NOTIERT IN BRÜSSEL

Die drei Unzufriedenen in der EU

Die europäischen Institutionen befragen regelmäßig die Bürger in allen EU-Mitgliedstaaten, um sich ein umfassendes Bild der öffentlichen Meinung zu machen und zugleich nationale Unterschiede und europaweite Trends herausfiltern zu können. Die...

Die drei Unzufriedenen in der EU

Die europäischen Institutionen befragen regelmäßig die Bürger in allen EU-Mitgliedstaaten, um sich ein umfassendes Bild der öffentlichen Meinung zu machen und zugleich nationale Unterschiede und europaweite Trends herausfiltern zu können. Die EU-Kommission hat in dieser Woche erste Ergebnisse einer neuen dieser sogenannten Eurobarometer-Untersuchungen vorgelegt, die durchaus bemerkenswert ausgefallen sind: Insgesamt erhält die EU dabei nämlich eine so positive Bewertung wie schon seit zehn Jahren nicht mehr. Dies lässt sich insbesondere an drei Punkten festmachen: Das Vertrauen der Menschen in die EU, die insgesamt positive Bewertung der Union sowie der Optimismus beim Blick in die EU-Zukunft sind demnach so hoch wie seit Herbst 2009 nicht mehr. Es scheint so, als würden die Wunden, die zunächst die Finanz-, Wirtschafts- und Schuldenkrise und später die Migrationskrise gerissen haben, so langsam wieder verheilen. *Es lohnt sich allerdings ein Blick in das Kleingedruckte der Umfrage-Ergebnisse. Dort zeigt sich nämlich, dass es auch Unzufriedenheit mit der EU gibt und dass diese gerade in drei Ländern immer wieder deutlich zutage tritt: Zu diesem Trio gehört natürlich Großbritannien. Dazu gehört aber auch – trotz der jahrelangen milliardenschweren Hilfsprogramme – Griechenland. Und dazu gehört auch Frankreich. Auf die Frage, ob sie der EU grundsätzlich eher vertrauen oder eher misstrauen, antworteten beispielsweise 72 % der Litauer oder 68 % der Dänen positiv. Am Ende dieser Skala der 28 Länder: Frankreich (33 %), Griechenland (32 %), Großbritannien (29 %). Auf die Frage, ob sie die Zukunft der EU eher optimistisch oder pessimistisch sehen, entschieden sich 85 % der Iren oder 79 % der Dänen für den Optimismus. Am Ende dieser Skala: Frankreich (50 %), Großbritannien (47 %), Griechenland (45 %). Oder noch ein Beispiel: Auf die Frage nach der Art und Weise, wie die Demokratie in Europa funktioniert, sagten zwei Drittel oder mehr der Befragten in Belgien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Finnland, Polen, Portugal, Dänemark und Irland, sie seien zufrieden. Am Ende dieser Skala: Großbritannien (46 %), Frankreich (45 %) und wieder Griechenland (36 %). *Warum es immer wieder auf dieses Trio hinausläuft, ist nicht so einfach zu beantworten. Die Antworten zu den größten Problemen, denen die EU zurzeit gegenübersteht, fallen in London, Paris und Athen auf jeden Fall nicht sehr viel anders aus als in der übrigen Europäischen Union. Wie auch im EU-Durchschnitt steht auch in Frankreich und Griechenland das Thema Einwanderung ganz oben auf der Sorgenliste. In Großbritannien liegt es knapp hinter der Wirtschaftslage auf Platz zwei. Die Klimapolitik (im EU-Durchschnitt die aktuell zweitwichtigste Herausforderung) spielt bei den Franzosen und Briten ebenfalls eine herausragende Rolle. In Frankreich kommt noch das Terror-Problem hinzu, in Griechenland das Thema der öffentlichen Finanzen. *Vor allem die Europa-Unzufriedenheit in Frankreich dürfte in Brüssel für einiges Stirnrunzeln sorgen – hat das EU-Gründungsland doch nicht nur einen überzeugten Europäer als Staatspräsidenten, sondern will gerade nach dem Brexit auch seinem Führungsanspruch noch stärker als bisher gerecht werden. Doch wie stark kann ein deutsch-französischer Motor sein, wenn es nicht nur ständig Differenzen zwischen Paris und Berlin gibt, sondern zusätzlich auch eine zunehmende Skepsis gegenüber der europapolitischen Wirklichkeit in der Bevölkerung? Auch in Deutschland zeigte die neue Eurobarometer-Umfrage ja keine EU-Euphorie. Bei den erwähnten drei Fragen zum Vertrauen in die EU, zu den Zukunftserwartungen und zum Zustand der Demokratie landete Deutschland im Ranking der 28 Länder jeweils im Mittelfeld. Ein Von-der-Leyen-Effekt ist auf jeden Fall in den Antworten noch nicht enthalten: Die Befragungen wurden wenige Tage vor der Nominierung der neuen EU-Kommissionspräsidentin abgeschlossen.