Dienstleistungsinflation wächst zum Sorgenkind der EZB heran
Dienstleistungsinflation wächst zum Sorgenkind der EZB heran
Dienstleistungsinflation wächst zum Sorgenkind der EZB heran
Zentralbank schraubt Prognose für Entwicklung der Tariflöhne kräftig nach oben – Tauben im Rat wehren sich gegen mögliche Zinserhöhung 2026
mpi Frankfurt
Neue Prognosen der EZB zur Entwicklung der Tariflöhne liefern den Falken im Rat ein weiteres Argument, dass die Geldpolitik im Euroraum bereits locker genug ist. Die Notenbank schraubt ihre Prognose für 2026 kräftig nach oben. Wie bislang auch, erwartet sie, dass das Lohnwachstum aktuell etwas nachlässt, ehe es im zweiten Halbjahr 2026 wieder steigt. Doch der erwartete Anstieg ist nun deutlich höher. Im dritten Quartal erwartet die EZB ein Wachstum von 2,5% (bisher 2,2%). Für das vierte Quartal veranschlagen sie sogar 2,7%. Hierfür gab es bei der vorherigen veröffentlichten Schätzung noch keinen dezidierten Wert.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte am Donnerstag nach dem Zinsentscheid bereits gesagt, dass die Notenbank die Lohnentwicklung unterschätzt habe. Dies ist laut den Ökonomen des Eurosystems der Hauptgrund dafür, weshalb sie die Projektion für die Inflation im kommenden Jahr angehoben haben. Die Vorhersage für die Gesamtrate der Inflation liegt bei 1,9% nach zuvor 1,7%. Noch kräftiger fiel die Anpassung bei der Kerninflation aus. Hier korrigierte die EZB die Projektion am Donnerstag um 0,3 Prozentpunkte auf 2,2%.

Hohes Arbeitnehmerentgelt
„Bislang hatte die EZB beim Lohnwachstum eine große Zuversicht in den Abwärtstrend zum Ausdruck gebracht“, sagt Daniel Hartmann, Chefökonom von Bantleon. Die Entwicklung bei den Tariflöhnen deute zwar auch nach wie vor auf eine Abschwächung in den nächsten Quartalen hin. „Das Arbeitnehmerentgelt (es enthält die gesamten Lohnkosten, inklusive Boni und Sozialbeiträgen) hatte aber zuletzt nach oben überrascht und legte im 3. Quartal 2025 erneut um stattliche 4,0% zu.“ Zudem rechnet die EZB selbst nun mit deutlich mehr Lohnwachstum ab der zweiten Jahreshälfte 2026.
Der Lohnentwicklung kommt derzeit beim Inflationsausblick eine große Rolle zu. Während die Inflation bei Gütern weit unter der Marke von 2% liegt, welche die EZB für den gesamten Warenkorb anstrebt, liegt sie bei Dienstleistungen weit darüber. Im oft arbeitsintensiven Service-Sektor sind die Lohnkosten ein großer Kostenfaktor. „Der hartnäckige Anstieg der Dienstleistungspreise macht weiteren geldpolitischen Lockerungen vorerst einen Strich durch die Rechnung“, urteilt Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank.

„Abwärtsrisiken bei der Inflation überwiegen“
Finnlands Notenbankchef Olli Rehn hält eine Lockerung der Geldpolitik dennoch für möglich. „Die Abwärtsrisiken bei der Inflation überwiegen derzeit“, sagte Rehn am Freitag. Der nächste Zinsschritt der EZB müsse daher nicht unbedingt eine Erhöhung sein. Er hält es zudem für denkbar, dass die Lohnprognose der EZB zu hoch ist.
„Zu früh, darüber zu spekulieren“
Gegen eine Straffung stemmt sich auch der französische Notenbankpräsident François Villeroy de Galhau. „Es gibt wirklich keinen Grund in naher Zukunft eine Zinserhöhung zu erwarten, entgegen bestimmten Gerüchten und Spekulationen, die möglicherweise zu hören waren.“
Gediminas Simkus, Präsident der Notenbank in Litauen, sieht keinen Anlass, um zeitnah am Niveau der Leitzinsen etwas zu ändern. Sein estnischer Amtskollege Madis Müller stimmte die Finanzmärkte ebenfalls auf eine längere Phase stabiler Leitzinsen ein. Es sei zudem „zu früh, darüber zu spekulieren“, wie die Geldpolitik im zweiten Halbjahr 2026 ausfalle. Ab diesem Zeitpunkt rechnen einige Investoren und Ökonomen mit einer Zinserhöhung der EZB.
