelebung diesmal früher angefangen habe.Ersten Angaben von Destatis zufolge sind zwar die Investitionen im zweiten Quartal im Vergleich zum Jahresauftakt gestiegen, die Bauinvestitionen allerdings waren rückläufig. Bremsend hat sich der Außenhandel ausgewirkt, da die Exporte im Vorquartalsvergleich kräftiger geschrumpft sind als die Importe. Hier zeigen sich die Auswirkungen des schwächelnden Welthandels und des eskalierenenden US-chinesischen Handelskonflikts sowie die Verunsicherung über den weiteren Fortgang des Brexit.Der Staat hingegen hat seine Konsumausgaben gesteigert, ebenso wie die privaten Haushalte. Die niedrige Arbeitslosigkeit und gestiegene Löhne und Gehälter sorgen für Konsumlaune beim Verbraucher. Allerdings sind zuletzt Jobängste aufgekommen mit den Meldungen über Stellenstreichungen bei großen Unternehmen und steigende Kurzarbeit. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will hier aber Vorsorge treffen und Anreize schaffen, dass konjunkturbedingte Kurzarbeit stärker mit Qualifizierung verbunden wird. Revision der VorquartaleDie BIP-Details veröffentlicht Destatis erst am 27. August – ebenso wie weitere Informationen zur Generalrevision 2019 der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Am konjunkturellen Gesamtbild habe die Revision aber nichts geändert, auch wenn im Quartalsvergleich die BIP-Veränderungsraten um bis zu 0,6 Punkte von den bisherigen Ergebnissen abweichen. So ist etwa das reale BIP im dritten Quartal 2018 um 0,1 % statt 0,2 % geschrumpft und hat im Schlussabschnitt 2018 nicht stagniert, sondern ist um 0,2 % gewachsen, wie die Statistiker mitteilten.