Die Arbeitsaufträge an die nächste EU-Kommission
Wie die nächste EU-Kommission aussehen wird, die voraussichtlich im November 2019 ihr Amt antritt, weiß zurzeit noch niemand. Es stehen ja gerade erst einige Spitzenkandidaten für die Europawahl fest, die jetzt so langsam ihren Wahlkampf anrollen lassen. Dennoch wird hinter den Kulissen in Brüssel schon seit längerer Zeit sondiert, welche inhaltlichen Schwerpunkte die Brüsseler Behörde setzen sollte, müsste oder zumindest könnte, wenn die neue Mannschaft denn einmal am Start sein wird. In den einzelnen Generaldirektionen der Kommission werden schon seit Wochen entsprechende Strategien erarbeitet. Aber auch im derzeitigen EU-Parlament, vonseiten der Industrie oder in den zahlreichen Thinktanks werden bereits konkrete Vorschläge für eine inhaltliche Neujustierung ab 2019 diskutiert. Es geht dabei gar nicht so sehr um eine voreilige Verteilung eines noch nicht erlegten Bären, sondern eher darum, Themen bereits im anstehenden Wahlkampf entsprechend adressieren zu können und Vorarbeiten zu künftigen Gesetzesinitiativen bereits vor Amtsantritt der neuen Kommissare weitgehend abzuschließen. *Im Bereich der Finanzdienstleistungen konkretisieren sich nach derzeitigem Diskussionsstand mehrere Schwerpunktthemen. Die zweite Barroso-Kommission war hier ja im Wesentlichen mit der Aufarbeitung der Finanzkrise und mit Stabilisierungsmaßnahmen beschäftigt gewesen. Die Juncker-Kommission hatte im Anschluss unter anderem das Thema Finanzierung ganz hoch auf ihre Agenda gesetzt, zum Beispiel über den Aufbau einer europäischen Kapitalmarktunion. Junckers Nachfolger, so sind sich die Beobachter in Brüssel nun einig, werden wieder viel stärker die Retail-Märkte und den Verbraucherschutz in den Fokus nehmen. Es geht hier unter anderem um eine stärkere Harmonisierung der Regelungen und damit eine Angleichung der Schutzniveaus in den einzelnen EU-Staaten, aber auch um Antworten auf die Digitalisierung im Bereich des Verbraucherschutzes und um einen Abbau von Hindernissen bei grenzüberschreitenden Finanzgeschäften. Abgeordnete aus dem Wirtschafts- und Währungsausschuss (Econ) des EU-Parlaments fordern zudem eine Konsolidierung der neuen, nicht immer zueinander passenden europäischen Regelungen rund um die Marktrichtlinie Mifid II und die Priips-Verordnung, die zum Teil auch noch im Widerspruch zu deutschen Informationsanforderungen stehen. Und die EU- Kommission organisiert bereits Anfang Dezember eine erste Anhörung zur geplanten Reform der Verbraucherkreditlinie. *Zu den weiteren Schwerpunktthemen dürfte auch das Thema Sustainable Finance gehören. Hier hatte ja auch die Juncker-Kommission in diesem Jahr schon erste Aufschläge mit einem “Aktionsplan” und ersten Arbeiten an einem Klassifizierungssystem für Nachhaltigkeit geliefert. Diese Arbeiten dürften auch 2019 unter dem neuen Finanzmarktkommissar weitergehen, sollen sie doch nicht nur für mehr Stabilität und Transparenz sorgen, sondern auch “grüne” Investitionen, die zur Erreichung der EU-Klimaziele beitragen, weiter pushen. *Im Econ – und nicht nur dort – zeigen sich viele Abgeordnete zurzeit unzufrieden über den Zustand der Kapitalmarktunion, die gerade vor dem Hintergrund des anstehenden Brexit eine immer größere Bedeutung erhält. Vonseiten der EU-Kommission wurden zwar zahlreiche Gesetzesvorschläge in den vergangenen Jahren auf den Tisch gelegt – umgesetzt wurde bislang aber nur wenig. Die Fragmentierung der Märkte ist nach wie vor groß. Die künftige EU-Kommission dürfte daher mit dem klaren Arbeitsauftrag versehen werden, hier noch einmal nachzulegen. Und sonst? Im Bereich der Regulierung steht die Umsetzung von Basel IV auf der Agenda. Gesetzesvorschläge hierzu werden im Frühjahr 2020 erwartet. Im Bereich der Fintech-Entwicklung dürften zudem ebenso neue Initiativen kommen wie in der Unternehmensbesteuerung.