Konjunktur

Deutschland tastet sich an Wachstum heran

Stabile private Konsumausgaben haben überraschend zu einer Stagnation der deutschen Wirtschaft im zweiten Quartal geführt. Frankreich und Spanien allerdings haben kräftig zugelegt, so dass Deutschland der Bremsklotz im Euroraum bleibt. Im zweiten Halbjahr dürfte es kaum besser werden.

Deutschland tastet sich an Wachstum heran

Deutschland tastet sich an Wachstum heran

Privater Konsum hat sich stabilisiert – BIP legt in Frankreich und Spanien kräftig zu

Stabile private Konsumausgaben haben überraschend zu einer Stag­nation der deutschen Wirtschaft im zweiten Quartal geführt. Frankreich und Spanien allerdings haben kräftig zugelegt, so dass Deutschland der Bremsklotz im Euroraum bleibt. Im zweiten Halbjahr dürfte es kaum besser werden.

ba Frankfurt

Die deutsche Wirtschaft hat im Frühjahr überraschend stagniert, bleibt damit aber immer noch hinter anderen großen Euro-Volkswirtschaften deutlich zurück. Denn Frankreich und Spanien warten mit einem kräftigen Wachstum auf. Damit dürfte die Euro-Wirtschaft in den drei Monaten bis Juni in der Tat wie von Ökonomen prognostiziert um 0,2% im Quartalsvergleich gewachsen sein. Zu Jahresbeginn hatte sie noch stagniert, wodurch eine Rezession vermieden wurde. Am Montag berichtet das Statistikamt Eurostat über die Entwicklung im zweiten Quartal.

Rezession weniger tief

Hierzulande ist rein technisch die Rezession, in die die Wirtschaft im Winterhalbjahr gerutscht war, zumindest vorerst beendet. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal preis-, saison- und kalenderbereinigt im Quartalsvergleich nicht weiter gesunken (0,0%). Ökonomen hatten einen erneuten Rückgang erwartet, und zwar um 0,1%. Zudem fiel die Rezession nicht ganz so tief aus wie zunächst gemeldet: Die Wiesbadener Statistiker revidierten den Rückgang vom ersten Quartal um 0,2 Prozentpunkte auf −0,1% sowie den Schlussabschnitt 2022 um 0,1 Prozentpunkte auf −0,4% nach oben. Durch diese Revisionen ist das reale BIP nun wieder etwas höher als vor Ausbruch der Pandemie, konstatiert Ralph Solveen von der Commerzbank. „Negativ gewendet bedeutet dies allerdings, dass die Wirtschaft in den vergangenen vier Jahren per saldo praktisch nicht gewachsen ist.“

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Zudem deuteten die durch die Bank fallenden Frühindikatoren wie die Einkaufsmanagerindizes und das Ifo-Geschäftsklima auf ein neuerliches Schrumpfen der Wirtschaft im zweiten Halbjahr. Stefan Schneider, Chefvolkswirt für Deutschland der Deutschen Bank, erinnert zudem an die erheblichen Abwärtskorrekturen der Schnellschätzung in den vergangenen beiden Vierteljahren, nachdem jeweils der letzte Monat des Quartals negativ überrascht hatte. „Das könnte wieder passieren“, auch wenn er vermute, „dass das Bundesamt bei den nötigen Schätzungen diesmal wohl konservativer war.“ Eine Stabilisierung deutet sich für DekaBank-Chefvolkswirt Ulrich Kater „erst Richtung 2024 an, wenn die Konsumnachfrage durch die hohen Lohnabschlüsse wieder gestärkt wird“.

Für den Vorjahresvergleich weist Destatis ein Minus von preisbereinigt 0,6% im zweiten Quartal aus. Dass der Rückgang preis- und kalenderbereinigt −0,2% geringer ausfiel, erklären die Statistiker damit, dass ein Arbeitstag weniger zur Verfügung stand als im Vorjahreszeitraum.

Kaum Rückschlüsse möglich

Die beiden anderen Euro-Schwergewichte, Frankreich und Spanien, sind deutlich stärker gewachsen: Frankreichs Wirtschaft hat im Frühjahr um 0,5% im Quartalsvergleich zugelegt. Ökonomen hatten lediglich ein Plus von 0,1% erwartet. Bereits zu Jahresbeginn war das BIP um revidiert 0,1 (zunächst: 0,2)% geklettert. Laut dem Statistikamt Insee lieferte vor allem der Außenhandel einen positiven Impuls, nachdem die Exporte mit 2,6% deutlicher zulegten als die Importe mit 0,4%. Die Binnennachfrage hingegen dämpfte das Wachstum erneut, da der Privatkonsum um 0,4% zurückging. Leicht positiv wirkten sich laut Insee die Bruttoanlageinvestitionen aus, die Vorratsveränderungen hingegen etwas negativ. Das spanische BIP legte wie von Ökonomen erwartet um 0,4% zu. Zu Jahresbeginn war das Plus mit 0,5% aber noch höher ausgefallen. Laut dem Statistikamt INE wirkte sich allein der Außenhandel dämpfend aus.

Destatis wiederum veröffentlich bei der ersten Schnellmeldung noch keine Details, gibt aber einen Fingerzeig: So hätten sich „die Konsumausgaben der privaten Haushalte nach dem schwachen Winterhalbjahr im zweiten Quartal 2023 stabilisiert“, hieß es aus Wiesbaden. Mehr Informationen gibt es am 25. August. „In Anbetracht der hohen Zinsen dürften die Bauinvestitionen mit einem Minus versehen sein“, erwartet aber Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck lobte zwar die „leicht positiven Tendenzen beim privaten Konsum und bei den Investitionen“, mahnte aber „das reicht nicht, und das ist alles andere als zufriedenstellend“. Vor allem strukturelle Probleme, wie der Fachkräftemangel oder zu langatmige Genehmigungsverfahren, die das Land seit Jahrzehnten mit sich herumschleppe, würden heute belasten. Er erneuerte seine Forderung nach dem umstrittenen Industriestrompreis.

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