Die USA als Zuflucht für sensible Daten?

Von Stephan Lorz, Frankfurt Börsen-Zeitung, 6.2.2014 Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass eine internationale Organisation wie die OECD in Zeiten des NSA-Skandals die USA als einen Hort der Datensicherheit und als sicherste Verwahrstelle...

Die USA als Zuflucht für sensible Daten?

Von Stephan Lorz, FrankfurtEs entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass eine internationale Organisation wie die OECD in Zeiten des NSA-Skandals die USA als einen Hort der Datensicherheit und als sicherste Verwahrstelle für Geschäftsgeheimnisse weltweit rühmt. Das Land nimmt nämlich den ersten Platz ein in einer von der OECD veröffentlichten “Ratingliste”, die Aufschluss geben soll, in welchem Staat Geschäftsgeheimnisse im Hinblick auf gesetzliche Absicherung, Durchsetzung des Rechts und Ahndung von Fehlverhalten am besten aufgehoben sind. Und weshalb sich dort Hochtechnologieunternehmen nach Meinung der OECD-Ökonomen am wohlsten fühlen können.Die Daten, auf die sich die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bezieht, sind zwar aus dem Jahr 2010 für alle Länder zusammengetragen worden, angesichts der jüngsten Enthüllungen über das Gebaren der US-Geheimdienste weltweit und den offenkundigen Verwicklungen von US-Privatfirmen mit dem Cyber-Geheimdienst NSA wäre aber zumindest eine Erwähnung dieser Vorwürfe angebracht gewesen. Zumindest hätte es einen Punktabzug bezüglich der Glaubwürdigkeit des Datenschutzes in den USA geben müssen.Deshalb stellt sich nun die Frage, wessen Geschäft die OECD eigentlich betreibt; und was uns die Studie wohl über den Einfluss auf die derzeit laufenden Verhandlungen über eine transatlantische Freihandelszone sagen kann. Wird zwischen den USA und der EU womöglich tatsächlich auf dieser Datenbasis verhandelt und mittels solcher Statistiken dafür gesorgt, dass die gerühmten “US-Standards”, die ja laut dieser Studie als die besten der Welt gelten, auf alle Handelspartner ausgeweitet werden? Denn so sind die Handelsgespräche ja angelegt: die besten Standards werden wechselweise übernommen. Einblick in den konkreten Verhandlungsverlauf erhält man aber nicht, da die Gespräche als “geheim” deklariert sind.Explizit wird in der von der OECD verfassten Ausarbeitung (“Approaches to Protection of Undisclosed Information – Trade Secrets” vom 22. Januar 2014) zudem dargelegt, dass man nicht nur den gesetzlich und juristisch garantierten Schutz von Geschäftsgeheimnissen in das “Länderrating” einbezogen hat, sondern auch die praktische Umsetzung des rechtlichen Regelwerks berücksichtigt hat insbesondere in Bezug auf mögliche Probleme bei der Durchsetzung. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.Dass China am Ende der Tabelle rangiert, ist keine Überraschung. Hier zeigt die Studie zumindest auf, dass zwischen dem rechtlichen Rahmen und der Verwirklichung dieser Vorgaben eine große Kluft besteht. Spätestens seit den Einblicken in das System der US-Geheimdienste durch Whistleblower Edward Snowdon wissen wir aber, dass diese – manche würden sagen: spitzfindige – Unterscheidung auch im Hinblick auf die USA getroffen werden muss. Zwar ist nicht explizit der Beweis erbracht, dass die Megadatenbanken der NSA auch für wirtschaftliche Zwecke genutzt wurden und werden, aber der Gedanke liegt nahe, zumal man bei Geheimdiensten – das liegt in der Natur ihrer Tätigkeit – ja ohnehin nur Vermutungen anstellen und Plausibilitäten konstatieren kann. Gewissheit wird man in diesem Metier nie erhalten.Dagegen findet man Deutschland, das selber große Stücke auf seinen Datenschutz hält und im Hinblick auf die Ausspähung von Geschäftsgeheimnissen und der Privatsphäre grundsätzlich empfindlich reagiert, in der OECD-Studie überraschenderweise im Mittelfeld – hinter Korea, Italien und Großbritannien.Dass die OECD am Schluss ihrer Studie ankündigt, die Erhebung noch weiter auszuwerten und dabei auch zu untersuchen, wie unterschiedlich sichere rechtsstaatliche Umgebungen für Geschäftsgeheimnisse auf die Konjunktur wirken, kann vor diesem Hintergrund nur als Drohung aufgefasst werden. Nur mit einem so hohen Datenschutzstandard wie in den USA, so dürfte das Ergebnis lauten, könne auch stabiles Wirtschaftswachstum garantiert werden. Ist die heimliche Macht NSA also letztlich – neben der amerikanischen Notenbank – der eigentliche Garant für das wirtschaftliche Wohlergehen der USA? ——–Nach OECD-Meinung sind Geschäftsgeheimnisse weltweit am besten in den USA aufgehoben. Ein Trugschluss.——-