Drohende Finanzkrise

„Die US-Staatsschulden sind eine tickende Zeitbombe“

Die Zölle dürften nach Ansicht von Ökonomen das Wirtschaftswachstum der USA zwar senken, jedoch keine Rezession herbeiführen. Deutlich pessimistischer blicken sie auf die Fiskalpolitik Washingtons und warnen vor einer Finanzkrise, die am Horizont aufzieht.

„Die US-Staatsschulden sind eine tickende Zeitbombe“

„Die US-Staatsschulden sind eine tickende Zeitbombe“

Chefökonomen warnen vor den wirtschaftlichen Folgen der Fiskal- und Handelspolitik der USA – Fed steht vor Zinssenkungen – Risiko für Finanzkrise steigt

Die Zölle dürften nach Ansicht von Ökonomen das Wirtschaftswachstum der Vereinigten Staaten zwar senken, jedoch eher keine Rezession herbeiführen. Deutlich pessimistischer blicken die Volkswirte auf die Fiskalpolitik Washingtons und warnen vor einer Finanzkrise, die am Horizont aufzieht.

Von Martin Pirkl, Frankfurt

Die expansive Fiskalpolitik der USA schnürt der größten Volkswirtschaft der Welt Stück für Stück die Luft zum Atmen ab. Nach Berechnungen des Vermögensverwalters Bantleon werden die Zinslasten der USA in den nächsten zehn Jahren von derzeit gut 12% des Bruttoinlandsprodukts auf rund 25% steigen. Nicht ohne Grund fordert US-Präsident Donald Trump immer wieder lautstark deutliche Zinssenkungen der Fed. Die Notenbank dürfte wegen der sich verschlechternden Lage am Arbeitsmarkt tatsächlich bald den Leitzins reduzieren. Doch das wird der US-Regierung bei ihrem Schuldendienst wohl wenig nützen.

„Auch wenn der Leitzins der Fed sinkt, dürften die für die Fiskalpolitik relevanten Langfrist-Zinsen stabil bleiben oder im Extremfall sogar steigen“, sagt Edgar Walk, Chefvolkswirt bei Metzler Asset Management. Schuld daran ist der US-Präsident, dessen Angriffe auf die Unabhängigkeit der Fed viele Anleger beunruhigen. Wenn sie Zweifel bekommen, ob sich die US-Notenbank auch in den kommenden Jahren ihrem Mandat der Preisstabilität verpflichtet fühlt, steigen die Inflationserwartungen. Zudem dürften die Zölle nach der Meinung der meisten Ökonomen die Inflation langfristig erhöhen. Die Folge: Damit die höhere Inflation nicht die Realrendite auffrisst, verlangen sie eine höhere Verzinsung.

US-Präsident Donald Trump will mit den steigenden Einnahmen aus den Zöllen unter anderem den Staatshaushalt aufhübschen. „Es ist Wunschdenken der US-Regierung, dass die Zölle den fiskalischen Spielraum deutlich erhöhen“, urteilt dagegen etwa Daniel Hartmann, Chefökonom von Bantleon. Dies werde schon alleine deswegen nicht funktionieren, weil die Zölle zu weniger Wirtschaftswachstum führen dürften und damit auch zu geringeren Steuereinnahmen. Seine Einschätzung deckt sich mit einer Untersuchung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Dort kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass die Zölle das US-Wirtschaftswachstum mittelfristig um einen Prozentpunkt senken könnten.

Rating-Abstufungen drohen

Weniger mittelfristiges Wachstum erwartet Hartmann auch wegen der Fiskalpolitik. „Die US-Staatsschulden sind eine tickende Zeitbombe“, sagt er. Da die Zinslasten der USA immer weiter steigen, komme das Land an einer „scharfen Trendwende“ in der Haushaltspolitik nicht vorbei. Die Folge wäre eine schwächere wirtschaftliche Dynamik. „Wenn die USA zu der nötigen restriktiven Fiskalpolitik umschwenken, dürften für einige Jahre Wirtschaftswachstumsraten von unter 2% anstehen.“ Damit die US-Regierung den Kurswechsel vollzieht, könnte es nach Ansicht von Hartmann noch „ein paar Rating-Abstufungen und einen weiteren Schub bei den Risikoprämien von US-Treasuries“ brauchen.

Walk rechnet damit, dass es sogar einen großen Knall erfordert, damit eine US-Regierung den unbeliebten Schritt der Haushaltskonsolidierung geht. „Die Staatsschulden der USA sind außer Kontrolle“, sagt er. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es eine Staatsschuldenkrise geben wird.“ Mit einem Default der USA rechnet er nicht, gleichwohl aber mit heftigen Turbulenzen an den Finanzmärkten. Er hält einen „Einbruch am US-Aktienmarkt um 30 bis 40%, höhere Zinsen für US-Staatsanleihen und eine höhere Inflation“ für nicht unwahrscheinlich. „Offen ist, ob sich die Finanzmärkte in Europa analog bewegen werden oder die Renditen der Staatsanleihen fallen, weil der Euro zum Safe Haven‘ wird.“

Wohl keine Rezession

Auch Hartmann rechnet damit, dass sich Investoren in den USA auf größere Drawdowns an den Börsen einstellen müssen. Denn die Fiskalpolitik könne künftig nicht mehr ständig als Feuerwehrmann einspringen, wenn die Konjunktur nicht rund läuft. So könnten am Ende nicht US-Treasuries, sondern US-Aktien die eigentlichen Verlierer der Staatsschuldenkrise sein.

Neben der steigenden Fiskalpolitik beunruhigt so manchen Anleger die Aussicht auf eine mögliche baldige Rezession in den USA wegen der Wirtschaftspolitik Trumps. „Die Sorge vor einer Rezession steht mit dem jüngsten Arbeitsmarktbericht wieder im Vordergrund“, sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Dieser war so schwach ausgefallen, dass die Finanzmärkte inzwischen fest von einer Zinssenkung der Fed im September ausgehen. Weitere Lockerungen bis Jahresende gelten als wahrscheinlich.

KI als Retter

Mit einer Rezession in den USA rechnet Krämer nicht, nur mit einer Wachstumsdelle. „Die Auswirkungen der Zollturbulenzen dürften für die US-Wirtschaft als große, relativ geschlossene Volkswirtschaft weit weniger dramatisch sein als die Folgen der 2001 und 2008 geplatzten Blasen“, führt er unter anderem als Argument an.

Auch seine Amtskollegen Walk und Hartmann erwarten keine Rezession. Der Chefökonom von Metzler Asset Management schätzt die Wahrscheinlichkeit einer schrumpfenden US-Wirtschaft auf rund 30 bis 35%. Unter anderem die zu erwartenden Wachstumsimpulse durch Künstliche Intelligenz verhindern seiner Ansicht nach wahrscheinlich das Abrutschen in die Rezession. „Die Fed wird die Zinsen auf den nächsten Sitzungen senken und so für einen Wachstumsimpuls sorgen“, ergänzt er.