Konjunkturprognosen

Deutschland wird zur Wachstumsbremse in der EU

Die Volkswirtschaften in Euroland werden nach Einschätzung der EU-Kommission in diesem Jahr nur um 0,8% zulegen. Das Wachstum fällt somit noch geringer aus als noch im Herbst erwartet. Deutschland ist Schlusslicht in der EU. Einer DIHK-Umfrage zufolge ist die Stimmung in den Unternehmen aktuell im Keller.

Deutschland wird zur Wachstumsbremse in der EU

Deutschland ist die EU-Wachstumsbremse

Brüssel muss ohnehin schwache Prognose weiter senken – DIHK: Schlechte Stimmung der Unternehmen verfestigt sich

ahe/fed Berlin/Frankfurt

Die Volkswirtschaften in Euroland werden nach Einschätzung der EU-Kommission in diesem Jahr nur um 0,8% zulegen. Das Wachstum fällt somit noch geringer aus als im Herbst erwartet. Deutschland ist Schlusslicht in der EU. Einer DIHK-Umfrage zufolge ist die Stimmung in den Unternehmen aktuell im Keller.

Das reale Wirtschaftswachstum in den Ländern des Euroraums wird nach dem aktualisierten Ausblick der EU-Kommission in diesem Jahr im Schnitt unter 1% bleiben. Die im November aufgestellte Prognose von – im langfristigen Vergleich bereits relativ dürftigen – 1,2% wird damit noch weiter zurückgenommen, nämlich auf nur noch 0,8%. „Der für 2024 erwartete Aufschwung wird bescheidener ausfallen als noch vor drei Monaten prognostiziert“, fasst EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni die Erwartungen der Brüsseler Volkswirte zusammen.

Deutschland wird in diesem Jahr alleiniges und nächstes Jahr gemeinsam mit Italien Schlusslicht in Sachen reales Wirtschaftswachstum sein, und zwar nicht nur im Euro-Währungsgebiet, sondern in der gesamten Europäischen Union. Für dieses Jahr haben die EU-Beamten ein Wachstum von 0,3% in ihre Prognosetabellen eingetragen, für nächstes 1,2%. Gentiloni mahnte, die Schwäche Deutschlands strahle auf den Rest der EU aus: „Das ist eine Herausforderung für uns alle.“ Als Exportnation werde Deutschland vor eine besondere Aufgabe gestellt, seine Lieferketten so umzustellen, dass die Abhängigkeit von einzelnen Quellenländern wie China sinke.

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sieht die Wachstumserwartung aus Brüssel sogar als noch zu optimistisch an und stellte für Deutschland eine eigene Prognose auf, die ein BIP-Minus von 0,5% vorsieht. Im Herbst hatte die Kammer noch ein Nullwachstum prognostiziert. Sollte die DIHK recht haben, gäbe es nach den Jahren 2002/2003 erst zum zweiten Mal in der Nachkriegsgeschichte zwei aufeinander folgende Jahre mit schrumpfender Wirtschaftsleistung in Deutschland.

Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben forderte die Bundesregierung am Donnerstag auf, ein beherztes Maßnahmenpaket zur Stärkung des Standorts zu schnüren und in dem Zuge auch das deutsche Lieferkettengesetz auszusetzen. Er verwies auf eine neue Umfrage unter mehr als 27.000 Unternehmen in Deutschland, der zufolge sich die schlechte Stimmung in den Betrieben weiter verfestigt habe.

„Strukturelle Probleme“

Laut der Umfrage bezeichnen noch mehr Unternehmen ihre aktuelle Geschäftslage als „gut“ (29%) denn als „schlecht“ (21%). Mit Blick auf die nächsten zwölf Monate kippt die Stimmung aber zunehmend: Hier sagen schon 35% der Befragten, sie gingen von Verschlechterungen aus, und nur 14% erwarten eine Besserung ihrer Lage. Wansleben sprach von „strukturellen Problemen“, die die deutsche Wirtschaft belasteten. Besonders alarmierend sei, dass mittlerweile 57% der Unternehmen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland als Geschäftsrisiko ansähen – immerhin sechs Prozentpunkte mehr als noch im Herbst.

Dieser Wert liegt in den regelmäßigen DIHK-Umfragen mittlerweile so hoch wie noch nie zuvor. Frust gebe es in den Unternehmen insbesondere wegen der ausufernden Bürokratie, hieß es. Zu den weiteren wesentlichen Geschäftsrisiken zählen die deutschen Unternehmen derzeit nach wie vor die hohen Energiekosten (60%), den Fachkräftemangel (56%) und zunehmend auch die hohen Arbeitskosten (53%).

Neue Inflationsprognose

Erfreuliches hatte am Donnerstag immerhin die EU-Kommission mit Blick auf die absehbare Preisentwicklung zu vermelden: Die Inflation werde sich voraussichtlich schneller abschwächen als im Herbst prognostiziert. Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) dürfte sich voraussichtlich von 5,4% im vergangenen Jahr auf 2,7% im laufenden Turnus und auf 2,2% im Jahr 2025 verringern.

Gentiloni übte sich in Zuversicht, dass sich „aufgrund des langsameren Preisanstiegs, steigender Reallöhne und eines bemerkenswert starken Arbeitsmarktes“ das Wachstum nun wieder „allmählich beschleunige“. Nach Einschätzung der EU-Kommission dürfte sich das Wachstum nächstes Jahr „festigen“ und die Inflation in die Nähe des 2-Prozent-Ziels der Europäischen Zentralbank sinken.

Der EU-Wirtschaftskommissar räumte in Brüssel ein, dass die Prognose unter besonderem Vorbehalt stehe, nicht zuletzt wegen der zunehmenden geopolitischen Spannungen und einer „Reihe entscheidender Wahlen in diesem Jahr in der ganzen Welt“. Auf Rückfrage stellt er klar, dass in der Prognose ein möglicher Wahlerfolg Donald Trumps bei den US-Präsidentschaftswahlen nicht einkalkuliert worden ist.

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