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Die weißen Trüffel sind wieder erschwinglich

Es ist derzeit oft grau, neblig und es nieselt. Doch das interessiert die meisten Touristen, die in diesen Tagen in die piemontesische Kleinstadt Alba kommen, nicht. Zwar ist der berühmte Trüffelmarkt gerade zu Ende gegangen. Aber in den Geschäften...

Die weißen Trüffel sind wieder erschwinglich

Es ist derzeit oft grau, neblig und es nieselt. Doch das interessiert die meisten Touristen, die in diesen Tagen in die piemontesische Kleinstadt Alba kommen, nicht. Zwar ist der berühmte Trüffelmarkt gerade zu Ende gegangen. Aber in den Geschäften der Stadt sind die weißen Pilzgewächse noch bis Ende Januar allgegenwärtig und auch die Restaurants bieten Trüffelgerichte aller Art an.In diesem Jahr sind die rundlichen Knollengewächse sogar direkt wieder erschwinglich: Hundert Gramm kosten nur 300 bis 350 Euro – halb so viel wie 2017, als die Ernte wegen der Trockenheit mager ausgefallen war. 2018 war dagegen feucht und warm. Das sind ideale Bedingungen für die in Symbiose mit Pappeln, Eichen, Linden oder Nussbäumen lebenden Trüffeln, die bis zu 70 Zentimeter unter der Oberfläche wachsen. Mehr als 4 000 lizenzierte und unzählige Amateurtrüffelsucher ziehen zwischen September und Januar mit eigens ausgebildeten Trüffelhunden los und verkaufen ihre Beute an Händler, Restaurants oder Private. Die Suche erfolgt meist nachts, schon damit die Fundorte geheim bleiben.Bis in die Nachkriegszeit war der aromatische Pilz, den schon die Römer schätzten, eine regionale Spezialität. Giacomo Morra, ein lokaler Händler und Restaurantbesitzer, sorgte dafür, dass sich das änderte. Er organisierte Zugsonderfahrten nach Alba und schickte eine mehr als zwei Kilogramm schwere Trüffel an den damaligen US-Präsidenten Harry S. Truman. Seitdem erhält jedes Jahr ein anderer Prominenter eine weiße Knollenfrucht. Marilyn Monroe und Papst Franziskus waren auch schon dabei. Bei Morra herrscht bis Januar Hochkonjunktur. Die in einem “Caveau” bei 2 bis 6 Grad gelagerten Trüffeln werden in Icepacks und Styroporverpackungen in die ganze Welt verschickt. Spätestens in drei Tagen sollen sie beim Kunden auch in Japan sein. Trüffeln müssen innerhalb von einer Woche verzehrt werden.Nachdem zunächst Schweizer und Deutsche die weiße Trüffel entdeckt hatten, ist seit etwa zehn Jahren ein weltweiter Boom ausgebrochen. Bis aus Australien und Brasilien kommen Touristen, meist nicht nur der Trüffeln wegen. Dass die liebliche Hügellandschaft um Alba und Barolo zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt wurde, hat dem Fremdenverkehr einen gewaltigen Schub gegeben. Winzer wie Chiara Boschis mit ihrem Weingut Pira haben seit den 80er-Jahren den Weinbau in der Region revolutioniert. Sie haben stark in Weinstöcke und die Technik investiert. Der Barolo zählt heute zu den teuersten Weinen der Welt. Touristen können rund 400 Weinbaubetriebe besichtigen.In Alba und Umgebung sind jedoch nicht nur Trüffeln zu finden. Die Region ist voller Spezialitäten: Panettone etwa, Käse, Wurstwaren, Nüsse und Nusspasten à la Nutella sind allgegenwärtig. Hersteller Ferrero hat seinen Sitz in der Region mit den vielen Nussbäumen. Auch der Gastronomiemulti Eataly kommt aus der Nähe von Alba. Es ist kein Zufall, dass die Slow-Food-Bewegung hier ihren Ausgang nahm. Eine Vielzahl von Restaurants, davon 21 mit mindestens einem Michelin-Stern, bieten bis Ende Januar Spezialitäten wie die Eiernudelart Tagliolini an – die weißen Trüffeln werden roh darüber geraspelt, etwa sechs bis zehn Gramm pro Portion. Während ein Gericht 2017 noch 90 bis 100 Euro kostete, ist es dieses Jahr heuer für 40 bis 50 Euro zu haben.”Es gibt viele Synergien für die Region”, sagt Antonio Degiacomi, Präsident des nationalen Trüffelinstituts. Er verweist darauf, dass nun auch im Sommer Touristen kommen. Önotourismus, Radwege und die schöne Landschaft laden zum Verweilen ein. Liliana Allena, Präsidentin der gerade zu Ende gegangenen Trüffelmesse, die auch in diesem Jahr mehr als 100 000 Besucher aus aller Welt anzog, schätzt, dass jährlich rund 1 Mrd. Euro rund um die weiße Trüffel umgesetzt werden: “40 % davon entfallen auf den Verkauf der Trüffeln und der damit verbundenen Spezialitäten, der Rest auf den Tourismus.”Doch die Stimmung in Alba ist nicht ungetrübt. Umwelteinflüsse, die Klimaerwärmung, die zunehmende Bebauung sowie die intensive Landwirtschaft bedrohen die Zukunft des weißen Goldes. “Wir müssen aufpassen, dass wir nicht unsere eigene Lebensgrundlage zerstören”, meint Degiacomi.